# taz.de -- Aus der Deutschland-taz: Drei Farben Deutschland | |
> In den linken Milieus und den Migrantenszenen gibt es eine falsche Scheu | |
> vor der Liebe zu Land und Leuten. Wieso es gut ist, die Heimat zu lieben. | |
> Ein Bekenntnis. | |
Bild: Schwarz-Rot-Gold, das sind Melancholie, Herzblut und Glut. | |
Ich starre nicht einfach auf einen Fetzen Stoff, sehe ihn im Wind flattern | |
und bekomme dabei erhebende Gefühle. Schwarz-Rot-Gold, das sind | |
Melancholie, Herzblut und Glut. Ich könnte sagen: Ich lebe seit 41 Jahren | |
in Deutschland. Ich könnte sagen: Mein Lebensmittelpunkt befindet sich in | |
diesem Land. Ich könnte sagen: Keiner zwingt mich zu einem Bekenntnis; also | |
muss ich keine Antwort auf eine nicht gestellte Frage geben. Ich bekenne | |
mich zu diesem, meinem Land. Ich gehe sogar weiter und sage: Ich liebe es. | |
In den letzten 16 Jahren habe ich über 1.600 Lesungen absolviert. Ich begab | |
mich auf Deutschlandreise, ich ging auf Wanderschaft. Mich verschlug es in | |
Kleinstädte, in Randgebiete, in die entlegenen Orte der Provinz. Es war | |
eine Ochsentour. | |
Meist brachte man mich in grabkammerkleinen Zimmern unter, ich schlief | |
schlecht, und morgens starrte ich auf schwitzende Mortadellascheiben auf | |
dem Frühstücksbuffet. Trotzdem war ich mit einer Bombenlaune unterwegs. Ich | |
lernte herrliche Deutsche kennen, ich lernte herrliches Land kennen. Zu | |
Hause in Kiel schwärmte ich von jenen Menschen, mit denen ich manchmal bis | |
zum Morgengrauen in Pinten zusammengesessen und gelacht hatte. Diese | |
Geschichten von einem ganz und gar nicht verklemmten Deutschland stießen | |
bei meinen linken Freunden auf Skepsis. Sie warfen mir vor, links | |
anzutäuschen und rechts zu schlagen. | |
Mit dem Einschüchterungspatriotismus der Konservativen und Rechten hat die | |
Heimatliebe nichts gemein. Ihre vaterländische Gesinnung ist Pathos und | |
Schwulst. Meine Heimatliebe meint die einfachen Menschen des einfachen | |
Volkes, meint ihre über die Zeiten gewachsenen Sitten und Gebräuche. Ich | |
begreife die deutsche Geschichte als die Gesamtheit ihrer Geschichten. | |
Ich bin ein später dazugekommener Deutscher. Immer verweise ich eher auf | |
meinen deutschen Vordergrund als auf meinen Migränehintergrund. Ich kann | |
lieben, ohne andere abzuwehren oder abzuwerten. Das unterscheidet mich von | |
den nationalgepuderten Junkern. | |
Ich sehe in den linken Milieus und den Migrantenszenen eine unnötige Scheu | |
vor der Liebe zu Land und Leuten. Wir haben der Reaktion und Restauration | |
den Kampf erklärt. Wir setzen unsere Liebe gegen ihre List und Lügen. Wir | |
möchten frei unter Freien leben - hier in unserem Land. | |
Die sozialen Ausscheidungskämpfe nehmen an Heftigkeit zu. Oben und unten | |
ist zementiert, Aufstieg wird immer mehr zu einer blassen Erinnerung. Das | |
Bürgertum entdeckt die Vaterländerei und den Fanfarenpatriotismus. Wir | |
müssen ihnen die ideellen Werkzeuge aus der Hand schlagen - das | |
Urheberrecht auf Heimatliebe halten wir. | |
Ein Wort an die Herkunftsfremden: Viele von ihnen beklagen, dass sie | |
unsichtbar sind und nicht teilhaben können. Ihre Kämpfe um Brot und Würde | |
gehen weiter. Vielleicht wäre es an der Zeit, die Deutschenskepsis | |
aufzugeben. | |
Drei Farben Deutschland - unsere Wirklichkeit. Gott schütze mein deutsches | |
Land und seine Menschen. | |
7 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Feridun Zaimoglu | |
## TAGS | |
Deniz Yücel | |
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