# taz.de -- Pop-Oper: Subkultur in der Wandspalte | |
> Die "Mikro Urban Oper" "Krrk-Krrk!" ist der Versuch, nach Hamburg zu | |
> bringen, was es woanders schon gibt: die Versöhnung von Hochkultur und | |
> avantgardistischer Off-Szene. | |
Bild: Altes Instrument trifft auf neueres Instrumentarium: Probe der Oper "Krrk… | |
Beatboxer Mark Boombastik schlägt mit einem Hammer ekstatisch auf eine | |
leere Plastikflasche, begleitet sich selbst mit Zisch- und Kratzlauten, die | |
er ins Mikro atmet. Kontrabassist Andrew Krell lässt sein Instrument | |
inmitten von elektronischen Rückkopplern kurz grell aufkreischen, um ihm | |
dann tiefe und beschwichtigende Brummtöne zu entlocken. Die Betonwände der | |
Probebühne vier auf Kampnagel scheinen rhythmisch mitzuvibrieren, es ist, | |
als ob riesige, braunschwarze Schaben in Zeitlupe Löcher in die Wände | |
nagen, grau rieselt der Staub: "Krrk-Krrk". | |
"Krrk-Krrk" ist der lautmalerische Titel der "Kammerjägeroper", die am | |
Donnerstag auf Kampnagel Premiere haben wird und damit nach Hamburg bringt, | |
was etwa Funpunker und Goldene Zitrone Schorsch Kamerun schon länger macht, | |
nur kaum in Hamburg: Oper jenseits des Mainstreams, in der Nische zwischen | |
Hochkultur und avantgardistischem Off. | |
"Mikro Urban Oper" nennt sich das auf Kampnagel, und die Initiatorin Andrea | |
Rothaug sagt: "Die Spielwiese Opernformat in Verbindung mit schrägen Tönen, | |
und all das noch im theatralischen Kontext, das beschäftigt uns schon seit | |
langem." Rothaug ist Kulturmanagerin und Geschäftsführerin des Vereins Rock | |
City Hamburg e. V., der Künstler fördert und berät, aber nicht nur: Es gehe | |
dem Verein eben auch um "das Setzen von Impulsen in der Subkultur", sagt | |
Rothaug, genauer: um die "professionelle Vermischung von E- und | |
U-Unterhaltung". | |
Drei Jahre habe es gedauert, alle nötigen Drittmittel aufzutreiben, um so | |
ein Musiktheaterprojekt auch professionell fördern zu können, sagt Andrea | |
Rothaug. 30.000 Euro standen schließlich zur Verfügung. Für Rothaug von | |
besonderer Wichtigkeit: Die Gema-Stiftung ist mit 5.000 Euro dabei. Die | |
Gema vertritt die Verwertungsrechte von Komponisten, "und unser großes | |
Anliegen ist, die jungen Musiker nicht nur zum Ausprobieren, sondern zum | |
professionellen Komponieren zu animieren." | |
Zu diesem Zweck veranstaltete Rock City Anfang des Jahres den Wettbewerb | |
"popera 2010 Mikro.Urban.Oper", an dem Hamburger Musiker teilnehmen | |
konnten. Gewinner ist das Opernprojekt "Krrk-Krrk!", hinter dem die | |
Künstlerin, Autorin, Musikerin und DJ Jessica Broscheit und der Hamburger | |
Kontrabassist, Songwriter, Sänger und Komponist Andrew Krell stehen. Die | |
Jury attestierte der Oper einen "Zündholzschachtel-Plot, der durch die | |
Skizze des artenreichen Bühnenbilds und einer spannenden experimentellen | |
Musikkomposition vom Gliederfüßer bis zur Motte überzeugt". | |
"Krrk-Krrk" spiegelt die Gesellschaft im Mikrokosmos, die Handlung findet | |
in den Wandspalten einer Großstadtwohnung statt. Aktuelle Themen wie | |
Wirtschaftskrise, zunehmende Überwachung durch den Staat oder Konsumterror | |
werden musikalisch verhandelt, daneben ist aber auch noch Platz für | |
Existenzielles: Liebe, Eifersucht und Tod. | |
Das Stück hat die interdisziplinäre Künstlerin Jessica Broscheit mit den | |
Hauptdarstellern entwickelt, die nicht weniger interdisziplinär sind als | |
sie. Zusammen kamen sie auf das Genre der Kammerjägeroper: Kammerjäger Uwe | |
Preuss, Spezialist für die Kommunikation unter Ameisen und das | |
Paarungsverhalten von Wanzen, führt die Zuschauer in die wundersame | |
Mikro-Welt der Insekten ein. Seine Gedanken werden von Musikern inmitten | |
inszenierter Bühnenbilder und multimedialer Elemente dargestellt. | |
"Wir halten uns an die klassische Erzählstruktur der Oper, es gibt also zum | |
Beispiel eine Ouvertüre, wenn auch in einer modernen Formsprache, die sich | |
aus Abstraktionismus und Dadaismus, gesellschaftlichen Ritualen, | |
zeitgenössischer Realität und Pop speist", erklärt Jessica Broscheit, die | |
das Libretto schrieb. Wie in einer Oper werden Emotionen und Gedanken | |
mittels Musik ausgedrückt. "Dabei arbeiten wir aber mit Brüchen. Wir | |
brechen bewusst gängige Opern-Klischees, konterkarieren mitunter durch | |
musikalische Be- und Entschleunigung. Oder wir arbeiten mit ganz | |
offensichtlichen Größenunterschieden: Unsere Sopranistin etwa ist einen | |
halben Meter kürzer als der Kammerjäger." | |
Dies entbehre nicht einer gewissen Komik, versichert Broscheit. Und während | |
der Kammerjäger an einem inneren Konflikt zerbreche, würden sich die | |
Zuschauer in einem großen futuristischem Bühnen-Gemälde verlieren. | |
Für Jessica Broscheit, die sich selbst ganz und gar nicht zu den | |
klassischen Operngängern zählt, ist es das erste Projekt dieser Art. "Wir | |
hatten die Gelegenheit, uns mit Profis aus dem Genre zu treffen und | |
auszutauschen. Das war ungemein bereichernd", berichtet sie. Auf die Frage, | |
was denn am Genre "Oper" so verlockend sei, hat sie sofort eine Gegenfrage | |
parat: "Ist das nicht gerade in Mode? Dass man das Große, Klassische | |
herunterbricht auf ein kleineres, zugänglicheres Format? Dass man das Makro | |
zum Mikro macht?" | |
Für Broscheit ist das derzeit "thematisch", und vielleicht hat sie damit | |
sogar Recht: In Berlin hat die Elektro-Clash-Queen Peaches gerade ihr | |
eigenes Leben auf die Bühne gebracht - als Oper. | |
Premiere am Donnerstag, 16. 12., Kampnagel, Hamburg | |
14 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Daniela Barth | |
## TAGS | |
Wurst | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Das Leid mit dem Leberwurst-Lied: „Es ging nicht um Verherrlichung“ | |
Seit Jahren besingt Hans König einen deutschen Brotaufstrich, vor dem die | |
Weltgesundheitsorganisation jetzt wieder warnt: die Leberwurst. |