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# taz.de -- Aus Protest gegen Sparpaket: Generalstreik legt Portugal lahm
> In Portugal richten sich Proteste gegen ein umfangreiches Sparpaket der
> sozialistischen Minderheitsregierung. Das Parlament soll am Freitag
> abstimmen.
Bild: Alle Räder stehen still ... Busse am 24.11.2010 in Lissabon.
MADRID taz | Portugal stand am Mittwoch still. Die beiden großen
Gewerkschaftszentralen, die kommunistische CGTP und die sozialistische UGT,
hatten erstmals in 22 Jahren gemeinsam zum Generalstreik gerufen, "um
deutlich zu machen, dass die Politik geändert werden muss".
Die beiden Gewerkschaften, die zusammen 1,2 Millionen Mitglieder zählen,
protestierten gegen ein umfangreiches Sparpaket, das am Freitag mit dem
neuen Haushalt endgültig vom Parlament verabschiedet werden soll. Portugals
sozialistischer Ministerpräsident José Sócrates möchte damit den
Staatshaushalt sanieren und die Glaubwürdigkeit seines Landes auf den
internationalen Finanzmärkten verbessern.
"Die Streikbeteiligung hat all unsere Erwartungen übertroffen", erklärten
die Gewerkschaftsführer Manuel Carvalho da Silva (CGTP) und João Proença
(UGT). Die meisten Züge fuhren nicht, die U-Bahnen in Lissabon und Porto
blieben geschlossen, der Müll wurde nicht abgeholt, Krankenhäuser und
Schulen arbeiteten nur mit Notdiensten, die Gerichte blieben leer und 98
Prozent der internationalen Flüge wurden gestrichen.
Auch die Privatwirtschaft war vom Ausstand betroffen. Das größte
Exportunternehmen des Landes, das Volkswagenwerk Autoeuropa, musste die
Produktion einstellen, viele Sparkassen und Banken öffneten nicht. Selbst
die Soldaten, die von Gesetzes wegen nicht streiken dürfen, legten einen
Reflexionstag ein.
Portugals Premier José Sócrates weht es kalt ins Gesicht. Angesichts der
Irlandkrise ist sein Land erneut den Spekulanten auf den internationalen
Finanzmärkten ausgesetzt. Die Zinsen für Staatsanleihen stiegen auf neue
Rekordwerte. Portugals Staatsbudget ist aus dem Lot. Ende 2009 belief sich
die Staatsverschuldung auf 109 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Die Regierung sieht keinen anderen Ausweg, als die Mehrwertsteuern und die
Abgaben für Besserverdienende zu erhöhen und bei der Ausgabenseite
anzusetzen. Je nach Einkommensstufe werden die Gehälter im öffentlichen
Dienst um 3,5 bis 10 Prozent gekürzt. Die Pensionsabgaben steigen.
Pendlerzuschlag und Familiengeld werden gestrichen, Renten eingefroren.
Staatsbetriebe werden zum Verkauf angeboten und staatliche Investitionen
auf Eis gelegt.
Die Maßnahmen zeigen Wirkungen. Dieses Jahr dürfte Portugal mit einem
Defizit von 7,3 Prozent abschließen. 2011 sollen es 4,6 Prozent werden,
2013 soll das Land wieder unter dem Eurokriterium von 3 Prozent liegen.
Dazu muss der Haushalt durchs Parlament. Die sozialistische
Minderheitsregierung braucht Unterstützung. Die Fraktionen links der
Sozialisten unterstützen den Streik. Bleibt nur die konservative
Sozialdemokratische Partei. Sie hat sich bei den Etatabstimmungen enthalten
und so den Sozialisten eine Mehrheit verschafft. Im Gegenzug versprach
Sócrates Steuerreformen.
"Wir müssen das Defizit angehen", räumte UGT-Chef Proença am Donnerstag
ein. Doch sei die derzeitige Politik falsch. "Es werden zu viele Opfer von
den Arbeitern verlangt. Die, die mehr bezahlen könnten, bleiben außen vor",
fügte er hinzu.
Das Sparprogramm wirkt sich negativ aus. Die Portugiesen konsumieren
weniger. Staatsaufträge bleiben aus. Dadurch dürfte das Wachstum 2011 auf
0,2 Prozent sinken und die Arbeitslosigkeit auf 11 Prozent steigen.
"Sócrates blieb am Streiktag unsichtbar", titelte die Internetseite der
Tageszeitung Diário de Notícias. Er schickte einen Staatssekretär vor.
Dieser musste eingestehen, dass es sich im öffentlichen Dienst um einen der
großen Streiks in der Geschichte Portugals handelte.
24 Nov 2010
## AUTOREN
Reiner Wandler
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