# taz.de -- "Delmenhorster Kreisblatt": Kleines Blatt ganz groß | |
> Das "Delmenhorster Kreisblatt" wagt ein Experiment: Es ist bundesweit | |
> Pionier bei dem Versuch, eine eigene überregionale Berichterstattung zu | |
> stemmen. | |
Bild: Werbung des Kreisblatts: Nun will die Zeitung auch den überregionalen Te… | |
Delmenhorst ist nicht der Nabel Niedersachsens - doch das dortige | |
Kreisblatt zieht immer wieder die überregionale Aufmerksamkeit auf sich. | |
Vor fünf Jahren durch Negativ-Nachrichten: Der Rieck-Verlag gliederte seine | |
gesamte Lokalredaktion aus, ein Teil der Redakteure wurde im Rahmen einer | |
"Service GmbH" wieder eingestellt, andere durch zwei hintereinander | |
geschaltete Firmengründungen entlassen. | |
Nun aber macht das Delmenhorster Kreisblatt damit Furore, dass sie sogar | |
ihren "Mantelteil" - die überregionalen Teile der Berichterstattung - | |
wieder selbst produzieren will. Üblich ist das Gegenteil, der Trend zur | |
Uniformität: "Es gibt immer weniger eigenständige Mantelteile", bedauert | |
Hendrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband. | |
"Wir betreten Neuland", sagt Chefredakteur Ralf Freitag. Mit einer "ganz | |
eigenen Mixtur", deren genaue Zusammensetzung noch als Betriebsgeheimnis | |
gilt, wolle man die Ressorts Wirtschaft, Kultur, überregionalen Sport und | |
Politik künftig selbst stemmen. In welchem Umfang dabei auf Agenturen | |
zurück gegriffen wird - die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bietet seit einem | |
Jahr einen speziellen Service für Regionalredaktionen an - lässt Freitag | |
offen. Immerhin ist der erste neue Kollege bereits eingestellt, vier bis | |
fünf weitere folgen. Am 1. Juli 2011 soll das neue Kreisblatt erstmals in | |
den Verkauf gehen. | |
Für eine kleine Zeitung mit 25 redaktionellen MitarbeiterInnen ist das ein | |
sehr ambitioniertes Ziel. Seit seinem ersten Erscheinen hat das Kreisblatt | |
die Auflage zwar verhundertfacht, aber 1832 gab es auch nur 200 Exemplare - | |
und die derzeitige 20.000er-Auflage sinkt. Diese Entwicklung soll laut | |
Freitag mit "mehr eigenem Profil" gestoppt werden. Bislang bezieht er den | |
Mantel vom Bremer Weser-Kurier - wobei man statt "Mantel" beim Kreisblatt | |
eher von "Innenfutter" sprechen kann: Auf den vorderen Seiten bringt das | |
Blatt lokale Nachrichten, Überregionales läuft weiter hinten. | |
Der Weser-Kurier verliert damit seinen einzigen Mantel-Kunden. "Das | |
gefährdet keine Arbeitsplätze", sagt dessen Marketing-Chef David Koopmann. | |
Die Anzeigenkooperation mit dem Kreisblatt bleibe bestehen, Verstimmungen | |
gebe es nicht. Hätten sich die Delmenhorster hingegen wieder unter die | |
Fittiche der Oldenburger Nordwest-Zeitung begeben, wäre das für die Bremer | |
wohl deutlich ärgerlicher gewesen. Der eigene Mantel sei "kein Sparmodell", | |
betont Chefredakteur Freitag. | |
Beim Rieck-Verlag, in sechster Generation familiengeführt, scheint man sich | |
auf journalistische Qualitäten besinnen zu wollen. 2009 wurde ein | |
"Verhaltenskodex" eingeführt, der die strikte Trennung von Werbung und | |
Redaktion vorschreibt, Anfang 2010 wurde das organisatorisch nachvollzogen: | |
Die Lokalredaktion ist wieder Verlagsabteilung und nicht Bestandteil der | |
"Rieck24 News Service GmbH" mit den Geschäftsbereichen | |
Unternehmenskommunikation. Die Slogans sind: "Wir öffnen Ihnen die Türen", | |
bei der Videoproduktion: "Wir setzen Sie in Szene". Und für Journalismus: | |
"Wir sind die Zeitungsmacher". | |
10 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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