# taz.de -- Expertin über Aggression in der Partnerschaft: "Gewalt von Frauen … | |
> Soziologin Barbara Kavemann plädiert für die präzise Auswertung von | |
> Daten. Männer üben sehr viel schwerere Gewalt aus und sollten sich mit | |
> schädigenden Männlichkeitsbildern auseinandersetzen. | |
Bild: "Es kommt darauf an, was mit Gewalt gemeint ist." | |
taz: Frau Kavemann, ein Drittel der befragten Frauen ist laut Peter Döges | |
neuer Männerstudie generell gewalttätig. Ein Fünftel ist dies zu Hause | |
gegenüber dem eigenen Partner und damit genauso oft wie männliche | |
Gewalttäter umgekehrt. Überraschen Sie diese Zahlen? | |
Barbara Kavemann: Nein. Es kommt darauf an, was mit Gewalt gemeint ist. | |
Döge zählt von psychischer Gewalt wie anschreien und kontrollieren bis zu | |
schwerer und sexueller Gewalt alles dazu. Ist das falsch? | |
Nein, das ist grundsätzlich richtig. Aber man muss dann in der Auswertung | |
auch sehr präzise bleiben. Wir haben ja die empirischen Daten dazu, dass | |
die Gewalt, die von Frauen ausgeht, wenig gravierend und wenig verletzend | |
ist. Die harten Gewalttaten gibt es auch, aber sie sind nicht die Regel. | |
Von Männern dagegen geht in Partnerschaften zusätzlich noch sehr viel | |
schwere Gewalt aus. Der polizeiliche Schutz vor solcher Gewalt greift | |
übrigens bei männlichen und weiblichen Opfern gleichermaßen. | |
Aber erst, wenn es zu körperlicher Gewalt kommt. Herr Döge betont, dass die | |
psychische Gewalt genauso gravierende Folgen haben kann wie körperliche. | |
Ja, psychische Gewalt ist sehr schädigend. Aber dieser Gewalt kommt man | |
eher mit Beratung und Therapie bei als mit der Justiz: Frauen und Männer | |
müssen dabei unterstützt werden, dass sie solche schädigenden | |
Lebensverhältnisse verlassen. | |
Hat die Frauenhausbewegung den gewalttätigen Anteil der Frauen übersehen? | |
Nein. Das sehen Sie daran, dass die Häuser auch lesbische Frauen aufnehmen, | |
die von ihrer Partnerin Gewalt erfahren haben. Sie haben mit Gewalt | |
zwischen Bewohnerinnen im Haus zu tun, mit Rassismus und vor allem mit | |
Gewalt gegen Kinder. Diese "familiäre Gewalt" muss aber anders bearbeitet | |
werden: mit dem Jugendamt, in Beratungen und in der Therapie. Dafür sind | |
Frauenhäuser nicht da. Ihr Auftrag ist auf den Schutz der Frauen vor | |
schwerer Gewalt begrenzt. | |
Was müsste denn Frau Schröder als Männerministerin nun tun? | |
Die Orte, an denen Männer sich mit Angst und Verletzlichkeit | |
auseinandersetzen können, müssen bekannter werden. Denn es ist gut, wenn | |
Männer das konstruktiv tun anstatt nur verdrängend und ausagierend. Die | |
Ministerin könnte dafür werben, dass Männer sich mit schädigenden - auch | |
sie selbst schädigenden - Formen von Männlichkeit auseinandersetzen. Ich | |
finde nämlich den Tenor der Debatte im Moment merkwürdig: Als seien die | |
engagierten Frauen daran schuld, dass bei den Männern bisher nichts | |
passiert ist. Das ist doch sehr verdreht. | |
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH | |
15 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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