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# taz.de -- Gift im Hühnerfutter: Die Spur des Dioxins
> Giftiges Fett im Hühnerfutter war Abfallprodukt bei der Herstellung von
> Biodiesel. Verbraucherschützer fordern verschärfte Haftung und bessere
> Kontrollen. 1.000 Höfe in Niedersachsen gesperrt.
Bild: Henne und Ei: Was drin steckt, ist manchmal unerquicklich.
Die Spur im neuen Dioxin-Lebensmittelskandal führt zur Biodiesel-Raffinerie
Petrotrec in Emden. Fettsäuren, die bei der Treibstoff-Herstellung übrig
blieben, verkaufte sie an einen niederländischen Händler, der sie an einen
Futtermittelhersteller in Uetersen bei Hamburg weiterverkaufte. Dieser
verschickte das Futter an Hühnerhöfe in Schleswig-Holstein, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. An welcher Stelle das Dioxin in die
Produktionskette geriet, ist unklar. Die Kieler Staatsanwaltschaft
ermittelt.
Der Futtermittel-Hersteller Harles & Jentzsch hatte den Dioxin-Fund im
Dezember dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium gemeldet. Das Gift
war demnach bei einer Routine-Kontrolle aufgefallen. Das Ministerium
informierte die betroffenen Bundesländer, die ihre Kontrolleure in die
belieferten Ställe schickten. Dioxin ist seit der Seveso-Katastrophe in
Norditalien bekannt. Der Stoff ist schon in winzigen Mengen gefährlich. Er
gilt als Krebs erregend und reichert sich im Körper an.
Niedersachsen hat wegen der Dioxin-Funde vorsorglich 1.000 Agrarbetriebe
gesperrt. Darunter sind nicht nur Legehennen-Höfe, sondern auch Schweine-
und Putenmastereien. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums dürfen
die Höfe erst wieder Ware ausliefern, wenn sicher ist, dass diese nicht
vergiftet ist. Bei Tests war bis Montagnachmittag in einer von 18 Proben
ein überhöhter Dioxin-Gehalt festgestellt worden. Auch in den anderen
Ländern wurden Höfe gesperrt.
Fett wird dem Tierfutter als Energielieferant beigemischt. Rechtlich gälten
dabei dieselben Anforderungen wie für menschliche Nahrung, sagt Bernhard
Krüsken vom Deutschen Verband Tiernahrung (DVT). Wenn Biodiesel produziert
werde, fielen eine Reihe von Fettsäuren ab, die einen Wert für die
Ernährung hätten - und etwa auch bei der Herstellung von Salatöl verwendet
würden. Sie könnten deshalb verkauft werden. "Jemand, der solche Produkte
in Verkehr bringt, ist auch ein Futtermittelunternehmen und den
entsprechenden Sorgfaltspflichten unterworfen", sagt Krüsken.
Die Biodiesel-Raffinerie Petrotrec versichert, das Fett gar nicht als
Lebensmittel ausgeliefert zu haben. "Wir verkaufen unsere Fettsäuren für
technische Zwecke: Das steht im Vertrag, in der Rechnung und im
Lieferschein", sagt Pressesprecher Michael Fiedler-Panajotopoulos. Petrotec
sei darauf spezialisiert, altes Fett zu verarbeiten und habe mit der
Produktion von Lebensmitteln nichts zu tun. "Wenn jemand ein technisches
Produkt als Lebensmittel verkauft hätte, wäre das kriminell", sagt
Fiedler-Panajotopoulos.
Nach den Erkenntnissen der Verbraucherorganisation Foodwatch ist Öl ein
Standardweg, auf dem Dioxin ins Futter gerät. Der andere sei die Trocknung
des Futters, bei der bisweilen Umweltvorschriften missachtet würden - wie
vermutlich beim letzten Skandal im Mai 2010. Um Dioxin in der Nahrungskette
auszuschließen, müsste aus Sicht der Organisation am Anfang, bei den
Futtermittel-Zutaten, angesetzt werden. "Wir fordern, dass man jede Charge
einer Zutat eines Futtermittels auf Dioxine testet", sagt
Foodwatch-Sprecherin Christiane Groß. Bloße Stichproben reichten nicht.
Wie Ministeriumssprecher Hahne bestätigt, ist ein Dioxin-Test mit rund 500
Euro nicht gerade billig. Die Gefährlichkeit des Stoffes rechtfertigt aus
Sicht von Foodwatch jedoch flächendeckende Tests. "Die Dioxin-Belastung der
Bevölkerung bewegt sich am oberen Rand dessen, was die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) für gerade noch akzeptabel hält", warnt
Groß.
Die Verbraucherschützerin schlägt vor, die Haftungsvorschriften zu ändern.
"Futtermittelhersteller sollten dafür haften, dass die Zutaten, die sie
einsetzen, den gesetzlichen Bestimmungen genügen", sagt sie. Hierfür
könnten sie entweder gezwungen werden, nur zertifizierte Ware anzunehmen
oder Lieferungen selbst zu testen.
Harles & Jentzsch-Geschäftsführer Siegfried Sievert behauptet, gelegentlich
Fettsäure aus der Biodiesel-Produktion erworben zu haben. Woher das Dioxin
stamme, sei ihm unerklärlich, sagte er der DPA. Im üblichen
Produktionsprozess entstehe Dioxin nicht. Harles & Jentzsch liefere laut
Sievert zurzeit nur mit Zertifikaten ausgewiesene Futtermittel aus, "die
unser Tanklager nicht berühren". Ob weitere Partien dioxinbelastet seien,
sei noch offen.
3 Jan 2011
## AUTOREN
Gernot Knödler
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Die industrialisierte Landwirtschaft beruht auf einer Überausnutzung aller
Ressourcen. Das führt zwangsläufig dazu, dass Gift auf den Teller kommt.
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