# taz.de -- Gutachten zu Misshandlungen: Missbrauch von Bistum vertuscht | |
> Ein von der Kirche beauftragtes Gutachten belegt: Zwischen 1945 und 2009 | |
> begingen im Bistum München 159 Priester sexuelle oder körperliche | |
> Misshandlungen. | |
Bild: Da hilft auch Winken nicht: Reinhard Marx auf dem Marienplatz. | |
BERLIN taz | Das Erzbistum München-Freising hat über Jahrzehnte sexuellen | |
Missbrauch bewusst vertuscht. Das belegt ein vom Bistum selbst in Auftrag | |
gegebenes Gutachten. "Wir haben es mit umfangreichen | |
Aktenvernichtungsaktionen zu tun", sagte die Gutachterin Marion Westpfahl. | |
Die Ergebnisse belegen, dass zwischen 1945 und 2009 im Bistum | |
Müchen-Freising 159 Priester sexuelle oder körperliche Misshandlungen | |
begingen. Verurteilt wegen sexuellem Missbrauch wurden lediglich 26 | |
Priester, die heute alle nicht mehr am Leben sind. Sonstige körperliche | |
Misshandlungen sehen die Gutachter in 36 Fällen als erwiesen an. | |
"Wahrscheinlich ist die Zahl jedoch wesentlich höher", so Westpfahl weiter. | |
Einer der Gründe für die Dunkelziffer ist laut Gutachten sicherlich, dass | |
Aktenvernichtungen im erhebliche Umfang stattfanden und weitreichende | |
Aktenbestände in Privatwohnungen eingelagert wurden. Zudem waren die Akten | |
in den Räumen des Ordinariats selbst nicht gegen den Zugriff anderer | |
gesichert. So haben die Verantwortlichen im Bistum selbst Verdachtsfälle | |
von sexuellem Missbrauch und körperliche Misshandlungen unaufgeklärt | |
gelassen, um Priester zu schützen. Es war ein "fehlinterpretiertes | |
klerikales Selbstverständnis, das einem brüderlichen Mitenander | |
verpflichtet ist für den Schutz des eigenen Standes", so das Gutachten. | |
Insgesamt wurden 13.200 Akten von Mitarbeitern des Ordninariats gesichtet. | |
Darunter befanden sich Personalakten, Gerichtsakten, Archivbestände aber | |
auch Akten aus den Geheimarchiven des Erzbischofs und des Generalvikars. In | |
365 Akten fanden sich Hinweise auf Misshandlungen, sodass diese einer | |
anwaltlichen Detailprüfung unterzogen wurden. Dabei verdeutlicht der | |
oftmals euphemistische und verharmlosende Sprachgebrauch, dass sich aus | |
Sicht der Gutachter die vollständige Erfassung der Taten und die | |
Auswirkungen für die Opfer oftmals nur erahnen lässt. | |
Festgehalten werden kann: Es wurde auf allen kirchlichen Ebenen | |
misshandelt. Neben 15 Diakonen wurden sechs Gemeindereferenten und | |
Jungendpfleger sowie 96 Religionslehrer im Kirchendienst auffällig. Die | |
Täter selbst waren in einer Vielzahl von Fällen psychisch und physisch | |
krank, oftmals Alkoholiker und in den allermeisten Fällen zwischen 45 und | |
65 Jahren alt. Die Fälle ergeigneten sich vorwiegend im ländlichen Raum. | |
Gegen den damaligen Kardinal Ratzinger erhebt das Gutachten keine Vorwürfe, | |
auch wenn aus seiner Zeit von 1977 bis 1982 Unterlagen fehlen. Für den | |
heutigen Kardinal Reinhard Marx sind "die bekannt bewordenen Fälle | |
sexuellen Missbrauchs und korperlicher Gewalt durch Geistliche ein Schock | |
gewesen". Für ihn ist das "Jahr 2010 ein Jahr der Buße geworden", so Marx | |
weiter. | |
7 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Markus Schulz | |
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