# taz.de -- FDP-Debatte um Westerwelle: Brüderle bleibt treu, Kubicki hat Mitl… | |
> Mehrere FDP-Spitzenpolitiker haben sich hinter den Parteichef gestellt. | |
> Aus dem Saarland kommt weiter Kritik an der "One-Man-Show" und die FDP | |
> verharrt im Umfragetief. | |
Bild: Er wackelt zwar, aber fällt noch nicht: FDP-Parteichef Guido Westerwelle. | |
BERLIN/MAINZ dpa/rtr | Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat sich | |
hinter den in der FDP zunehmend umstrittenen Parteichef Guido Westerwelle | |
gestellt. "Absurde Spekulationen bringen niemanden weiter", sagte Brüderle | |
am Freitag. "Die FDP hat einen Vorsitzenden, der das Vertrauen des gesamten | |
Präsidiums genießt." Brüderle, der auch stellvertretender FDP-Chef ist, | |
appellierte an seine Partei: "Wir haben durch unsere Geschlossenheit | |
Erfolge erreicht, und wir werden auch nur durch Geschlossenheit wieder in | |
die Erfolgsspur kommen. Wahlen gewinnt man mit heißem Herz und kühlem Kopf. | |
Das sollten sich jetzt alle bewusstmachen." | |
Zuvor hatte Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel erklärt, er sehe keinen | |
Anlass für eine Ablösung von FDP-Chef Westerwelle. "Wir sind in einer | |
schwierigen Situation", räumte er im ZDF ein. "Aber alle, die jetzt sich zu | |
Wort gemeldet haben, sagen, es gibt keine richtige Alternative. Das sehe | |
ich ganz genauso." Da es keine Alternative zu Westerwelle gebe, gelte: | |
"Entweder man stürzt einen Vorsitzenden oder man stützt ihn - und jetzt | |
müssen wir alle ihn stützen, damit es mit der FDP vorangeht." | |
Rückendeckung erhält Westerwelle auch aus dem mächtigsten Landesverband | |
Nordrhein-Westfalen. "Westerwelle wird nicht hinschmeißen", sagte der | |
nordrhein-westfälische FDP- Landesvorsitzende Daniel Bahr der Financial | |
Times Deutschland. Es gebe keine Mehrheit gegen Westerwelle in der Partei. | |
Die Liberalen müssten vielmehr aufpassen, ihr Führungspersonal nicht zu | |
demontieren und Erfolge in der Regierung nicht zu zerreden. | |
In der Zeitung Die Welt wies Bahr den Vorschlag des rheinland-pfälzischen | |
FDP-Spitzenkandidaten Herbert Mertin zurück, Westerwelle im Wahlkampf | |
angesichts seines schlechten Images und miserabler Umfragewerte nicht | |
auftreten zu lassen. "Das ist kein Erfolgsmodell, im Gegenteil: Die | |
Vergangenheit zeigt, dass man damit einen Wahlkampf erst recht versemmelt." | |
Auch Bayerns FDP-Chefin, Bundesjustizministerin Sabine | |
Leutheusser-Schnarrenberger, sieht die Ära Westerwelles als | |
Parteivorsitzender noch nicht am Ende. "Die Tage des Jahres sind gezählt, | |
sonst nichts", sagte sie der Passauer Neuen Presse. | |
Der FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, Ulrich | |
Goll, sagte ebenfalls gegenüber der Welt: "Ich halte gar nichts davon, in | |
einer zweifellos schwierigen Lage hektisch und panisch zu werden und das | |
Personal auszutauschen." Man habe für die Wahl Ende März zwar "keinen | |
Rückenwind aus Berlin zu erwarten, aber dann müssen wir es eben aus eigener | |
Kraft schaffen". Der Stuttgarter Justizminister distanzierte sich von einem | |
offenen Brief, den einige Mitglieder des Landesverbandes an Westerwelle | |
geschrieben hatten und in dem sie seinen Rücktritt fordern. "Ich hätte | |
diesen Brief nie unterschrieben und halte ihn für falsch", sagte Goll. | |
Kurios ist die Wortmeldung des schleswig-holsteinischen FDP-Fraktionschefs | |
Wolfgang Kubicki. Der hatte mit seiner Kritik am Zustand der Bundespartei | |
am vergangenen Wochenende die jüngste Debatte um die Führungsspitze der | |
Partei ausgelöst. Jetzt äußerte er "Mitleid" mit FDP-Chef Guido | |
Westerwelle: "Ich habe Mitleid mit dem Menschen Westerwelle, angesichts der | |
Art und Weise, wie mit ihm umgegangen wird", sagte Kubicki am Freitag dem | |
Internet-Portal der SZ. | |
