# taz.de -- Streit der Woche: "Die Sippe ist in die Gene graviert" | |
> An Weihnachten gibt es oft Streit in der Familie. Psychologin Krahé | |
> beruhigt: Jeder kann selbst entscheiden, wie er feiern möchte. Das aber | |
> schafft neue Probleme. | |
Bild: Harmonie zu Weihnachten? In vielen Familien Fehlanzeige. | |
Bei Pia Maria Castro kümmert sich in diesem Jahr der Mann, Cem Özdemir, um | |
Baum, Schmuck und Geschenke, während sie arbeiten muß. Sie erwartet kein | |
stressiges Weihnachtsfest. „Die Hälfte der Familie fällt weg, weil sie | |
Muslime sind“, erzählt die deutsch-argentinische Journalistin. „Wir feiern | |
zu Hause in Berlin-Kreuzberg mit unserem Nachbarn und ein wenig Sehnsucht | |
nach der Wärme und den leicht bekleideten Menschen auf den Straßen von | |
Buenos Aires“, schreibt sie in der sonntaz. | |
Weihnachten habe in manchen Familien nur wenig mit Frieden und Liebe zu | |
tun, erklärt Helmut Kury, der ehemalige Direktor des Kriminologischen | |
Instituts Niedersachsen "Viele Familien können nicht damit umgehen, dass | |
sie für mehrere Tage in die gemeinsame Häuslichkeit zurückgeworfen werden." | |
Wenn dann noch viel Alkohol im Spiel ist, könne der Streit schnell | |
eskalieren. "Zu Weihnachten häufen sich die Vorfälle häuslicher Gewalt. | |
Viele Beratungsstellen richten darum während der Feiertage extra | |
Notrufdienste ein." Doch die würden oft gar nicht wahrgenommen, weil sich | |
viele Familien dafür schämten, zum Fest der Liebe zu streiten. | |
Doch wie sieht es aus, wenn man an Weihnachten gar keine Familie zum Feiern | |
hat oder auf fremde Hilfe angewiesen ist? Wir schickten unseren | |
Videoreporter Maximilian Schach los, um an Heiligabend Bilder von Menschen | |
in besonderen Situationen einzufangen. Er ging ins Seniorenwohnheim, in die | |
Psychiatrie und in eine altberliner Eckkneipe. Dies sind die berührenden | |
Bilder einer "Ganztagsforschungsreise 24-12-2010": | |
Paartherapeut Colin Kehrer kennt die "Nachwirkungen" eines schiefgegangenen | |
Weihnachtsfests aus seiner Praxis gut. "Dass es zum Fest zwischen Paaren | |
und in Familien richtig kracht, kommt leider all zu häufig vor." Er glaubt, | |
dass Weihnachten zu oft schief geht, weil die Familienmitglieder sich nicht | |
über ihre Erwartungen an das Fest austauschen und dann verschiedene | |
Ansichten über die richtige Ausgestaltung aufeinanderprallen. | |
Das passiere zum Beispiel auch, wenn Patchworkfamilien nach Alternativen | |
zum konventionellen Fest suchen: "Das hat ein hohes Konfliktpotential, wenn | |
die Familie dafür kein Verständnis aufbringt" schreibt die Psychologin | |
Natalie Krahé, „Jeder kann heute selbst entscheiden, wie er Weihnachten | |
verbringen möchte. Die Antwort kann heute auch lauten: mit Freunden unter | |
Palmen." | |
Dietmar Bittrich, Autor des Werks „Das Weihnachtshasser Buch“ kann sich das | |
Fest hingegen nur in der Familie vorstellen. „Die Sippe ist in die Gene | |
graviert“, schreibt er. Die Familie sei unkaputtbar. „Mag sein, dass Heilig | |
Abend jemand Brüder, Schwester, Mutter, Vater, Kinder verlässt. Aber nur um | |
Zigaretten zu holen – oder eine neue Familie zu gründen.“ | |
Im Streit der Woche äußern sich zudem der Schlagersänger Frank Schöbel, | |
Martina Schmitz vom Dachverbande der Frauenberatungsstellen NRW und Mo | |
Asumang, die aus ihrer Vergangenheit im Kinderheim erzählt. | |
23 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
M. Rank | |
M.-C. Bianco | |
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