# taz.de -- Dreikönigstreffen der FDP: Der Feind steht links | |
> Der angeschlagene Guido Westerwelle spart sich die Selbstkritik. Und hat | |
> eine neue Rolle für die FDP: sie soll linke Mehrheiten verhindern. | |
> Lindner attackiert die Grünen. | |
Bild: Den Feind fest im Blick: FDP-Generalsekretär Christian Lindner und sein … | |
STUTTGART taz | Das erste Mal lächelt Guido Westerwelle, als er ein paar | |
jugendliche Protestierer sieht. Die vier jungen Männer haben ein Plakat auf | |
der Tribüne ausgerollt: "Stuttgart 21 stoppen – FDP tiefer legen!" Der | |
Parteivorsitzende könnte jetzt tun, was er am besten kann: angreifen. Er | |
tut es nicht. "Jetzt habt ihr euch zum ersten Mal im Leben eine Krawatte | |
umgebunden, um hier reinzukommen", sagt er mit gespielter Anteilnahme. | |
Dabei trügen nicht einmal die anwesenden Jungliberalen welche. | |
In seiner Rede widersteht Westerwelle der Versuchung, allein den Konflikt | |
mit anderen Parteien zu suchen. Viel war vor dem Dreikönigstreffen der FDP | |
spekuliert worden, wie der Befreiungsversuch ausfallen werde: die | |
Umfragewerte seit Monaten an der Fünf-Prozent-Marke, die Aussichten für die | |
sieben Landtagswahlen in diesem Jahr miserabel. | |
Und in Baden-Württemberg droht nach eineinhalb Jahrzehnten das Ende von | |
Schwarz-Gelb. Verantwortlich dafür machten die Parteifreunde Westerwelle. | |
Der Gescholtene entscheidet sich in dieser heiklen Lage, den Staatsmann zu | |
geben, der die Erfolge der Regierungsarbeit herausstellt: Er habe "lieber | |
ein schwieriges Dreikönigstreffen, und Deutschland geht es gut", als | |
umgekehrt. | |
Die Selbstkritik, die viele Beobachter von dieser fast 70-minütigen Rede | |
erwarteten, fällt extrem kurz aus: Im ersten Regierungsjahr habe die Partei | |
sich zu wenig an den Leitsatz "Freiheit zur Verantwortung" gehalten. "Das | |
haben wir verstanden. Aber gekämpft werden muss, weil Deutschland nicht den | |
Linken überlassen werden darf." Damit ist Westerwelles Linie klar: Die | |
oftmals für überflüssig erklärte FDP werde gebraucht, um linke Mehrheiten | |
zu verhindern. "Wer die Freiheit liebt, braucht die FDP", sagt Westerwelle. | |
Weite Teile seiner Rede reserviert er dafür, die Erfolge der | |
Regierungsarbeit darzustellen: Hartz-IV-Reform, Bafög-Erhöhung, | |
"Deutschland-Stipendien" für 10.000 hochbegabte Studierende, eine | |
Rekordzahl der Beschäftigten, Wirtschaftswachstum, Erbschaftsteuerreform, | |
Anhebung des Pauschbetrags bei der Einkommensteuer. Bei der Aufzählung | |
lässt er sich auch nicht von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) | |
irritieren, der pünktlich zu Dreikönig verkündet hatte, die für 2011 | |
geplanten Steuervereinfachungen und -erleichterungen könnten erst ein Jahr | |
später in Kraft treten. Alles, was machbar sei, werde noch in diesem Jahr | |
eingeführt, verspricht Westerwelle. | |
Mehrfach widerspricht er dem Vorwurf der Klientelpolitik. "Wir bleiben die | |
einzige liberale Partei in Deutschland, eine Partei, die sich an das ganze | |
Volk wendet", sagt er. Zugleich verteidigt er die Verlängerung der | |
