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# taz.de -- Weibliche Gewalt: Die kleinen Unterschiede
> Frauen als Täterinnen: Eine neue Studie beleuchtet Fakten, die die
> Klischees ins Wanken bringen. Aber kann man männliche und weibliche
> Gewalt einfach so gleichsetzen?
Bild: Bei leichter Gewalt wie Schubsen, Stoßen oder Ohrfeigen waren Männer un…
Es ist ein einfacher und bekannter Fakt - und doch erregt er immer wieder
Aufsehen: Männer sind generell häufiger Opfer von Gewalt als Frauen. Gerade
hat der Sozialwissenschaftler Peter Döge diesen Befund wieder in einer
Befragung von 1.470 Männern und 970 Frauen bestätigt. Da man im Allgemeinen
Männlichkeit mit dem Tätersein identifiziert, sorgt diese einfache
Erkenntnis für Irritationen. 45 Prozent der befragten Männer gaben an,
Gewalt erlitten zu haben, gegenüber 41 Prozent der Frauen. Dabei
unterscheidet die Studie zunächst nicht zwischen Gewalt zwischen Männern im
öffentlichen Raum und Gewalt in Paarbeziehungen.
Dass Frauen Gewalt ausüben, verschwindet laut Döge erstaunlich oft vom
Radar: 30 Prozent der befragten Frauen waren Täterinnen, gegenüber 35
Prozent der Männer. Entgegen dem universellen Klischee vom männlichen Täter
sei zu betonen: "65 Prozent aller Männer sind gewaltfrei."
Der "Männerarbeit der evangelischen Kirche" ist es zu verdanken, dass sie
Döges Studie "Männer - die ewigen Gewalttäter?" in Auftrag gab und damit
ein Schlaglicht auf männliche Opfer und weibliche Täterschaft wirft. Bei
der Vorstellung der Expertise am Wochenende in Hannover wurde deshalb
diskutiert, warum männliche Opfererfahrungen kaum Beachtung in der
Gesellschaft finden. Peter Döge regte an, die Hilfseinrichtungen als
neutrale Stellen zu "tarnen", sodass Männer dort anonym auftreten könnten.
Der Volkswagen-Konzern habe seine Mobbingberatung etwa in der
"Rentenberechnungsstelle" untergebracht. Und prompt fanden sich dort viele
Männer zur "Rentenberechnung" ein.
Die insgesamt hohen Zahlen zur Gewalttäterschaft kommen zustande, weil Döge
einen sehr weit gefassten Gewaltbegriff verwendet: In den sogenannten
Conflict Tactic Scales sind verbale Gewalt, Kontrolle und Zwang, leichte
und schwere Gewalttaten und auch sexualisierte Gewalt enthalten. Zwischen
den Geschlechtern sind diese Gewaltakte ungleich verteilt: Frauen tendieren
vermehrt zum Anschreien und zur Kontrolle, Männer üben stärker schwere
Gewalt und sexualisierte Gewalt aus. Bei leichter Gewalt wie Schubsen,
Stoßen oder Ohrfeigen waren Männer und Frauen zu gleichen Teilen vertreten.
Aber nur bei schwerer Gewalt werde die Polizei gerufen, sagt Döge: "Deshalb
tauchen in der Kriminalstatistik so viele Männer auf."
Dabei sei es genauso verheerend, wenn Frauen ihre Kinder schlügen, meint
der Forscher. Er zielt dabei auf etwas, was er als "Ideologie der
feministischen Gewaltdebatte" bezeichnet: In Frauenhäusern, die er für ein
früheres Gutachten befragt habe, gehe man davon aus, dass häusliche Gewalt
Männergewalt sei.
Nach Döges Auswertung üben Frauen mehr Gewalt in der Erziehung aus als
Männer. Und die Gewalt in der Partnerschaft sei etwa gleich verteilt: Je
ein Viertel aller befragten Männer und Frauen hatten Gewalt des Partners
erfahren, je ein Fünftel hatte sie ausgeübt.
Allerdings liegt auch hier der weite Gewaltbegriff zugrunde. Sodass nicht
ausgeschlossen werden kann, dass eine Frau den Partner anschreit und
kontrolliert und dieser dann mit Schlägen "antwortet". Döge konzedierte,
dass in den Frauenhäusern vor allem Opfer schwerer Gewalt zu finden sind.
In der angelsächsischen Debatte unterscheidet man deshalb "normale
Paargewalt" von intimate terror. Döge allerdings war sehr daran gelegen,
zwischen diesen Gewalttaten keinen Unterschied zu machen: "Man geht heute
davon aus, dass psychische Gewalt auf die Dauer dieselben Folgen haben kann
wie physische." Deshalb spricht sich Döge auch dafür aus, dass Paare ihre
Gewalttätigkeit gemeinsam bewältigen.
Dem widersprach Klaus Eggerding vom Männerbüro Hannover. Er betreut unter
anderem Gewalttäter und sagt: "Wenn körperliche Gewalt stattfindet, dann
ist eine Grenze überschritten. Für diese Grenzüberschreitung muss ein Täter
Verantwortung übernehmen." Man überfordere Paare damit, sich gemeinsam mit
der Gewalttat zu beschäftigen. "Bringt der Berater dem Mann Empathie
entgegen, läuft die Frau davon. Fühlt er sich in die Frau ein, kommt der
Mann nicht mehr wieder. Das funktioniert nicht", sagt Eggerding.
Und während ein Mann aus dem Publikum schon davon träumte, dass die Polizei
die schreiende Frau genauso aus der Wohnung werfen kann wie den schlagenden
Mann, wies Eggerding noch auf eine andere Erfahrung hin, die ihm eher
spezifisch für männliche Täter erscheint: Die Gewalttäter, die ihm
begegnen, empfinden egalitäres Aushandeln von Bedürfnissen schon als
Gefährdung ihres Selbstwerts, weil es ihre männliche Dominanz infrage
stellt. Deshalb würden sie gewalttätig. "Da bin ich doch eher in der
feministischen Ecke", sagte Eggerding.
In der war er auf der Tagung relativ allein: Feministische
Gewaltexpertinnen waren auf dem Podium nicht zu finden. Eingeladen dagegen
war Angela Icken, Leiterin der neuen Referats für Jungen- und Männerpolitik
im Bundesfamilienministerium. Doch sie erschien nicht - wegen "ungeklärter
Kompetenzfragen".
Da Frauenministerin Kristina Schröder (CDU) schon öfter eine aktivere
Männerpolitik angekündigt hatte, waren die Aktiven aus der EKD nun
besonders enttäuscht und sprachen von einem "ärgerlichen Rückzieher".
14 Nov 2010
## AUTOREN
Heide Oestreich
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