Es sei "falsch, ihn allein für die Lage der FDP verantwortlich zu machen". | |
Rücktrittsforderungen seien jetzt "kontraproduktiv". In dem Gespräch mit | |
sueddeutsche.de verteidigte er sich jedoch gegen Vorwürfe, der eigenen | |
Partei mit seinen Äußerungen geschadet zu haben. "Ich habe die FDP nicht in | |
Aufregung versetzt. Sie war es längst." | |
Zur Diskussion um den Parteivorsitzenden sagte Kubicki: "Unser Problem | |
trägt nicht den Namen Guido Westerwelle." An der Lage der Partei trügen | |
"eine Menge anderer Personen im Führungskreis" eine Verantwortung. "Nicht | |
nur der Vorsitzende ist gefragt. Alle, die Führungsverantwortung tragen, | |
sind gefordert, die FDP wieder aufzurichten." | |
Der Generalsekretär der saarländischen FDP, Rüdiger Linsler, der bereits im | |
August den Rücktritt Westerwelles als Parteichef gefordert hatte, erneuerte | |
indes seine Kritik. "Es war seinerzeit schon klar, dass wir mit Guido | |
Westerwelle bedingt durch seine Doppelfunktion als Außenminister und | |
FDP-Chef die Trendwende nach dem katastrophalen Absturz nicht schaffen | |
würden. Leider wollten er und viele andere die verfahrene Situation nicht | |
wahrhaben", sagte Linsler der Saarbrücker Zeitung. Es dürfe in Zukunft | |
"keine One-Man- Show mehr geben, wie es in all den Jahren unter Westerwelle | |
war". | |
Dass sich ein Rücktritt Westerwelles zum jetzigen Zeitpunkt positiv auf die | |
anstehenden Landtagswahlen in Hamburg, Sachsen- Anhalt, Rheinland-Pfalz und | |
Baden-Württemberg auswirkt, glaubt Linsler nicht: "Daher hatte ich meinen | |
Denkanstoß bezüglich einer Nachfolge-Regelung ja bereits vor Monaten | |
formuliert. Damals wäre ausreichend Zeit geblieben, sich neu aufzustellen | |
und neue Akzente zu setzen." | |
Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) forderte rasche | |
Konsequenzen jetzt und nicht erst nach den Landtagswahlen im Frühjahr. | |
"Herr Westerwelle muss sich vergewissern, ob er noch das Vertrauen der | |
Basis hat", sagte er der Passauer Neuen Presse. "Wir brauchen auf jeden | |
Fall einen Neuanfang, einen Weg, der uns aus der Krise führt." Dabei gehe | |
es um die politischen Inhalte, aber auch um die personelle Aufstellung. | |
"Die jüngere Generation ist gefragt", sagte Baum. "Die FDP hat wie kaum | |
eine andere Partei ein Potenzial an jungen Frauen und Männern in Bund und | |
Ländern, die in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen." | |
Junge Politiker sollten zunehmend auch die politische Agenda der FDP | |
gestalten und die Partei "weiter aus der Verengung der | |
Steuersenkungspolitik herausführen und auf anderen Feldern die liberale | |
Flagge aufziehen". Dabei setzt Baum auf FDP-Generalsekretär Christian | |
Lindner. Wichtig sei, dass die Führungsfrage noch vor den Landtagswahlen im | |
Frühjahr geklärt werde. "Es ist doch unerträglich, dass Landesverbände, die | |
im Wahlkampf sind, sich mit dem Gedanken tragen, den Vorsitzenden nicht | |
mehr einzuladen. So etwas habe ich noch nicht erlebt." Das | |
Dreikönigstreffen Anfang Januar in Stuttgart werde für Westerwelle zum | |
Lackmustest, sagte Baum. | |
Tatsächlich verharrt die FDP weiter im Umfragetief von fünf Prozent. Und | |
auch nach Auffassung vieler Bundesbürger ist der Parteichef Westerwelle für | |
den jetzigen Zustand der FDP verantwortlich. 63 Prozent der | |
Wahlberechtigten geben ihm dafür eine sehr große oder große Schuld, ergab | |
das am Freitag veröffentlichte ZDF-"Politbarometer". Nur 39 Prozent | |
erwarten, dass Westerwelle Ende nächsten Jahres noch Vorsitzender der FDP | |
sein wird. 51 Prozent glauben das nicht. Das Umfragetief der Liberalen wird | |
nach Ansicht von 70 Prozent auch noch länger anhalten. Nur 24 Prozent | |
rechnen mit einer Erholung in der nächsten Zeit. | |
17 Dec 2010 | |
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