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# taz.de -- Heikle Entscheidung in Brasilien: Battisti wird nicht an Italien au…
> Als letzte Amtshandlung verweigert der scheidende Präsident Lula die
> Überstellung des früheren Linksextremisten. Rom reagiert verstimmt und
> legt ein Abkommen auf Eis.
Bild: Cesare Battisti (Mitte) bei seiner Ankunft am Flughafen von Brasilia im M…
Eine heikle Entscheidung zögerte Luiz Inácio Lula da Silva bis zu seinem
letzten Amtstag hinaus: Brasilien wird den früheren italienischen
Linksextremisten Cesare Battisti nicht an Italien ausliefern. Zur
Begründung verwies der scheidende Staatschef auf ein Gutachten der
Generalstaatsanwaltschaft. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Lage
Battistis in Italien wegen seiner Vergangenheit als politischer Aktivist
verschärfe, heißt es da. Diese Lesart sei auch durch das
Auslieferungsabkommen zwischen den beiden Ländern gedeckt, ließ Lula am
Freitag erklären.
Rom reagierte pikiert. Am Sonntag sagte Außenminister Franco Frattini, die
für Januar geplante Verabschiedung eines "strategischen" Abkommens mit
Brasilien werde auf Eis gelegt. Dabei handelt es sich um einen Rüstungsdeal
in Höhe von fünf Milliarden Euro über Schiffe, Radaranlagen und Raketen.
Premier Silvio Berlusconi erklärte den Fall für nicht abgeschlossen, auch
wenn ihn Medien zitiert hatten, bei so einem wie Battisti sei es fast
besser, ihn nicht im Land zu haben, da er den Staat im Gefängnis auch noch
Geld koste.
Frattini kündigte an, man werde beim Obersten Gerichtshof in Brasília
Einspruch einlegen, notfalls auch beim Internationalen Strafgerichtshof in
Den Haag. Lulas Begründung sei absolut inakzeptabel. Nicht Italien sei das
Land der Gefolterten und "Verschwundenen", sagte er mit Seitenhieb auf das
Militärregime in Brasilien (von 1964 bis 1985).
Als Mitglied der linksextremen Splittergruppe "Bewaffnete Proletarier für
den Kommunismus" soll Battisti Ende der 70er Jahre in Italien zwei Morde
begangen haben und an zwei weiteren beteiligt gewesen sein. Er beteuerte
seine Unschuld und erklärte, dem bewaffneten Kampf zuvor abgeschworen zu
haben.
Nach einer ersten Verurteilung 1981 floh er nach Frankreich, später nach
Nicaragua und Mexiko. 1990 ließ er sich erneut in Paris nieder, wo er im
Rahmen der Mitterrand-Doktrin geduldet wurde. Dort machte Battisti Karriere
als Übersetzer und Krimiautor, wurde jedoch zwischenzeitlich in Italien
nach Aussagen von Kronzeugen zu lebenslanger Haft verurteilt. Unter Jacques
Chirac drohte ihm 2004 die Auslieferung, der er sich durch erneute Flucht
entzog. Im März 2007 wurde er in Rio de Janeiro aufgrund eines
französischen Haftbefehls festgenommen.
Der Italiener sitzt seither in Brasília in Untersuchungshaft. Politisches
Asyl bekommt er nicht, doch nach seiner Freilassung, die nun der Oberste
Gerichtshof veranlassen muss, kann er die Einbürgerung beantragen. Die
Richter hatten im November 2009 beschlossen, dass Battisti ausgeliefert
werden kann, doch zugleich den Präsidenten für zuständig erklärt.
Ganz selbstlos dürfte Lulas Entscheidung nicht gewesen sein. Er wolle sich
international als Menschenrechtler profilieren, vermutet der
Verfassungsrechtler Joaquim Falcão. Vor allem demonstriert Brasília
Eigenständigkeit: Proteste aus Rom im Vorfeld wurden "mit tiefer
Verwunderung" über deren Stil zurückgewiesen, "besonders über den
unpassenden persönlichen Hinweis auf den Präsidenten".
Auch in Brasilien wird das Pro-Battisti-Votum bis weit ins linksliberale
Lager hinein kritisiert. Das fällt nicht ins Gewicht. Lula, der am Samstag
der früheren Guerillera Dilma Rousseff die Präsidentenschärpe überstülpte,
scheidet mit einer Zustimmungsrate von 87 Prozent aus dem Amt.
2 Jan 2011
## AUTOREN
Gerhard Dilger
## TAGS
Italien
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