# taz.de -- Münchner Olympia-Berwerbung: Garmischer Schmarrn | |
> Nur noch peinlich findet ein Landbesitzer die Posse um die | |
> Olympia-Bewerbung. Statt mit den Grundeigentümern wird jetzt mit dem | |
> Trachtenverein gesprochen. | |
Bild: Die Heustadl sollen bleiben. | |
GARMISCH-PARTENKIRCHEN taz | In der Süddeutschen Zeitung hieß es: "Sie | |
haben sich nicht nur im Ton vergriffen. Mit ihrer Drohung, sich selbst an | |
das IOC zu wenden, fordern sie die Regierung geradezu heraus: Das kann für | |
alle sehr schmerzlich werden." Der Chefredakteur der Abendzeitung befand: | |
"So langsam reicht es jetzt mit dem Provinz-Aufstand. In Wahrheit ist das | |
Sturheit und Egoismus." | |
Und die Bild sprach von einem verzweifelten Versuch, das Milliardenprojekt | |
zu kippen. Dumme, geldgeile Garmischer Bauern auf dem Ego-Trip! Karl | |
Angermeier (Name von der Redaktion geändert) schüttelt den Kopf, lacht kurz | |
laut auf. Grotesk findet er das alles. | |
Angermeier ist ein gemütlicher Mann Ende 60, der sein Berufsleben schon | |
hinter sich hat, einer, der keinen Ärger will oder gar sucht. Auch deshalb | |
will er nicht, dass sein Name in der Zeitung steht. Angermeier ist | |
Garmischer durch und durch, seine Familie lebt seit Jahrhunderten im | |
Alpenvorort. Bauer ist er nicht, aber er ist Grundstücksbesitzer. Einer der | |
59 Menschen, die der bayerischen Staatsregierung ein Ultimatum gesetzt | |
haben, aus der Olympiabewerbung auszusteigen. | |
Wann die Geschichte mit Olympia genau losging, weiß Angermeier nicht mehr | |
so genau. Dafür erinnert er sich umso besser an ein Schreiben, das | |
vergangenes Jahr im September bei ihm eingetrudelt ist. "Die Gemeinde hat | |
uns Kaufangebote für unser Land gemacht", erzählt er. 470 Euro pro | |
Quadratmeter, so viel wollte die Gemeinde über einen Investor lockermachen. | |
"Da wäre ich ein reicher Mann geworden", sagt Angermeier spöttisch. Nicht | |
eine Sekunde hat er daran gedacht, seine 10.000 Quadratmeter zu verkaufen. | |
Seit den Befreiungskriegen Anfang des 19. Jahrhunderts sei das Land in | |
Familienhand, aktuell habe es ein Landwirt gepachtet. Dem gleichen Landwirt | |
wiederum gehören Flächen, die für Olympia unbedingt gebraucht werden. "Wir | |
stehen zusammen, das ist eine Charaktersache", sagt Angermeier, der viele | |
der 59 Grundstückseigentümer persönlich kennt. "Viele von uns möchten | |
einfach ihre Landwirtschaft betreiben." Anderen sei es wichtig, dass die | |
Heustadl und die Wiesenlandschaft erhalten bleiben. "Da steckt | |
jahrzehntelange Pflege drinnen", sagt Angermeier. "Die können uns doch gar | |
nicht garantieren, dass nach den Olympischen Spielen alles wieder genauso | |
ausschaut." | |
Von Anfang an ist Angermeier skeptisch gewesen, ob Garmisch-Partenkirchen | |
der passende Ort für Olympische Spiele ist. "So ein Megaspektakel", findet | |
er. "Und das IOC schert sich doch um nichts." Das IOC ist das eine. | |
Wirklich enttäuscht ist Angermeier von der Bewerbungsgesellschaft, der | |
Politik und nicht zuletzt seiner eigenen Gemeinde. So richtig los ging es | |
im Frühjahr dieses Jahres. | |
78 Grundstückseigentümer erhielten von den Olympiaplanern Vertragsentwürfe. | |
Angermeier bekam nichts zugeschickt. Die 78 Personen wunderten sich über | |
schwammige Standardverträge. Völlig unklar blieb, wie viel der Einzelne | |
