# taz.de -- Unabhängigkeitsreferendum Südsudan: "Ich möchte die Freiheit noc… | |
> In einem Monat stimmen die Südsudanesen über die Gründung eines eigenen | |
> Staates ab. Die Wählerregistrierung ist abgeschlossen - und erfolgt auch | |
> mal ohne Ausweis. | |
Bild: Nur wer sich registriert, kann in einem Monat über die Unabhängigkeit d… | |
JUBA taz | Buchstabe für Buchstabe stottert Thomas Lohima seinen Namen | |
herunter, ein Registrierungshelfer schreibt geduldig mit. Der 81-jährige | |
Südsudanese mit dem weißen krausen Bart und dem geschnitzten Gehstock sitzt | |
auf einem Plastikstuhl unter einem Zeltdach in einem Park in Südsudans | |
Hauptstadt Juba. Er ist am Morgen aus seinem 30 Kilometer entfernten | |
Heimatdorf Tokot angereist, um sich für das Unabhängigkeitsreferendum am 9. | |
Januar 2011 registrieren zu lassen. | |
"Ich war krank und zu schwach, um früher hierher zu kommen", keucht er und | |
seine Hand am Stock zittert. Doch er lächelt zufrieden, es am letzten Tag | |
der Wählerregistrierung doch noch geschafft zu haben: "Die Freiheit, das | |
ist alles, was ich in meinem Leben noch erleben möchte." | |
Nach über 20 Jahren Bürgerkrieg und einem komplizierten Friedensprozess | |
seit 2005 entscheiden die Südsudanesen in genau einem Monat, ob sie sich | |
vom Rest des Sudan abspalten wollen. Am Mittwoch endete die | |
Wählerregistrierung für diese Volksabstimmung. | |
Von über fünf Millionen wahlberechtigten Südsudanesen haben sich rund drei | |
Millionen in rund 2600 Registrierungsstationen Wählerkarten ausstellen | |
lassen. 60 Prozent der Registrierten müssen nun an der Abstimmung | |
teilnehmen, um das Referendum gültig zu machen. Und die Mehrheit muss für | |
die Unabhängigkeit stimmen. | |
Die meisten Südsudanesen haben keinen Personalausweis, um ihre Identität zu | |
beweisen. Doch das kümmert den Registrierungsbeauftragten im Fall von | |
Lohima nicht. "Er hat die typischen eingeritzten Narben auf der Stirn", | |
erklärt er. Lohima gehöre damit zweifelsohne zur Volksgruppe der Dinka, | |
Südsudans größter Ethnie, deren Gesichtszüge traditionell mit vernarbten | |
Striemen gezeichnet sind. Die Dinka sind die wichtigste Stütze der im | |
Südsudan autonom regierenden ehemaligen SPLA-Guerilla (Sudanesische | |
Volksbefreiungsarmee). | |
Für Beatrice Khamisa von Südsudans Referendumskommission ist der Ansturm | |
auf die Wählerkarten bereits ein Erfolg. "Der Unabhängigkeit steht nun | |
nichts mehr im Wege", sagt sie. Die füllige Frau studiert in ihrem | |
klimatisierten Büro die jüngsten Zahlen aus den landesweiten | |
Registrierungsstationen, im Minutentakt von ihren Wahlhelfern per | |
Satellitentelefon gemeldet. "Die Registrierung war ein Erfolg", sagt sie | |
strahlend. | |
Die Herausforderungen, so Khamisa, sind immens: Unpassierbare Straßen, | |
fehlende Telefonverbindungen, mangelnde Aufklärung. Und auch das Budget der | |
Kommission war extrem knapp. Sudans Regierung in Khartum hätte eigentlich | |
einen Teil des Gesamtbudgets von 372 Millionen Dollar für das Referemdum | |
zusteuern sollen. | |
Doch "aus Khartum haben wir keinen einzigen Cent erhalten", sagt Khamisa, | |
verantwortlich für Finanzen, und schüttelt den Kopf. Der Norden versucht | |
dem Süden auf dem Weg zur Unabhängigkeit absichtlich Hindernisse in den Weg | |
zu, so scheint es. Dass sich dennoch so viele registrieren ließen, zeige, | |
"dass die Bevölkerung hinter der Vision stehe, sich vom Norden loszusagen". | |
In Juba zweifelt kaum jemand daran, dass die Mehrheit für die | |
Unabhängigkeit stimmen wird. Der alte Lohima, der im Krieg fünf Söhne | |
verloren hat, ist sich sicher: "Meine Enkel werden in Häusern aus Stein | |
leben und zur Schule gehen können", sagt er, und seine Augen leuchten. | |
8 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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