# taz.de -- Migration: Krank ohne Namen | |
> Rund 4.000 bis 5.000 Menschen ohne Papiere werden jährlich in Berlin | |
> behandelt. Das zeigt eine neue Befragung von Ärzten. Viele Illegale | |
> suchten erst spät Hilfe. | |
Bild: Ohne gültige Papiere - das bedeutet, entdeckt und ausgewiesen zu werden.… | |
Offiziell gibt es sie gar nicht - Menschen ohne Papiere leben, möglichst | |
ohne anzuecken oder aufzufallen. Doch wenn sie krank werden, müssen auch | |
sie sich Hilfe suchen. Zwischen 4.000 und 5.000 Illegale werden in Berlin | |
jährlich medizinisch behandelt. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der | |
"Berlin School of Public Health" an der Charité, die der taz vorliegt. | |
Dafür wurden 42 Berliner Ärzte und 6 Vertreter von Hilfsorganisationen, die | |
mit Menschen ohne Papiere arbeiten, befragt. Monika Hey, eine der | |
Autorinnen, stellt die Studie am heutigen Samstag auf dem Kongress "Armut | |
und Gesundheit" im Rathaus Schöneberg vor. | |
Flüchtlingsorganisationen schätzen die Zahl der illegal in Berlin lebenden | |
Menschen auf rund 100.000. Längst ist bekannt, dass deren gesundheitliche | |
Versorgung ein Problem darstellt. Theoretisch steht zwar auch den | |
Papierlosen medizinische Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz | |
zu. Doch sie müssen die Kostenübernahme beim Sozialamt beantragen. Damit | |
riskieren sie, aufzufliegen: Das Amt ist verpflichtet, die Illegalen an die | |
Ausländerbehörde zu melden. Viele scheuen daher diesen Weg. | |
Der größere Teil der Papierlosen, die sich wegen gesundheitlicher Probleme | |
anonym an einen Arzt oder eine Hilfsorganisation wenden, sind Frauen. Sie | |
machen laut der Umfrage 64 Prozent der Patienten ohne Aufenthaltsstatus | |
aus. Die Behandlung Illegaler ist zeitaufwendiger als die anderer | |
Patienten, so ein weiteres Ergebnis. Denn viele gehen erst spät und mit | |
bereits fortgeschrittenen Erkrankungen zum Arzt. Das Spektrum der Diagnosen | |
reicht weit: Verschleppte Infektionskrankheiten treten oft auf, ebenso | |
chronische Beschwerden, die zu Komplikationen führen. Auch | |
Arbeitsverletzungen sind laut der Studie häufig. | |
Das kann Adelheid Franz von der Malteser Migranten Medizin bestätigen. | |
"Viele Menschen ohne Papiere arbeiten in der Gastronomie. Sie kommen oft | |
mit Schnittverletzungen, weil ein Teller zu Bruch ging oder sie sich mit | |
dem Messer verletzt haben", berichtet die Ärztin. Andere, die auf dem Bau | |
arbeiteten, tauchten eher mit Knochenbrüchen auf. Gemeinsam mit anderen | |
Ärzten behandelt Franz in der Praxis der Malteser ehrenamtlich pro Jahr | |
mehr als 3.000 Patienten ohne Papiere. Räumlichkeiten und Geräte finanziert | |
die Organisation aus Spenden und Stiftungsgeldern. | |
Als ein Problem nennen die Ärzte in der Studie auch die begrenzten | |
Möglichkeiten zur Diagnostik und zur Therapie. Wer zahlt eine teure | |
Behandlung, wenn es keine Versicherung gibt? Das Büro für medizinische | |
Flüchtlingshilfe (Medibüro), neben der Malteser Migranten Medizin eine | |
wichtige Anlaufstelle für die Papierlosen in Berlin, macht sich deshalb für | |
die Einführung eines anonymen Krankenscheins stark. Die Grundidee: Menschen | |
ohne Aufenthaltsstatus holen sich bei einer ärztlich geleiteten Stelle | |
einen Krankenschein, mit dem sie zu jedem Arzt und in jedes Krankenhaus | |
gehen können. Die Kosten sollen anonym über das Sozialamt abgerechnet | |
werden. | |
Die Senatsverwaltung für Gesundheit kündigte vor zwei Jahren an, das Modell | |
zu prüfen. Daraus werde in nächster Zeit aber wohl nichts, sagte eine | |
Sprecherin. "Wir arbeiten weiter daran." Beschlossen wurden andere | |
Erleichterungen: So dürfen Schwangere ohne Papiere drei Monate vor und drei | |
Monate nach der Geburt nicht mehr abgeschoben werden. Vor zwei Jahren | |
richtete die Verwaltung zudem einen runden Tisch für Flüchtlingsmedizin | |
ein, an dem auch die Hilfsorganisationen beteiligt sind. | |
teure Behandlung, | |
wenn es keine | |
Versicherung gibt? --> | |
4 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
Antje Lang-Lendorff | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin | |
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