# taz.de -- Proteste gegen NPD: Volksfest gegen Ewiggestrige | |
> Knapp tausend BerlinerInnen protestieren gegen das Vereinigungstreffen | |
> von NPD und DVU in Lichtenberg. Die Rechten müssen von der Polizei | |
> eskortiert werden. | |
Bild: Protestierende am Samstag in Lichtenberg. | |
Christian Ströbele kommt natürlich mit dem Fahrrad zur Anti-NPD-Kundgebung | |
auf den Nöldnerplatz. Sein Gesicht strahlt. "Es ist schade, dass wir die | |
Veranstaltung nicht verhindern konnten", sagt der grüne | |
Bundestagsabgeordnete der taz. "Aber ich freue mich, dass wir so viele | |
sind." Knapp 1.000 Berliner sind am Samstag gekommen, um der NPD zu zeigen, | |
dass sie in der Aula der Lichtenberger Max-Taut-Schule nicht willkommen | |
ist. Dort vollziehen die Rechten ihre Fusion mit der DVU. Als draußen aus | |
dem DGB-Lautsprecher "Wir werden immer lauter und wir hör'n nicht auf" | |
erklingt und die Sonne strahlt, kommt Volksfestatmosphäre auf. | |
An der Polizei-Absperrung halten Leute Transparente mit durchgestrichenen | |
Hakenkreuzen und blasen in ihre Trillerpfeifen, wenn Rechte von der Polizei | |
flankiert die Schulaula betreten. Es wehen Fahnen von SPD, Linken, Grünen - | |
und auch von der Piratenpartei. Zahlreich vertreten unter den Demonstranten | |
sind auch Schüler und Lehrer der Max-Taut-Schule, eines Oberstufenzentrums, | |
dessen Gebäude 1932 nach Plänen des Architekten Max Taut als ein Hauptwerk | |
der Reformpädagogischen Bewegung fertiggestellt wurde. | |
"An unserer Schule herrschte Entsetzen, dass wir uns dem Gerichtsurteil | |
beugen und die NPD einlassen mussten", sagt eine Lehrerin. Die Schüler | |
haben die Fenster mit "No-NPD"- und "Berlin-gegen-Nazis"-Plakaten | |
geschmückt. Am Eingang müssen die Rechten nun an einem Aufsteller vorbei, | |
auf dem steht: "Dieser Ort, die Max-Taut-Aula, ist für uns Angestellte der | |
Max-Taut-Schule trotz allem ein Ort der Toleranz und Menschlichkeit." In | |
der Aula selbst bestimmen dagegen die Fahnen von DVU und NPD das Bild. | |
500 Gäste passen hinein. Gut 100 Rechtsradikale, überwiegend hoch betagte | |
Männer, sind gekommen, feiern die Vereinigung der beiden rechten Parteien | |
und schworen sich auf die Wahlkämpfe in diesem Jahr ein. Zur Berlin-Wahl | |
treten sie mit Parteichef Udo Voigt an der Spitze an. "Wir werden in diesem | |
Jahr in mehrere Landtage einziehen und dadurch mehr Gehör finden", heizt | |
Voigt seinen Zuhörern ein. Als Ziele nennt er neben der "Reichshautpstadt" | |
Berlin den Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Aber | |
auch Hamburg, Bremen und Sachsen-Anhalt hält er für realistisch. | |
Etwas Stimmung in die Bude bringen ein paar Gäste in der letzten Reihe, die | |
an Stellen klatschen, die eigentlich nicht im Sinne der NPD sind - etwa als | |
ein Redner die linken Mehrheiten in Berlins Bezirken bedauert. Das können | |
die anwesenden Jusos sowie die grüne Abgeordneten Clara Herrmann und der | |
Rechtsextremismus-Experten der Linken Hans Erxleben natürlich nur begrüßen. | |
"Die Ordner waren über unser Erscheinen völlig verwirrt", erzählt Erxleben. | |
Alexander Freier von den Jusos konstatiert, dass einige NPDler sogar brav | |
dem Applaus der Demokraten gefolgt seien - "ob aus Versehen oder doch aus | |
innerer Überzeugung, ließ sich nicht ermitteln". | |
Tatsächlich haben die Rechten eigentlich wenig zu feiern. Genau 842 | |
Ex-DVUler haben mit Stand von Freitag nach Voigts Angaben einen | |
Aufnahmeantrag in die NPD gestellt. Laut Verfassungsschutz hatte die DVU | |
zuletzt noch 3.000 Mitglieder. Dass in gerade hier in der Max-Taut-Aula, in | |
der die BVV Lichtenberg regelmäßig tagt, kürzlich die NPD-Fraktion zerfiel, | |
weil der ehemalige DVU-Landesvorsitzende Torsten Meyer aus Protest gegen | |
die Fusion ausgetreten war, ist eine weitere Ironie. Aber die Widerständler | |
innerhalb der DVU gegen die Fusion spielt deren Ex-Bundeschef Matthias | |
Faust herunter. Er spricht von "Dissidenten" und "zwei Personen, die sich | |
wichtig nehmen". | |
Vor der Tür leert sich derweil der Nöldnerplatz. Nach 15 Uhr sind viele | |
Gegendemonstranten auf dem Heimweg und die Autonomen dominieren die Szene. | |
Mit der Volksfestatmosphäre ist es vorbei. Die Polizei registriert neun | |
Festnahmen und Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, | |
Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Bianca Klose | |
vom Verein Demokratische Kultur spricht von einem "unverhältnismäßig harten | |
Vorgehen der Polizei gegen einen jungen Mann, den sie von einem Baum | |
herunter holten". | |
Schon vor den Protesten hat Berlins Regierender Bürgermeister Klaus | |
Wowereit (SPD) am Freitag ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD | |
gefordert. "Es zeigt sich, dass der Staat ohne ein solches Verbot immer von | |
Neuem gezwungen werde, den Rechtsradikalen Türen zu öffnen". Das sei, so | |
Wowereit, "unerträglich." Die Senatsbildungsverwaltung hatte die | |
Veranstaltung der NPD an der Schule juristisch verhindern wollen, | |
scheiterte aber vor Gericht. | |
Lichtenbergs linke Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich schloss sich | |
Wowereit am Samstag an. Sie sagte der taz: "Wir müssen die Kräfte für ein | |
neues Verbotsverfahren verstärken. Der Bundesregierung traue ich da keine | |
Initiative zu. Da muss aus den Ländern mobilisiert werden." | |
16 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ex-FDPler geht zur NPD: Illustre Gesellschaft | |
Der Unternehmensberater und frühere FDPler Hans-Ulrich Pieper kandidiert | |
bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst für die NPD. | |
Bürgermeister wechselt von der SPD zur NPD: Im Zweifel rechts | |
Er war Sozialdemokrat und ist Vorstand der Kirchengemeinde - aber Hans | |
Püschel mag nicht mehr. Jetzt ist er zur NPD in Sachsen-Anhalt gewechselt. | |
Ein Ortsbesuch in Krauschwitz. | |
Tausende gegen Rechts auf der Straße: NPD und DVU feiern Fusion | |
In Berlin und Magdeburg gehen Tausende gegen rechtsextreme Veranstaltungen | |
auf die Straße. Nach dem Zusammengehen mit der DVU heißt die Partei nun | |
"NPD - Die Volksunion". |