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# taz.de -- US-Streit um Netzneutralität: Attacke auf die Gleichbehandlung
> Bislang wurde die Durchsetzung der Netzneutralität von den
> Telekom-Dienstleistern abgebügelt: es gebe kein Problem. Nun ist in den
> USA ein handfester Streit ausgebrochen.
Bild: Will nur weiterleiten: Netzwerkkabel.
Das Thema [1][Netzneutralität] wirkte in den letzten Jahren manchmal
abstrakt. Dass Internet-Provider nur noch gegen Bezahlung die Daten in
voller Geschwindigkeit an ihre Kunden weitergeben und möglicherweise
Konkurrenten ausbremsen, galt vielfach als rein theoretische Möglichkeit.
Dabei kündigt sich schon seit längerem an, dass dieses eherne demokratische
Grundprinzip des Netzes aufgeweicht werden könnte.
Nun zeigt ein Fall aus den USA ganz praktisch, was das bedeuten kann. Die
Streithähne sind der Kabel-TV-Anbieter Comcast, der über 15 Millionen
Menschen über sein Leitungsnetz online bringt, sowie der
Internet-Dienstleister Level 3, der große Datenmengen für Online-Firmen
überträgt und weiterleitet.
Bei dem Konflikt geht es um die Frage, ob Level 3 seine Kunden an Comcast
anbinden darf. Insbesondere der Videoanbieter [2][Netflix], der
mittlerweile rund ein Fünftel des gesamten Datenverkehrs hin zu privaten
Breitbandanschlüssen in den USA stellt.
Comcast ist das aus bislang ungenannten Gründen zu viel. Das Unternehmen
wies Level 3 darauf hin, dass es ab November eine "neue Gebühr" zu zahlen
habe, wenn es Daten weiterhin an Comcast-Kunden ausliefern wolle: "Damit es
keine Ausfälle gibt." Level 3 zahlte unter Protest. "Da wird von Comcast
letztlich eine Mautstation aufgebaut an den Grenzen seines
Breitbandnetzwerkes", [3][sagte] Level 3-Justiziar Thomas Stortz. Comcast
nutze seine dominante Stellung und bedrohe das offene Internet.
Das Kabel-TV-Unternehmen, das selbst eigene Videodienste für seine Kunden
anbietet, ließ Berichte zurückweisen, es handele sich um eine Verletzung
der Netzneutralität. Stattdessen gehe es hier um eine Vertragsverhandlung
zwischen zwei Providern. Level 3 wolle auf dem Rücken Comcasts ein eigenes
Netz aufbauen und schicke viel mehr Daten in Richtung Comcast als Comcast
in Richtung Level 3. Dafür müsse gezahlt werden.
Netzneutralität bedeutet, dass alle Daten zunächst gleich behandelt werden:
Egal ob der Videostrom eines Medienkonzerns den Nutzer erreichen soll oder
das Blog des Nachbarn, niemand hat Vorfahrt. Bezahlt wird dabei nicht für
den Zugang zum Nutzer, sondern für den Anschluss des eigenen Servers ans
Internet mitsamt dem darüber abgewickelten Datenverkehr. So sind viele
Innovationen von der Internettelefonie bis hin zum sozialen Netzwerk
entstanden - große und kleine Firmen hatten dieselben Chancen.
Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen versuchen nun Firmen wie Comcast,
die Netzneutralität aufzuweichen. Auch bei der Telekom denkt man laut
darüber nach. Zu den Szenarien gehört, dass bestimmte Kunden bevorzugt
werden könnten und "neue Dienste" oder garantierte Bandbreiten nur noch
gegen eine Extra-Bezahlung bereitstünden. Im Mobilfunknetz soll die
Netzneutralität gar nicht gelten. Hier drosseln alle Provider den Anschluss
schon heute nach dem Verbrauch weniger Gigabyte. Daneben sperren sie mit
Vorliebe die kostengünstige Internettelefonie, damit die Kunden weiter brav
teure Minutenpreise zahlen.
In den USA gibt es schon länger Streit zu der Frage, wer die
Netzneutralität regeln soll. Gesetzesinitiativen zur Festschreibung
scheiterten bislang, die zuständige Regulierungsbehörde versucht nun, ein
eigenes Modell zu entwickeln. Wer letztlich in diesem Kampf gewinnt, ist
offen. Vorfälle wie der Streit zwischen Comcast und Level 3 könnten dafür
sorgen, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit erhält. Spätestens wenn
Comcast-Kunden keine Netflix-Videos mehr sehen können, dürften Nutzer
aufwachen.
1 Dec 2010
## LINKS
[1] /1/netz/netzpolitik/artikel/1/netzneutralitaet-in-deutschland-bedroht/
[2] /1/netz/netzoekonomie/artikel/1/stream-mir-das-lied-vom-tod/
[3] http://paidcontent.org/article/419-comcast-squeezes-money-from-level-3-for-…
## AUTOREN
Ben Schwan
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