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# taz.de -- Debakel der Handballer bei der WM: Heiner Brand bittet um Bedenkzeit
> Bei der Handball-WM hat die deutsche Mannschaft ein desaströses Bild
> hinterlassen. Nach dem Fiasko ist das Team so schweigsam wie ratlos.
Bild: Bank und Brand schauen gleichermaßen hilflos drein.
JÖNKÖPING taz | Die historische Niederlage gegen Norwegen am Dienstag hatte
ihnen die Sprache verschlagen. Bevor sich die deutsche
Handball-Nationalmannschaft zu ihrer letzten Reise während der 22. WM in
Schweden aufmachte, zum trostlosen Spiel um Platz elf gegen Argentinien in
Kristianstad, verschanzten sich Spieler und Trainer. Niemand wolle mit der
Presse sprechen, erklärte lakonisch der Pressesprecher des Deutschen
Handballbundes (DHB), Karl-Bernd Hühnergarth.
Dieses unprofessionelle Verhalten war der letzte Mosaikstein in dem
desaströsen Bild, das der deutsche Handball in Schweden hinterließ. "Der
Ruf des deutschen Handballs hat in den letzten beiden Spielen gelitten",
brachte es Bundestrainer Heiner Brand noch in der Kinnarps Arena auf den
Punkt. Erkennbar angeknockt, heizte Brand die Spekulationen über seinen
Rücktritt mit weiteren Statements an.
Der Gummersbacher erbat ein wenig Bedenkzeit. Geht es nach
DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier, wird sich jedoch gar nichts ändern, bis
der Vertrag Brands im Jahr 2013 ausläuft. "Es gibt keine Trainerdiskussion,
und es gibt auch keine Personaldiskussion, weil wir kein anderes Personal
haben", sagte der Delegationsleiter des DHB in Schweden.
Auch Brand wies mit Sarkasmus auf die dünne Personaldecke hin. "Wenn ich
einen Spieler nachnominieren muss, dann muss ich erst mal in der
Handballwoche nachschauen, ob ich dort noch einen finde", sagte der
58-Jährige nach dem 25:35 gegen Norwegen - exakt den gleichen ironischen
Spruch mit Hinweis auf das Fachmagazin hatte er bereits nach dem verpatzten
Olympia-Turnier von 2008 gebracht. Speziell für den Rückraum, also den
zentralen Mannschaftsteil, der die Spiele im modernen Handball gewinnt,
muss Brand in der Tat mit der Lupe suchen, speziell in Spitzenklubs der
Bundesliga, die als beste der Welt gilt.
Diese Positionen werden bei den vier Spitzenklubs Hamburger SV, THW Kiel,
Füchse Berlin und Rhein-Neckar Löwen von hochbezahlten Legionären aus
Frankreich, Island, Ungarn, Dänemark und Schweden besetzt: Alles Nationen,
die nun bei der WM vor dem DHB rangieren - mit über 800.000 Mitgliedern der
größte Verband der Welt.
Pascal Hens und Michael Kraus spielen zwar beim HSV, dort erfüllen die
beiden vermeintlichen Führungsspieler allerdings eher Marketingzwecke und
spielen sportlich nur die zweite Geige. Sven-Sören Christophersen zählt bei
den Füchsen zu den Leistungsträgern, spielt aber bislang kaum eine Rolle
bei Heiner Brand. Michael Müller (Löwen) ist verletzt, und der beste
deutsche Rückraumakteur des letzten Jahres, Christian Zeitz vom THW Kiel,
ist nach dem olympischen Turnier 2008 zurückgetreten, weil er sich von
Brand schlecht behandelt fühlte.
Die heikle Lage ist zweifellos eine Folge des Bosman-Urteils aus dem Jahr
1995 - und erinnert in ihrem Kern an die Situation des englischen Fußballs,
die in ihrer Sportart als die beste Liga der Welt gilt. Auch dort besetzen
ausländische Profis seit 1995 die Schlüsselpositionen in den führenden
Klubs, worunter die englische Nationalmannschaft leidet: Auch die
englischen Nationalspieler versagen bei großen Turnieren in kritischen
Lagen, weil sie diese Situationen aus ihrem Alltag im Klub nicht kennen.
Vor dieser Folie ist der Tiefpunkt von Jönköping nachvollziehbar und fast
logisch: Die beste Mannschaft, die Brand coachte, war die "Goldene
Generation", die von 2002 bis 2004 bei großen Turnieren viermal
nacheinander ins Finale einzog - die Generation hatte noch vor dem
Bosman-Urteil ihre erste Erfahrungen in der Bundesliga gesammelt. Die
Weltmeistertitel von 2007 in Deutschland war im Grunde der letzte Ausläufer
dieser Generation, die nun komplett zurückgetreten ist.
Die neue personelle Lage stellt den DHB vor ein unlösbares Dilemma. Eine
Mindestquote für deutsche Spieler ist aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht
durchsetzbar, und die Klubs lehnen sie mehrheitlich ab. "Dadurch werden die
deutschen Spieler nicht besser, sondern nur teurer", sagt Löwen-Manager
Thorsten Storm.
26 Jan 2011
## AUTOREN
Erik Eggers
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