# taz.de -- Finanzhilfen für die Pleiteinsel: Die Iren müssen bluten | |
> Leitfaden für die Irland-Hilfe: Wie sie funktioniert, an welche | |
> Bedingungen sie gebunden ist und wer dafür aufkommt. Nur wie viel Geld | |
> fließt, ist noch nicht bekannt. | |
Bild: Kommt Irland jetzt ungeschoren davon? Schafe auf einer Landstraße im Cou… | |
1. Wie viele Milliarden Euro beantragt Irland? | |
Dieses Geheimnis wird noch immer eisern von der irischen Regierung gehütet. | |
Einzige Auskunft: Es sollen "weniger als 100 Milliarden Euro" sein. Auf den | |
Finanzmärkten geht man davon aus, dass es am Ende 80 bis 90 Milliarden Euro | |
sein werden. Bis Ende November soll der definitive Rettungsplan stehen. | |
2. Warum braucht Irland Hilfe? | |
Alle irischen Banken sind marode und völlig überdimensioniert. Es wird | |
mindestens 50 Milliarden Euro kosten, ihre Verluste aus faulen Hypotheken- | |
und Gewerbekrediten zu decken. Zudem verlieren Bankkunden das Vertrauen und | |
ziehen ihr Geld ab. Allein die beiden Krisenbanken Allied Irish Banks und | |
Anglo Irish Bank haben in den vergangenen Monaten 23 Milliarden Euro an | |
Einlagen verloren, wie der irische Finanzminister Brian Lenihan bekannt | |
gab. Das Ergebnis: Die angeschlagenen Institute bekommen fast nur noch Geld | |
von der Europäischen Zentralbank, die bis Ende Oktober Liquiditätshilfen in | |
Höhe von 130 Milliarden Euro an die irischen Banken vergeben hat. | |
3. Wer gibt Geld für Irland? | |
Die Hälfte der Kredite wird vom Internationalen Währungsfonds stammen, die | |
andere Hälfte bringen die Europäische Kommission und ein gemeinsamer | |
Rettungsfonds der Euroländer auf. Deutschland zahlt also nicht direkt, | |
sondern wird für einen Teil der europäischen Darlehen bürgen. Die Iren | |
bekommen die Darlehen nicht kostenlos, sondern müssen Zinsen zahlen. Der | |
irische Zentralbankchef Patrick Honohan rechnet mit etwa 5 Prozent. | |
Da sich der europäische Rettungsfonds zu deutlich günstigeren Konditionen | |
auf den Kapitalmärkten finanzieren kann, ist die Irlandhilfe ein gutes | |
Geschäft für die Euroländer, jedenfalls solange die Iren zahlungsfähig | |
bleiben. Zudem haben sich auch England und Schweden bereit erklärt, Irland | |
mit bilateralen Krediten zu unterstützen, obwohl beide Länder nicht zum | |
Euroraum gehören. Doch haben die britischen Banken fast 150 Milliarden | |
Dollar an Krediten nach Irland vergeben und gehören damit zu den | |
Profiteuren des Eurorettungsschirms. | |
4. Welche Bedingungen stellen der IWF und die EU? | |
Die irische Regierung hat bereits drastische Haushaltskürzungen in einem | |
"Vierjahresplan" beschlossen. Im kommenden Jahr sollen 6 Milliarden Euro | |
eingespart werden, bis 2014 sollen es 15 Milliarden Euro werden. Damit soll | |
das Haushaltsdefizit von gegenwärtig 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts | |
auf die erlaubten 3 Prozent gedrückt werden. Die genauen Details will die | |
Regierung in dieser Woche bekannt gegeben, doch wird erwartet, dass unter | |
anderem die Sozialleistungen um 10 Prozent gekürzt und 28.000 öffentliche | |
Stellen gestrichen werden. Auch der derzeitige Mindestlohn von 8,65 Euro | |
pro Stunde soll sinken. Diese Pläne haben die EU und der IWF offenbar | |
überzeugt, denn die europäischen Finanzminister haben in ihrer gemeinsamen | |
Erklärung keine weiteren Kürzungen verlangt. | |
5. Was wird aus dem "Steuerdumping" der Iren? | |
Zum Ärger vieler Euroländer verlangen die Iren eine sehr niedrige | |
Körperschaftsteuer von nur 12,5 Prozent, um ausländische Firmen anzulocken. | |
Doch der Streit über die Unternehmenssteuern taucht mit keinem Wort in den | |
offiziellen Erklärungen auf. Irlands Finanzminister Lenihan versicherte | |
seinen besorgten Landsleuten am Montag, dass es "weder direkten noch | |
indirekten Druck" auf Irland gebe, die Körperschaftsteuer anzuheben. | |
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
hätten ihm versichert, dass die Steuerpolitik eine "innere Angelegenheit" | |
Irlands sei. | |
6. Geht Irland doch noch pleite? | |
Die europäischen Finanzminister geben sich optimistisch und beschwören die | |
"starken Fundamente der irischen Wirtschaft". Und tatsächlich hat das Land | |
eine florierende Exportindustrie - wozu unter anderem die IT-Branche zählt. | |
Dennoch bezweifeln viele Experten, dass Irland in der Lage sein wird, die | |
Rettungskredite aus eigener Kraft zurückzuzahlen. Das Problem: Indem die | |
irische Regierung den Staatshaushalt drastisch kürzt, könnte sie die | |
derzeitige Rezession im Land verlängern. | |
22 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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