# taz.de -- Hartmut Graßl über Klimaskeptiker: "Das ist einfach keine Wissens… | |
> Die sogenannten Klimaskeptiker verspürten in diesem Jahr starken Aufwind. | |
> Hartmut Graßl, Doyen der Klimaforschung, hat oft versucht, sie mit | |
> Argumenten zu stoppen. | |
Bild: Die rauchenden Schornsteine der ThyssenKrupp Stahlwerke in Duisburg sind … | |
taz: Herr Professor Graßl, der Mensch kann gar nichts für die Aufheizung | |
des Planeten - so sagen die Klimaskeptiker, die sich in diesem Jahr auch in | |
Deutschland Gehör verschafft haben. Wie gehen Sie als Wissenschaftler mit | |
ihnen um? | |
Hartmut Graßl: Die erste Frage sollte immer lauten: Habt ihr eure Kritik an | |
der Klimaforschung schon mal veröffentlicht? Und zwar nicht auf | |
irgendwelchen Internetseiten, sondern in einer Fachzeitschrift, wo die | |
Manuskripte von kundigen Fachkollegen begutachtet werden und so ein | |
Mindestmaß an Qualität gesichert ist? In 99 Prozent der Fälle ist dann | |
schon Ende der Debatte - denn es handelt sich einfach nicht um | |
Wissenschaft! | |
Was motiviert Klimaskeptiker? | |
Nach meiner Beobachtung gibt es ganz unterschiedliche Motive: Manche | |
bekommen schlicht Geld von Ölfirmen. Andere sind Menschen, die immer gegen | |
alles sind. Ich habe auch schon echte Spinner erlebt, die ihre persönlichen | |
Probleme auf den Klimawandel projizieren. Als ich noch jünger war, habe ich | |
öfter versucht, Skeptiker mit wissenschaftlichen Argumenten zum Nachdenken | |
zu bringen. Aber das gelingt praktisch nie. Wenn ich heute kritische Briefe | |
bekomme, ist oft schon an den ersten drei Zeilen zu erkennen, ob es | |
sinnvoll ist zu antworten - die meisten Zuschriften sind hochaggressiv, sie | |
strotzen nur so vor Ausrufezeichen und Großbuchstaben. | |
Zuletzt waren die Skeptiker häufig in den Medien … | |
… weil die gern Außenseiter wahrnehmen. Viele Journalisten finden eine | |
schräge These zur Erderwärmung spannender als die Meldung, dass der x-te | |
Beleg für den menschengemachten Klimawandel gefunden wurde. | |
Seit vor einem Jahr gehackte E-Mails britischer Klimaforscher mit | |
vermeintlichen Belegen für ein Fälscherkartell öffentlich wurden, scheint | |
die Öffentlichkeit Skeptikern zuzuhören. | |
Ich glaube, diese E-Mails wurden nicht zufällig so kurz vor dem Klimagipfel | |
von Kopenhagen öffentlich. Die Skeptiker werden immer laut, wenn wichtige | |
politische Entscheidungen anstehen. Das war schon Mitte der neunziger Jahre | |
so, unmittelbar vor Abschluss des Kioto-Protokolls. In den USA sind die | |
Skeptiker traditionell stark, dort fließt auch viel Geld etwa aus der | |
Ölbranche. Hierzulande wird die Szene eher von Leuten geprägt wie Wolfgang | |
Thüne, einem ehemaligen Fernseh-Wettermann, vor dem sogar schon andere | |
Leugner warnen. | |
Sollten Wissenschaftler Klimaskeptizismus ignorieren? | |
Nein, dieses Bezweifeln wissenschaftlicher Erkenntnisse ist eine ernste | |
Sache. Denn es verzögert Entscheidungen bei den häufig eher | |
bauchgesteuerten Politikern. Man muss aber auch sagen, dass Leute, die den | |
Klimawandel übertreiben, ebenfalls nicht hilfreich sind. Manche | |
Umweltverbände etwa behaupten, der Klimawandel führe zu viel mehr Stürmen. | |
Das ist aber wissenschaftlich für unsere Winterstürme nicht belegt. Korrekt | |
wäre die Aussage, dass tropische Stürme durch die Erderwärmung | |
wahrscheinlich in ihrer Stärke zunehmen. Aber solche Nuancen gehen in | |
politischen Debatten oder der Medienberichterstattung häufig unter. | |
Gibt es unter den Skeptikern auch echte Wissenschaftler? | |
Ja, aber nur ganz wenige. Richard Lindzen zum Beispiel vom MIT in Boston: | |
Er bestreitet nicht, dass Kohlendioxid ein Treibhausgas ist. Aber seiner | |
Meinung nach wird dessen Klimaeffekt überschätzt - beziehungsweise die | |
starken Rückkopplungseffekte im Klimasystem, die CO2 auslöst. Lindzen hat | |
in der Vergangenheit sicherlich auf unerforschte Punkte hingewiesen, durch | |
seine Kritik sind die Klimamodelle vielleicht rascher etwas besser | |
geworden. Doch die Debatte um seine Einwände ist im Wesentlichen beendet. | |
Nur nimmt er das nicht gern zur Kenntnis. | |
Unter den Skeptikern gibt es auffällig viele Geologen. | |
Die betonen gern, dass es schon früher in der Erdgeschichte Warm- oder | |
Kaltphasen gegeben hat. Das stimmt ja auch. Aber diese Geologen haben | |
offenbar ein Problem mit Zeitskalen. Natürliche rasche Temperaturänderungen | |
von 4 bis 5 Grad vollzogen sich im Laufe von 10.000 Jahren. Heute aber geht | |
es um eine Erwärmung von 2 bis 3 Grad innerhalb von 100 Jahren! | |
Auch Henrik Svensmark, Professor am renommierten Dänischen | |
Weltrauminstitut, zweifelt. | |
Es gibt eine Reihe von Sonnenforschern, die hartnäckig behaupten, der | |
solare Einfluss auf das Erdklima werde unterschätzt. Deren Thesen sind | |
vielfach überprüft worden - die Fakten sprechen einfach dagegen! Auch | |
Svensmark ist mehrfach widerlegt worden. Aber Wissenschaftler können sich | |
oft nicht von überholten Thesen trennen, wenn es die eigenen sind. | |
20 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Toralf Staud | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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