# taz.de -- Nordkoreas Umgang mit Journalisten: Kein Anschluss unter dieser Num… | |
> Wie berichtet man über ein Land, dessen Regime sich gegen freie Medien | |
> abschottet und Fußball mit Gymnastik schlagen will? Schlaglichter auf | |
> eine komplizierte Realität. | |
Bild: Diese Dame hängt noch an der Strippe - an welchen der drei Telefonnetze … | |
PEKING taz | Wer hat den Befehl gegeben, wer ist schuld am Tod der vier | |
Südkoreaner, die am vergangenen Dienstag auf der kleinen Insel Yeonpyeong | |
im Artilleriefeuer aus Nordkorea ums Leben kamen? Sind nordkoreanische | |
Zivilisten und Soldaten verletzt oder getötet worden, als Südkoreas Armee | |
zurückschoss? Wie ernst werden im Norden die Ankündigungen des | |
südkoreanischen Staatschefs Lee Myung Bak genommen, der am Montag in einer | |
ersten TV-Ansprache nach den Angriffen auf die Insel drohte, er werde dafür | |
sorgen, "dass der Norden den Preis für jede seiner Provokationen bezahlen | |
wird"? | |
Wie gerne wären wir Pekinger Journalisten in dieser Woche nach Nordkorea | |
gereist, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. Aber anders als der | |
demokratische Süden lässt der Norden nur selten Korrespondenten ins Land. | |
Nur eine Handvoll ausländischer Medien sind permanent in der Hauptstadt | |
Pjöngjang vertreten, darunter die staatliche chinesische Agentur Xinhua und | |
die russische Interfax. | |
Die anderen sitzen vor der Tür der Demokratischen Volksrepublik Korea | |
(DPRK), wie Nordkorea offiziell heißt. Wir müssen uns damit begnügen, | |
chinesische und internationale Experten zu befragen und uns einen Reim auf | |
die Propaganda der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA zu machen. | |
Gleichwohl ist es mir in den vergangenen acht Jahren mehrfach geglückt, | |
nach Nordkorea zu reisen. In einigen Fällen, so wie beim ersten Besuch im | |
April 2002, hatten die Behörden Journalisten eingeladen: Sie versprachen | |
sich einen Werbeeffekt für ihr Land und für den unterentwickelten Tourismus | |
- bislang haben nur ein paar spezialisierte Reisebüros Nordkorea im | |
Angebot. | |
Doch in jenem Jahr war in Südkorea die Fußballweltmeisterschaft. Als | |
Konkurrenz dazu organisierte der Norden die "Arirang"-Massengymnastik-Schau | |
mit über 100.000 Teilnehmern im 1.-Mai-Stadion von Pjöngjang. Die | |
Funktionäre glaubten ernsthaft, dass ihr Synchronturnen mindestens so | |
attraktiv sein würde wie die Fußball-WM. | |
In anderen Fällen begleitete ich Parlamentarier- und andere Gruppen, | |
zuletzt im Mai. Auch damals herrschten große Spannungen, nachdem der Norden | |
beschuldigt worden war, die südkoreanische Korvette "Cheonan" versenkt zu | |
haben. Jeder Nordkoreaner, den wir in diesen Tagen trafen, schwor Stein und | |
Bein, dass der Vorwurf ungerechtfertigt sei: "Wir wollen nichts anderes als | |
Frieden und Wohlstand", hieß es immer wieder. | |
Wer kein Koreanisch spricht, ist auf die Hilfe von Übersetzern angewiesen. | |
Unsere Begleiter wachten mit Argusaugen darüber, dass wir nicht | |
unbeaufsichtigt durch die Straßen wanderten und nicht unbeobachtet mit | |
Passanten sprachen. Zuweilen musste ich im Morgengrauen vor Beginn des | |
offiziellen Programms aus dem Hotel schlüpfen, um der Realität ein wenig | |
näher zu kommen. | |
Denn die Gastgeber bieten ein starres Programm, von dem in der Regel nicht | |
abgewichen werden darf. Dazu gehört das als Heiligtum verehrte Geburtshaus | |
des Staatsgründers Kim Il Sung in einem Park am Rande der Hauptstadt. Das | |
traditionell strohgedeckte Bauernhaus ist heute Gedenkstätte und | |
Wallfahrtsort. Zweiter fester Programmpunkt ist ein Besuch beim Juche-Turm, | |
der wie eine Fackel wirkt. Der Turm am Ostufer des Taedong-Flusses ist nach | |
der Staatsphilosophie "Juche" (Eigenständigkeit) benannt. | |
Eigene Kommunikation ist dabei unerwünscht: Stets sammeln die Beamten am | |
Flughafen von Pjöngjang Handys und Satellitentelefone der Ankommenden ein, | |
um sie erst bei der Ausreise wieder zurückzugeben. Einmal untersuchten sie | |
auch meinen Laptop nach versteckten Sim-Karten und anderen Sendern. | |
Inzwischen weiß ich, dass es nichts nutzt, sich über solche Aktionen zu | |
ärgern, sondern sie als Zeichen einer Diktatur zu sehen, die um ihr | |
Überleben kämpft. Die stets anwesenden Begleiter ausländischer Besucher | |
sind dabei häufig charmant und zugleich sehr vorsichtig, sich nicht selbst | |
durch unbedachte Äußerungen in Gefahr zu bringen. | |
Ob und wie weit sie von dem, was sie uns Journalisten berichten, selbst | |