bekommt, was genau mit dem Land passiert. Zuvor hatte der damalige Chef der | |
Bewerbungsgesellschaft, Willy Bogner, immer wieder betont, dass der | |
Einzelne im Zweifel auch zurückstecken müsse. Denn das gehöre zu seinen | |
staatsbürgerlichen Pflichten. Pure Arroganz. Dazu Bürgermeister Thomas | |
Schmid, ein ehemaliger Diplomat. Immer wieder posaunte Schmid lauthals | |
heraus, dass bei ihm im Ort schon alles klar sei. | |
Von wegen! Die Grundstückseigentümer machten dicht. Da kam die bayerische | |
Staatsregierung ins Spiel und präsentierte sich Mitte Juli als Retter. | |
Willy Bogner wurde entmachtet, die Bewerbung wurde als Chefsache | |
bezeichnet. Staatskanzleichef Siegfried Schneider trat als Chefvasall des | |
bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer auf den Plan. Der gelernte | |
Volksschullehrer glaubte fest daran, den richtigen Ton zu treffen. | |
Mehrere Male war er vor Ort und verhandelte mit Altvorderen aus insgesamt | |
neun verschiedenen Vereinen. Besonders gut verstand sich Schneider mit dem | |
Vorsitzenden des Trachtenvereins. Die Gespräche laufen gut, hieß es im | |
Sommer. "Die Feuerwehr ist einfach ins falsche Dorf gefahren", resümiert | |
Karl Angermeier. Mit ihm oder den anderen Grundstückseigentümern habe der | |
Minister nie gesprochen. Nie! | |
Im August besprach sich Angermeier mit Ignaz Streitel, einem | |
einflussreichen Landwirt, der lange der Weidegenossenschaft vorstand. Sie | |
trommelten die meisten der Grundstückseigentümer zusammen und engagierten | |
den Münchner Anwalt Ludwig Seitz. Der sollte für sie verhandeln. Doch es | |
tat sich so gut wie nichts. Am 11. November bekam Seitz dann Post: neue | |
Verträge von der Gemeinde, die im Auftrag der Olympiabewerbungsgesellschaft | |
handelte. Es handelte sich um schlampige Pauschalverträge, in denen schon | |
mal Grundstücke und Personen verwechselt wurden. Die Papiere tragen den | |
Vermerk: "Bitte bis zum 26. November Verträge abschließen." | |
Endlich, am 26. November, trafen die Eigentümer, unter ihnen Angermeier, | |
erstmals auf Siegfried Schneider. Der Staatsminister rauschte mit einer | |
Gefolgschaft von sechs Mann an und nach drei Stunden ohne unterschriebenen | |
Vertrag wieder ab. "Schneider hat wenigstens Haltung bewahrt", sagt | |
Angermeier. Amüsant findet er im Nachhinein, dass sich der überrumpelte | |
Schneider mit folgenden Worten entschuldigt habe: "Tut mir leid, mit so | |
einem Ergebnis habe ich nicht gerechnet." | |
Seitdem ist - mal wieder - wenig passiert. "Mit uns wird weiterhin nicht | |
gesprochen", sagt Angermeier. Deswegen wollten sie in die Offensive gehen. | |
Und die Gegenseite hat schon wieder einen Bock geschossen: Obwohl die | |
Gespräche mit dem Grundstückseigentümer der Fläche auf der Kandahar-Abfahrt | |
schon sehr weit fortgeschritten sind, hat es sich die Gemeinde | |
Garmisch-Partenkirchen nicht nehmen lassen, ein Enteignungsverfahren in die | |
Wege zu leiten. "Der Schmarrn, den die Gemeinde da verzapft hat, war das | |
i-Tüpfelchen auf all die Peinlichkeiten", sagt Angermeier. Er schüttelt | |
dabei wieder den Kopf und lacht. Ein sturer, dummer Mann? | |
21 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Kemnitzer | |
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