Laufzeiten der Atomkraftwerke und das Bahnprojekt Stuttgart 21. | |
Die Attacken gegen die Konkurrenz, allen voran die erstarkten Grünen, | |
hingegen überlässt er weitgehend der Fraktionsvorsitzenden Birgit Homburger | |
und dem Generalsekretär Christian Lindner. Westerwelles Vorredner erklären | |
die Ex-Alternativen zum Hauptgegner. Sie werden in ihren Beschreibungen zum | |
Symptom einer Wohlstandssattheit, die den Wohlstand in Deutschland | |
gefährde. Lindner ruft in den vollbesetzten Saal des Opernhauses: Beim | |
Bahnprojekt Stuttgart 21 hätten Grüne den "Protestzug als Dagegenpartei | |
angeführt". Das sei kein Einzelfall, sondern seit Jahrzehnten ein "grünes | |
Syndrom". | |
Der Feind, soll das heißen, steht links, und dazu zählen auch die Grünen. | |
Diese seien nicht bürgerlich, sondern die "Trojaner" der Linken. Die FDP | |
müsse die Grünen stoppen: Die schwarz-gelbe Koalition, ruft Lindner, ist | |
"zum Erfolg geradezu verpflichtet". | |
6 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit in der Koalition: Auf der Suche nach dem Konsens | |
Wie schwerwiegend ist der Zwist in der Regierung? Der FDP-Aufsteiger | |
Christian Lindner drohte mit Koalitionsbruch. Jetzt kehrt man die Scherben | |
zusammen. | |
Streit der Woche: "Die Niederlage braucht ein Gesicht" | |
Die FDP benötigt Westerwelle noch als Sündenbock, sagt der Erfinder der | |
"Strategie 18", Fritz Goergen. Parteichefs werden überschätzt, findet | |
Grünen-Politiker Ströbele. | |
Kommentar zum FDP-Dreikönigstreffen: Ein Hauch von Tragik | |
Die Erfolgsbilanz, die Westerwelle in Stuttgart präsentierte, ist | |
gefälscht. Die FDP hat so ziemlich alles falsch gemacht. Und Westerwelle | |
ist ein Chef auf Abruf. | |
Machtkampf in der FDP: Schuldige ausfindig gemacht | |
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger steht in der Kritik. Sie | |
setze der Union zu wenig entgegen. Medienberichten zufolge könnte sie bald | |
abgesetzt werden. | |
Erinnern an die "Freiburger Thesen": Wofür steht die FDP? | |
Menschenwürde, Fortschritt, Reform des Kapitalismus - wie die FDP 1971 in | |
ihren Freiburger Thesen den Liberalismus definierte. Eine Dokumentation. | |
Vor dem FDP-Dreikönigstreffen: Birgit Homburger und ihr Dilemma | |
Die Chefin von FDP-Fraktion und Landesverband Baden-Württemberg muss | |
Parteichef Westerwelle den Rücken frei halten. Die Basis kocht. Und ob der | |
Spagat gelingt, ist offen. | |
Streit der Woche: Kommt's auf den Parteichef an? | |
Westerwelle kämpft ums politische Überleben, die Linke hat's nach | |
Lafontaines Rückzug schwer. Andere warnen davor, nur aufs Personal statt | |
auf die Politik zu schauen. | |
Aufruf vor Drei Königstreffen: "Jetzt erst recht" | |
Kurz vor dem mit Spannung erwarteten Dreikönigs-Treffen der FDP bekommt der | |
angeschlagene Vorsitzende Westerwelle von führenden Partei-Politikern den | |
Rücken gestärkt. | |
Liberale vor Dreikönigs-Treffen: Vorwärts und alles vergessen | |
Die FDP will die Debatte über ihren angeschlagenen Vorsitzenden beenden. | |
Ihr Dreikönigs-Treffen soll Eintracht verbreiten - trotz miserabler | |
Stimmung und Umfragewerte. |