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# taz.de -- Reformschule unter Missbrauchsverdacht: Nacktfotos im Stadtarchiv
> Die renommierte "Helene-Lange-Schule" in Wiesbaden soll Schülerpornos
> eines Päderasten gerettet haben - ins Stadtarchiv.
Bild: In den Duschräumen sollen die Fotos gemacht worden sein.
Nach der Odenwaldschule in Ober-Hambach kommt die zweite renommierte
hessische Reformschule unter einen schweren Verdacht. Drei Lehrer und die
ehemalige Schulleiterin Enja Riegel sollen kinderpornografische Fotos eines
pädophilen Kollegen ins Wiesbadener Stadtarchiv gebracht haben. Das
schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in einem Online-Vorab.
Enja Riegel habe "zumindest Teile des Nachlasses" gesichtet.
Es gebe "zwei Holzkisten mit Tausenden Negativen", schreibt die Zeitung,
die Helene-Lange-Schüler in nackten Posen zeigten, "Kinder von Lehrern und
andere Jungen". Der bei Schülern und Kollegen sehr beliebte Kunstlehrer
habe die Jungen dazu gebracht, "nackt in den Duschräumen der Schule, auf
Klassenfahrten und in seinem Atelier zu posieren". Die Fotos seien nach
Webers Tod im Jahr 2008 an das Wiesbadener Stadtarchiv übergeben worden.
Einer der Lehrer, die den pädosexuellen Nachlass angeblich gesichert haben
sollen, weist die Vorwürfe von sich. "Wir haben nicht die Fotos gesichtet,
sondern drei Kunstausstellungen, die in Wiesbaden öffentlich gezeigt
wurden, retten wollen", sagte Klaus Dettke der taz. "Wenn wir Nacktfotos
gesehen hätten, dann hätten wir sie zum Staatsanwalt gebracht und nicht ins
Wiesbadener Stadtarchiv."
Dettke ist heute 79 Jahre alt, er war ein Kollege des Kunstlehrers Hajo
Weber. Weber hatte Ende der 1980er Jahre an der Helene-Lange-Schule
Wiesbaden fünf Kinder missbraucht, unter anderem hatte er sie in sein
Atelier mit Dunkelkammer und Sauna eingeladen. Die Kinder wandten sich an
die Schulleiterin.
Die Leiterin der Schule, Enja Riegel, hatte den Lehrer daraufhin der
Schulbehörde gemeldet und sofort vom Dienst suspendiert. Allerdings wurde
Hajo Weber später wieder eine Zeitlang an der Helene-Lange-Schule
eingesetzt, in der Lehrerfortbildung - und als Fotograf. "Das war nicht
meine Entscheidung, sondern die der Schulbehörde", sagt Riegel dazu, "aber
es war ein schwerer Fehler, dass ich das hingenommen habe." Später ging
Weber nach Kolumbien und Nepal.
Auch Enja Riegel bestreitet heftig, die Nacktfotos von Weber gesehen zu
haben: "Für wie dumm hält man uns eigentlich, Nacktfotos von Kindern an ein
Stadtarchiv zu übergeben!" Die Lehrer hätten die Kisten aus Webers Wohnung
ungeöffnet ans Stadtarchiv gegeben.
Weber hatte Ausstellungen über Kolumbien, Nepal und die Startbahn West
bestückt, vor allem seine Kämpferfotos gelten als zeitgeschichtliche und
fotografische Dokumente. Zuletzt wurden 2004 "Fotografien zum Widerstand
gegen die Startbahn West - Rückblicke und Einblicke" in der
Martin-Niemöller-Schule gezeigt.
Die Helene-Lange-Schule wollte sich am Freitag nicht zu dem Vorfall äußern.
Das Schulamt habe untersagt, zu dem Fall Stellung zu nehmen.
Für die Schule ist die Lage bedrohlich, weil ihre prominente
Ex-Schulleiterin Enja Riegel, die oft im TV auftritt, auch engen Kontakt zu
Gerold Becker gepflegt hatte. Das war der Schulleiter und Pädophile, der an
der Odenwaldschule ein über 12 Jahre währendes Missbrauchssystem
installiert hat, bei dem mindestens 125 Kinder zum Teil schwer missbraucht
wurden.
Becker starb im Sommer, an den Nachwirkungen seines Systems könnte die
berühmte Odenwaldschule zugrunde gehen. Riegel sagte der taz, sie habe
Becker nach Bekanntwerden seiner Taten 1999 zur Rede gestellt - er habe sie
entschieden bestritten. "Ich wusste nicht, dass er ein Triebtäter war. Aber
ich frage mich heute, wie ich so blind sein konnte, ihm zu glauben."
10 Dec 2010
## AUTOREN
Christian Füller
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