# taz.de -- Kommentar Chaos Computer Club: Digitaler Reichtum für alle! | |
> Der Chaos Computer Club hat auch im Jahr 2010 sein Profil als | |
> Bürgerrechtsorganisation für Online- und Offline-Themen geschärft. Doch | |
> bei den sozialen Bürgerrechten geht noch was. | |
Weiter auf gutem Kurs – so kann man die Entwicklung des Chaos Computer | |
Clubs im Jahr 2010 zusammenfassen. Die Mitgliederzahlen wuchsen nicht mehr | |
so rasant wie im Netzpolitik-Hype-Jahr 2009, aber dennoch wuchsen sie. Der | |
Jahreskongress war innerhalb von zwei Stunden ausgebucht. | |
Dieser "Hauptact", der traditionell zwischen den Jahren in Berlin | |
stattfindet, wird ergänzt durch eine große Zahl von Kongressen und Camps an | |
anderen Orten. In immer mehr Städten gibt es aktive Ortsgruppen. Zwar lässt | |
sich streiten über die Sprecher-Strukturen und wie diese demokratisch | |
legitimiert sind – aber sie funktionieren und sonderlich laute Kritik daran | |
ist auch nicht zu vernehmen. | |
Politisch hat der "Club" auch 2010 weiter an Einfluss gewonnen – auf der | |
Straße, im Diskurs und auch in den Institutionen. Man sitzt in der | |
Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", die von allen | |
Fraktionen im Bundestag einberufen wurde. CCC-Sprecher schreiben für | |
etablierte Zeitungen, zum Beispiel im Feuilleton der Frankfurter | |
Allgemeinen Zeitung, intern kritisiert nur von wenigen linken Anhängern der | |
reinen Lehre. | |
Bei allen großen netzpolitischen Debatten des Jahres 2010 in Deutschland | |
war der CCC beteiligt – realpolitisch, als Nerd-Lobby-Organisation. | |
Herausragend waren die CCC-Aktivitäten bei der Verfassungsbeschwerde gegen | |
die Vorratsdatenspeicherung und bei den Diskussionen um den | |
Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Und dann noch die Initiativen für | |
klassische Bürgerrechte: die Aufklärung eines Polizeiübergriffs aus dem | |
Jahr 2009 und das CCC-Engagement für eine individuelle Kennzeichnung von | |
Polizisten. | |
Bürgerrechte, Engagement gegen Überwachung und für Rezipientenfreiheit – | |
schön und gut. Wünschenswert wäre es jedoch, wenn sich der Club mehr als in | |
den vergangenen Jahren auf soziale Bürgerrechte fokussieren würde. "Der | |
Zugang zu Computern und allem, was einem zeigen kann, wie diese Welt | |
funktioniert, sollte unbegrenzt und vollständig sein" ist seit jeher in der | |
Hacker-Ethik niedergelegt. | |
Ein ganz praktisches Problem, das zum Beispiel für Hartz-IV-Empfänger nicht | |
trivial zu lösen ist. Denn von den etwas mehr als zwei Euro, die ein | |
Hartz-IV-Empfänger pro Monat für "Datenverarbeitungsgeräte und Software" | |
erhält, lässt sich kein Computer ansparen. Für die laufenden Kosten eines | |
Netzzugangs sind etwas über drei Euro veranschlagt – auch das viel zu | |
wenig. | |
Ein gesetzlich garantierter Zugang zum Netz, so wie er in Estland | |
existiert, würde die soziale Spaltung beim Netzzugang abfedern. Auch so | |
etwas muss der CCC wieder mehr fordern! Das Netz kann Verhältnisse auf den | |
Kopf stellen, soziale Ungleichheit mindern und materielle Armut zumindest | |
für die Zeit des Surfens lindern: Der Zugang zum Internet als Tor zu einer | |
Welt unendlichen Reichtums. | |
30 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Julia Seeliger | |
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