überzeugt sind, ist schwer zu beurteilen. Eine Reise nach Nordkorea kann | |
daher immer nur einen Zipfel einer überaus komplizierten Realität | |
enthüllen. | |
Handys einzusammeln zum Beispiel scheint auf den ersten Blick eine | |
überflüssige Aktion, da Besucher in Pjöngjang und Umgebung ohnehin mit | |
ihren Geräten keinen Empfang haben. Doch Nordkoreaner handeln illegal mit | |
Mobiltelefonen und chinesischen Simkarten. Sie werden heimlich im | |
koreanisch-chinesischen Grenzgebiet benutzt, da auf der chinesischen Seite | |
starke Sender nach Nordkorea herüberstrahlen. | |
So verbreiten sich auch Informationen, die das Regime eigentlich | |
unterdrücken will. Während meines letzten Besuches erlebte ich eine kleine | |
Sensation: Mittlerweile dürfen die Anwohner von Pjöngjang sogar ganz legal | |
Mobiltelefone kaufen. Sie werden von der ägyptischen Firma Orascom | |
vertrieben und kosten etwa 250 Dollar. Damit sind sie eigentlich | |
unerschwinglich: Nach offiziellem Umrechnungskurs müsste ein normaler | |
Nordkoreaner jahrelang arbeiten, um sich eines leisten zu können - das | |
Durchschnittseinkommen liegt noch unter einem Dollar im Monat. | |
Und doch sah ich in der Hauptstadt nicht wenige Menschen mit dem Handy am | |
Ohr. Für uns Außenstehende bleibt nur der Schluss: Es existiert eine | |
gewaltige Schattenwirtschaft, die einige Bürger zu Geld kommen lässt. | |
Gleichwohl bliebt jede Kommunikation schwierig: Es gibt in Pjöngjang | |
mindestens drei Telefonnetze. Eines für ausländische Bewohner der | |
Hauptstadt, die sich nur untereinander anrufen können, ein weiteres für die | |
Behörden und eines für Privatleute. Diese Netze sind voneinander getrennt, | |
ein Ausländer kann zum Beispiel keinen örtlichen Privatanschluss anwählen. | |
"Ich kann mich mit koreanischen Bekannten oder Projektpartnern nur treffen, | |
wenn ich an einer öffentlichen Veranstaltung teilnehme", sagt mir die | |
Mitarbeiterin eines europäischen Hilfswerkes. Dafür ging sie zu Tanzabenden | |
auf dem Kim-Il-Sung-Platz, in eines der örtlichen Badehäuser oder zur Party | |
von Diplomaten. Erst das neue Orascom-Handy erlaubte es ihr, Mitarbeiter | |
außerhalb von Pjöngjang anzurufen. | |
Ausländische Journalisten dürfen Pjöngjang zuweilen sogar verlassen, | |
allerdings sind nur wenige Ziele erlaubt. Dazu gehören die | |
Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea am 38. Breitengrad und das | |
Museum für Staatsgeschenke. Hier finden sich rund 240.000 Gaben an | |
Staatsgründer Kim Il Sung und seine Nachfolger - darunter Eisenbahnwaggons | |
von Stalin und Mao. Beide Ziele habe ich immer wieder genießen können. | |
Während es für Journalisten schwer bleibt, aus der Hauptstadt | |
herauszukommen, ist es für Nordkoreaner umgekehrt: Einheimische, die nach | |
Pjöngjang reisen wollen, brauchen eine Sondergenehmigung. | |
Dass Nordkoreas Wirklichkeit surrealer als die wildeste Fantasie sein kann, | |
erfuhr ich schon bei meinem ersten Besuch 2002. Alle Gesprächspartner - | |
Diplomaten, Hilfsorganisation und einheimische Betreuer - hatten mir | |
glaubhaft erklärt, dass es in Pjöngjang keine Internetverbindung ins | |
Ausland gebe - "außer vielleicht beim Militär und an der Regierungsspitze". | |
Doch dann fand ich mich eines Abends bei Herrn Kim Beom Hoon wieder, in | |
einer Villa voller Computer, in der rund 30 nordkoreanische Jungen und | |
Mädchen, Studenten und Programmierer arbeiteten. Sie bauten das "größte | |
Internet-Lotto-Business der Welt" auf und wollten "die Hälfte des | |
Weltmarktes" im Internetglücksspiel erobern. "200 Millionen Dollar" | |
Hauptgewinn versprach der aus Südkorea stammende Kim. Zum Beweis, dass | |
alles wirklich funktionierte, durfte ich selbst ins Internet und konnte die | |
Webseite der BBC ebenso schnell wie die von Mercedes-Benz aufrufen. | |
"Glasfaserkabel!", rief Herr Kim fröhlich. | |
Von ihm habe ich nie wieder etwas gehört, auch von der tollen Lotterie | |
nicht. Kim soll sich mit seinen nordkoreanischen Partnern überworfen haben, | |
hieß es. | |
Auch in der "Großen Studienhalle des Volkes", der gewaltigen Bibliothek und | |
Volkshochschule im Zentrum Pjöngjangs, können Besucher inzwischen nicht | |
mehr nur in Karteikästen, sondern auch per Computer nach Büchern und | |
Dokumenten suchen. Allerdings ist dies nur ein Intranet, eine Verbindung | |
nach außen existiert nicht. | |
Ob sie wissen, warum ihre Armee Südkorea derzeit wieder einmal bedroht? Ich | |
würde es gern erfahren. | |
30 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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