# taz.de -- Menschenhandel: Frauen als Ware | |
> Die Linksfraktion legt umfassende Fakten zum Thema Zwangsprostitution | |
> vor. Demnach sind mehr als die Häfte der etwa 1.100 Sexarbeiterinnen in | |
> Bremen Opfer. | |
Bild: Opfer finden und abschieben? Razzia in Münchner Bordell | |
Zwei Jahre hat sie Material gesammelt, gestern legte die Linksfraktion ihre | |
Faktensammlung zum Thema Zwangsprostitution vor. Das Ergebnis: | |
"Menschenhandel ist in Deutschland an der Tagesordnung. Das wird hier | |
geduldet und akzeptiert", so die Abgeordnete Monique Troedel. | |
Und das gelte auch für Bremen. Troedel zufolge, die Infos von Polizei, | |
Innenbehörde, Beratungsstellen und Betroffenen zusammengetragen hat, | |
arbeiten hier rund 1.100 Prostituierte. "Wir wollen nicht den moralischen | |
Zeigefinger gegen Frauen erheben, die sich freiwillig für diese Arbeit | |
entscheiden", sagt sie. Doch mehr als die Hälfte der Prostituierten täten | |
dies eben nicht. "Von Freiwilligkeit kann oft keine Rede sein. Die werden | |
mit falschen Vorstellungen nach Deutschland gelockt, geschlagen, erpresst | |
und gezwungen, ihren Körper zu verkaufen." | |
Die Kindheitserfahrungen der Frauen seien oft geprägt von Gewalt und | |
sexuellem Missbrauch. Oft hätten sie keine Vorstellung, wie ein anderes | |
Leben aussehen könne. Nur ein kleiner Teil der Prostitution finde in | |
Bordells statt, das Gros verteilt über die ganze Stadt in sogenannten | |
"Modelwohnungen". "Die Frauen werden dort bisweilen gehalten wie Tiere." | |
Manche würden nicht einmal wissen, in welcher Stadt sie seien. Entsprechend | |
schwer sei es, Zugang zu Hilfe und Beratung zu bekommen. | |
Auch wenn sie es begrüße, dass die Innenbehörde bereits 2008 einen runden | |
Tisch eingerichtet habe, werde dem Thema noch immer oft "mit Desinteresse | |
und Ablehnung" begegnet, sagt Troedel. Dabei sei Prostitution ein | |
Riesengeschäft. Allein in Bremen setzen Prostituierte jährlich rund 37 | |
Millionen Euro um, schätzt die Kripo. Der Teil, der hiervon mit | |
verbrecherischen Mitteln verdient werde, übersteige sogar die Erlöse aus | |
dem Waffen- und Drogenhandel, sagt Troedel. | |
Während früher die meisten Opfer von Menschenhandel aus Südostasien | |
stammten, seien jetzt osteuropäische Staaten die Hauptherkunftsländer. Acht | |
Prozent der aufgegriffenen Frauen seien minderjährig. | |
Für die Polizei sei es äußerst schwierig, die Täter zur Rechenschaft zu | |
ziehen. Derzeit verfüge das für den Bereich Menschenhandel zuständige | |
Kommissariat K44 nur über 1,5 Stellen. "Das ist viel zu wenig", sagte | |
Troedel. "Wenn die jeden Ort, an dem in Bremen Prostituierte arbeiten, auch | |
nur ein Mal im Jahr besuchen würden, dann wären die das ganze Jahr | |
beschäftigt." Allerdings dürfe es bei der Polizeiarbeit nicht darum gehen, | |
die Frauen abzuschieben - so wie es mit den angeblichen afrikanischen | |
Zwangsprostituierten geschah, die Anfang des Jahres bei einer Razzia in der | |
Helenenstraße verhaftet wurden. | |
Troedel fordert ein Bleiberecht für Opfer von Zwangsprostitution. | |
Mittelfristig könne dies als humanitärer Abschiebeschutz gewährt werden, | |
langfristig sei es aber notwendig, Zwangsprostitution regulär als Asylgrund | |
anzuerkennen. Vorerst könne auch ein Erlass auf Landesebene vor allem | |
Frauen, die gegen ihre Zuhälter aussagen, ein Bleiberecht geben. "Wir | |
würden eine interfraktionelle Initiative hierzu begrüßen", sagt sie. | |
20 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
Christian Jakob | |
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Prostitution | |
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