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# taz.de -- Urlaub auf den Balearen: Suche nach dem anderen Mallorca
> Putzfraueninsel- das war gestern. Längst haben sich Angebot und
> Gästeschar auf der Baleareninsel ausdifferenziert
Bild: Die wilde Landschaft der Tramuntana im Winter.
Der herbstliche Wind streicht über einen Strand, der nun den Hunden und
ihren Herrchen gehört. Der Sparmarkt hat die Saison beendet, genauso wie
die direkt am Meer gelegene Polizeiwache. Im Balneario No. 6 sitzen nur
mehr vier vergessene Kegelbrüder. In den Wind mischt sich der größte Hit
des weltberühmten Discofoxkünstlers Hugo Bär: „Sieben Jahre schlechter
Sex“, klagt er. Nein, der Ballermann ballert nicht an diesem Tag.
Überhaupt ist der Ballermann nicht mehr, was er war. Die Inselregierung hat
dafür gesorgt, dass der Partytourismus sehr viel gesitteter abläuft, und
die Eimer verboten, aus denen früher die Sangria mit Strohalmen gesaugt
wurde. Sie hat die Lautstärke eingedämmt und erste Billighotels abgerissen.
Vor allem hat es Mallorca geschafft, neben dem bekannten Klischee ein neues
zu etablieren.
Dieses neue Klischee lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Mallorca ist
anders. Anders als der Ballermann oder Magaluf, wo sich traditionell die
Briten volllaufen lassen. Anders als die Putzfraueninsel, die die ersten
Pauschaltouristen in den sechziger Jahren besuchten.
In Andratx, abseits der Touristenströme, kommen an einem Samstagabend
Ruheständler aus Nordeuropa mit einer alternativen Szene zusammen, die nach
Mallorca gekommen ist, um zu malen, Yoga zu lernen oder sich selbst zu
finden. Auf der Bühne in einem renovierten Hühnerstall steht eine kleine,
energische Frau und rudert mit den Armen. Tina Horne begrüßt das Publikum
auf Spanisch und wechselt dann in ihre englische Muttersprache. Sie will
den Eindruck vermeiden, hier seien Usurpatoren am Werk. Sie sagt: „Wir sind
das andere Mallorca.“
Das andere Mallorca hört an diesem Abend Debussy und Brahms. „Serenata
Berlin“, eine Kooperation mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin
(DSO), ist eine der beliebtesten Reihen, die Horne in Sa Taronja
organisiert. Eine unter vielen: Der Kalender ist voll mit Veranstaltungen.
Das Gelände, eine umgebaute Geflügelmastanlage, beherbergt Ateliers und
Kursräume, Tanzsaal, Dunkelkammer und ein Biorestaurant.
„Das Ballermann-Mallorca ist immer noch das erste Bild, das die meisten
Menschen von der Insel haben“, sagt Horne ein paar Tage später, während sie
ihren Matetee schlürft. Aber es gebe „ein anderes Mallorca hinter der
Kirmes für die Massen“. Dieses andere Mallorca, sagt sie, ist zwar nicht
das Mallorca der Mallorquiner, es wird getragen von Zugezogenen.
Beispielsweise das Es Balcó. Gelegen am Rande der Altstadt der Hauptstadt
Palma wird hier eine Küche serviert, in der die rustikalen mallorquinischen
Traditionen fantasievoll weiterentwickelt werden. Wer bei Holger Lüttgen
ein Weinseminar bucht, der isst zu den eher erdigen Tropfen, die das
Inselklima hergibt, in Rotwein geschmorte Kalbsbäckchen.
Lüttgen, der zur einen Hälfte in seiner Heimatstadt Köln, zur anderen auf
Mallorca lebt, vermittelt Weinseminare, Besuche bei Winzern oder Kurse bei
Jörg Klausmann, den die Inselpresse nur den „Promikoch“ nennt. Außerdem
bringt Lüttgen Touristen zur berühmten Mandelblüte im Januar oder eben zum
Klassikkonzert in der Kulturfinca Sa Taronja.
