# taz.de -- Wissenschaftsausstellung im Gropius Bau: Rechnende Schränke, keine… | |
> Die Ausstellung "Weltwissen" sollte ein Höhepunkt im Wissenschaftsjahr | |
> 2010 sein. Doch das so sehr erwartete Publikum kam nicht. | |
Bild: Regalinstallation im Lichthof. | |
BERLIN taz | Annonciert war sie als der Höhepunkt des Berliner | |
Wissenschaftsjahres 2010: Die Ausstellung "WeltWissen" im | |
Martin-Gropius-Bau mit über 1.600 Exponaten aus 300 Jahren Wissenschaft in | |
Berlin. Inhaltlich gestemmt von den vier Geburtstagskindern des | |
akademischen Festjahres: der Universitätsklinik Charité (300 Jahre), der | |
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (300 Jahre), der | |
Humboldt-Universität (200 Jahre) und der Max-Planck-Gesellschaft (100 | |
Jahre) - und mit fünf Millionen Euro aus der Berliner Lotto-Stiftung | |
großzügig finanziert. Weitere 800.000 Euro steuerten die Veranstalter und | |
Sponsoren bei. | |
Jetzt, zum Schlussspurt - die Schau schließt am Sonntag, den 9. Januar - | |
fällt die Bilanz gedämpfter aus. Während sich zur Frida-Kahlo-Ausstellung | |
im Sommer täglich lange Warteschlangen vor dem Martin-Gropius-Bau bildeten | |
(235.000 Besucher), ging das Interesse beim Thema Wissenschaft ab dem 24. | |
September schlagartig in den Keller. Im November war man bei 40.000 | |
Besuchern angelangt, bis zum Ende hoffen die Veranstalter, wenigstens die | |
70.000-Marke zu knacken. | |
Das ist enttäuschend wenig, wenn eine thematisch verwandte Schau - die | |
Ausstellung zum Humboldt-Forum "Anders zur Welt kommen" 2009 im Alten | |
Museum - unter Nutzung vorhandener Bestände auf eine vergleichbare | |
Besucherzahl (70.600) kam, allerdings bei doppelter Laufzeit. | |
Bei WeltWissen wurden viele Exponate eigens nach Berlin geholt und eine | |
große Kunstinstallation - das Wissensregal des amerikanischen Künstlers | |
Mark Dion - im Lichthof errichtet. Horst Zuse baute den ersten | |
funktionierenden Computer der Welt, die Z 3 seines Vaters Konrad aus dem | |
Jahr 1943, nach und führte die rechnenden Kleiderschränke den Besuchern | |
vor. | |
Der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften | |
(BBAW), Günter Stock, ist zwar nach wie vor vom Konzept der | |
WeltWissen-Ausstellung überzeugt, die er als "ästhetisch wie didaktisch | |
gelungen" bezeichnet. Dennoch muss er einräumen: "Für das normale | |
Laufpublikum waren wir offenbar nicht attraktiv genug." Dies sei | |
bedauerlich, "zumal wir einen großen Aufwand betrieben haben". Immerhin war | |
das "Schülerlabor Geisteswissenschaften", das die BBAW anbot, mit insgesamt | |
2.000 Oberstufenschülern ausgebucht. | |
Auch Ausstellungsleiter Jochen Hennig von der Humboldt-Universität gibt im | |
Gespräch mit der taz zu, dass man in der Besucherstatistik "ein bisschen | |
unter unseren Hoffnungen geblieben" sei. Anfangs hatte man mit 100.000 | |
Wissenschaftsfans kalkuliert. Aber auch die jetzigen 70.000 (davon 11.000 | |
Kinder und Jugendliche - eintrittsfrei) hält Hennig für "keinen Absturz". | |
Augenscheinlich sei mit der Schau die Zielgruppe der Berlintouristen zu | |
wenig erreicht worden, nennt er als einen Grund. Hinzu komme, dass sich die | |
Berliner Museumslandschaft in den letzten Jahren großartig weiterentwickelt | |
habe. "Bei so vielen Publikumsmagneten ist es schwieriger geworden, | |
beachtet zu werden", sagt Hennig. | |
Andere sprechen allerdings von einem Ermüdungseffekt, den die ganzjährige | |