„Was ich mache, das gab es bisher noch nicht auf der Insel“, behauptet
Lüttgen. Seine Zielgruppe sind Menschen, „die das Besondere und eine
gewisse Exklusivität schätzen“, seine Firma hat er „Genusswelten“ getau…
Man könnte auch sagen: Lüttgen hat jenem vielbeschworenen anderen Mallorca
einen institutionalisierten Zugang verschafft.
Das ist längst fällig: Mallorca , das vom Tourismus abhängig ist, muss sein
Angebot ausdifferenzieren. Nun, da die spanische Wirtschaftskrise auch die
Insel erfasst hat, wurde Anfang Dezember ein neues Arbeitslosenhoch
vermeldet. Der klassische Pauschaltourismus stagniert, in diesem Sommer
reisten erstmals mehr Deutsche in die Türkei als auf die größte
Baleareninsel. Viele Hotels sind veraltet und fällige
Infrastrukturmaßnahmen stocken, so die lange geplante Umgestaltung der
Playa de Palma, der ein Gutteil der billigen Hotels für die Partytouristen
zum Opfer fallen soll.
Doch die Lokalpolitik ist handlungsunfähig, geschüttelt von
Korruptionsskandalen und Koalitionsstreitigkeiten. Mancher Politiker sitzt
im Gefängnis, andere stehen unter Verdacht. Nirgendwo ist Mallorca so
sichtbar zum Erliegen gekommen wie auf der Baustelle des neuen
Kongresszentrums, mit dem tagende Konzerne und Wissenschaftler angelockt
werden sollten. Wie ein bedrohliches Dinosaurierskelett wacht der Rohbau
über den Strand zwischen Palma und Flughafen. Die Bauarbeiten sind
eingestellt, der Investor ist abgesprungen. Fertiggestellt werden soll nun
mit öffentlichen Geldern. Wann wieder gebaut wird, ist nicht abzusehen.
Sollten die Arbeiten eines Tages weitergehen, Ciro Krauthausen wäre einer
der Ersten, der es erfahren würde. Von seinem Büro im fünften Stock kann
der Chefredakteur der Mallorca Zeitung das Betongerippe sehen. Er glaubt,
„der Leidensdruck ist noch nicht groß genug“. Soll heißen: Noch geht es d…
Tourismus gut genug. Mittelfristig aber, klagt er, wird die „tiefe Krise
der politischen Elite der Insel“, der „Visionen, Mut und zum Teil auch die
Kompetenz fehlen“, zum Problem für die nötige Umorientierung des Tourismus
auf Mallorca werden.
Schlägt man seine Wochenzeitung auf - sie ist eine von zwei
deutschsprachigen auf der Insel -, stößt man allenthalben auf diese
Probleme. Aber auch auf das andere Mallorca, das ein Ausweg sein könnte.
„Mallorca bietet eine große Bandbreite, und die hat sich längst
herumgesprochen“, behauptet Krauthausen. Doch diese Bandbreite erzeugt neue
Probleme. In der Tramuntana, die bald zum Weltkulturerbe erklärt werden
könnte, gibt es Streit: Die ganz Reichen wollen ihre Ruhe und sperren
deshalb in dem wildromantischen Gebirge Wege, auf denen die nicht ganz so
Reichen wandern wollen.
Auch Jürgen Trittin ist regelmäßig auf Schusters Rappen in der Tramuntana
unterwegs. Dabei hat er festgestellt, erzählte er der Mallorca Zeitung,
„man würde dieser Insel sehr unrecht tun, wollte man sie auf das kurze
Stück Schinkenstraße am Balneario sechs reduzieren“. Eine Erkenntnis, die
mittlerweile zum Gemeinplatz geworden ist. „Dieses andere Mallorca“, findet
Krauthausen, „das ist doch auch schon wieder ein Klischee.“
26 Jan 2011
## AUTOREN
Thomas Winkler
## TAGS
Reiseland Spanien
Mallorca
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