Wissenschaftsfeierei selbst bei Enthusiasten zum Schluss bewirkt habe. Rund | |
eine Million Teilnehmer haben die Festakte, Konferenzen und öffentlichen | |
Wissenschaftsmarktplätze nach Schätzung der Berliner Kulturprojekte GmbH, | |
vom Senat mit der Organisation des Wissenschaftsjahres beauftragt, im Jahr | |
2010 angezogen. Da im Schnitt eine Person zwei Veranstaltungen besuche, | |
wurden nach Rechnung der Eventmanager eine halbe Million Menschen mit | |
Wissenschaftsthemen erreicht. Darunter allerdings auch die 150.000 | |
Passanten am Potsdamer Platz, die dort im Sommer eine blaue Treppe | |
bestiegen, um einen Fernblick über die Berliner Wissenschaftslandschaft zu | |
erhalten. | |
Im Rückblick überlegen die Organisatoren, ob ein anderer Termin nicht | |
günstiger gewesen wäre. "Hätten wir im Sommer die beiden Langen Nächte der | |
Wissenschaft und die der Museen dabei gehabt, dann hätten wir mehr Besucher | |
anziehen können", ist sich Hennig sicher. Damit wäre auch der Faktor | |
Mundpropaganda größer gewesen. | |
Andererseits war die Gemeinschaftsausstellung kalendarisch gebunden, da man | |
zeitlich ins Jahr 2011 hineinreichen musste, um das Gründungsjahr der | |
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der heutigen Max-Planck-Gesellschaft (MPG), | |
mit abzudecken. Bis zum letzten Ausstellungstag sind die zusätzlichen | |
WeltWissen-Veranstaltungen der bedeutenden Forschungsorganisation gewidmet, | |
die 1911 in Berlin gegründet wurde. Am Mittwoch wurde der Reigen mit einer | |
historischen Präsentation des Berliner Fritz-Haber-Instituts der | |
Max-Planck-Gesellschaft eröffnet, an der auch der dort früher forschende | |
Nobelpreisträger Gerhard Ertl teilnahm. | |
Für ihren Geburtstag - der auch ein Festjahr sein wird - haben sich die | |
MPG-Oberen ein besonderes Berlinpräsent ausgedacht: Am Gendarmenmarkt, wo | |
die Forschungsorganisation ihre Hauptstadtrepräsentanz hat, wird die | |
Eröffnung einer "Max-Planck-Science-Gallery" vorbereitet. Mit dem | |
"neuartigen Begegnungs- und Erlebniszentrum" soll ein anderer Zugang zum | |
wissenschaftlichen Laienpublikum beschritten werden. | |
Für Wissenschaftsorganisation bestehe beim Kontakt mit der Gesellschaft | |
heute "die Herausforderung darin, mehr direkte Kommunikation, mehr | |
Interaktion und Bürgernähe zu erreichen", heißt es in der Ausschreibung des | |
Projekts, das im Frühsommer eröffnet werden soll. | |
Ein solcher Ansatz wird zwangläufig auch auf das nächste große Berliner | |
Projekt der Wissenschaftspopularisierung zukommen: das Humboldt-Forum auf | |
dem Schlossplatz im Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses. Schon werden | |
erste Stimmen laut, die bezweifeln, ob der jetzt verfolgte Ansatz einer | |
Kombilösung aus Ethnologiemuseum und Landesbibliothek sinnvoll ist. "Ob die | |
Gräsersammlungen aus Lateinamerika die Massen tatsächlich interessieren, | |
wage ich zu bezweifeln", sagt ein Wissenschaftsexperte aus der Berliner | |
Verwaltung. "Ich mache mir da große Sorgen." | |
Die Ausstellung [1][WeltWissen – 300 Jahre Wissenschaften in Berlin] ist im | |
Berliner Martin-Gropius-Bau noch bis einschließlich Sonntag, den 9. Januar | |
2011 zu sehen. | |
7 Jan 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.weltwissen-berlin.de | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
## TAGS | |
Computer | |
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