Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Frankreich siegt bei Handball-WM: Ultraaggressiv und selbstbestimmt
> Im Finale bezwingen die Franzosen Dänemark und gewinnen damit ihr viertes
> großes Turnier in Folge. Die jüngeren Spieler des Teams versprechen eine
> Fortsetzung dieser einmaligen Serie.
Bild: Ausgelassene Stimmung beim französischen Team nach ihrem Finalsieg.
Der belgische Radprofi Eddy Merckx verdiente sich vor vier Jahrzehnten den
eher unrühmlichen Beinamen "der Kannibale", weil er seinen Konkurrenten nur
zweite Plätze gönnte. Ähnlich unersättlich zeigten sich die französischen
Handballer am Sonntagabend in Malmö, als das Finale der 22. WM mit 37:35
nach Verlängerung gegen Dänemark hinter ihnen lag.
"Wir wollen immer mehr, immer mehr", meinte Torwart Thierry Omeyer (THW
Kiel). "Müde sind wir noch lange nicht", versicherte auch Nikola Karabatic
(HB Montpellier), der unglaubliche Regisseur, der schon vor seiner
formidablen Performance im Finale (zehn Tore) zum besten Spieler des
Turniers gewählt worden war. Und Kapitän Jerome Fernandez (Kiel) erklärte,
bei der EM 2012 in Serbien wolle man sich nun vorbereiten auf das
eigentliche Ziel: die Olympischen Spiele 2012 in London, für das sie sich
als Weltmeister bereits qualifiziert haben.
Aber die Équipe tricolore hatte nach langen Jahren mal wieder etwas
gewackelt in diesem denkwürdigen und am Ende dramatischen Endspiel. Zwar
ließen sie lediglich in der Verlängerung einen Rückstand zu, der
spielstarke Gegner jedoch demonstrierte der Fachwelt, wie diese Franzosen
zu schlagen sind: mit radikalem Tempospiel, schnellen Ballstafetten, Mut
zum Risiko und einem Torwart (Niklas Landin) auf Weltklasseniveau.
In den Minuten, als es um jeden Ball ging, um jeden Torwurf, da scheiterten
die Skandinavier indes an ihren Nerven. Da warfen sie die Bälle auf eine
Weise ins Aus, wie man es auch in der Bezirksliga sieht. "Die Dänen waren
sehr stark", anerkannte später Frankreichs Coach Claude Onesta. "Aber in
den entscheidenden Szenen hat es uns wohl geholfen, dass wir schon ein paar
Titel gewonnen haben."
Ein paar Titel - der Witz war gut. Schließlich avancieren die Franzosen mit
diesem Triumph zur besten Handballmannschaft aller Zeiten. Erstmals gelang
es ihnen, mit Olympia 2008, der WM 2009, der EM 2010 und nun die WM 2010
vier große Turniere in Folge zu gewinnen. Erstmals seit 1974 (Rumänien)
gelang ihnen eine erfolgreiche Titelverteidigung. Und mit Schweden und
Rumänien dürfen sie sich als viermaliger Titelträger nun Rekordweltmeister
nennen. Den jüngeren Semestern ist nur vage bewusst, dass sie Historisches
leisten. "Ich kenne mich mit Handballgeschichte nicht so gut aus", bekannte
Luc Abalo (Ciudad Real), der 26-jährige Flügelspieler mit den Sprungfedern
in den Knöcheln. Die Routiniers aber wissen das. "Wir setzen Meilensteine
in der Geschichte unserer Sportart", sagte Fernandez.
Die Titelserie hat eine Mannschaft geformt, die ohne Trainer auskommt. "Es
hat sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt", so umschreibt es elegant
Kapitän Fernandez. Die Routiniers sprechen sich untereinander ab,
entscheiden auf dem Feld über taktische Änderungen. Der 34-jährige Didier
Dinart hört bei den Auszeiten nicht mal zu; er allein dirigiert die
ultraaggressive 5:1-Abwehr. Auf dem Feld geben Kapitän Fernandez (318),
Regisseur Nikola Karabatic (177) und Kreisläufer Bertrand Gille (HSV, 248)
den Ton an, normalerweise auch Guillaume Gille (HSV) und Daniel Narcisse
(Kiel), die aber verletzt zuschauen mussten.
Doch auch blutjunge Profis halfen den vierten Titel gewinnen. Im Finale
drückten die erst 22-jährigen Halbspieler William Accambray (Montpellier)
und Xavier Barachet (Chambery) dem Spiel ebenfalls ihren Stempel auf. Auch
sie sind bereits mit der nötigen Athletik und Physis ausgestattet, die für
ein solch hartes Turnier (zehn Spiele in 18 Tagen) erforderlich ist. Markus
Baur traute seinen Augen nicht. "So ein Accambray nimmt einfach den Ball
und geht eins gegen eins, egal wer da vor ihm steht. Oder er springt
beidbeinig ab und wirft aus drei Metern Höhe einfach über den Block", sagt
der deutsche Weltmeister von 2007.
Nach London werden Fernandez, der wie Omeyer und Dinart bereits seinen
dritten WM-Titel feierte, und die Gilles womöglich ihre Karriere beenden,
aber das dürfte an der Qualität dieser Ausnahmemannschaft kaum etwas
ändern. Zumal auch Ausnahmekeeper Thierry Omeyer noch ein paar Jahre die
Angreifer erschrecken will. "Nach London werden einige aufhören", erzählt
der 33-Jährige. Er auch? "Nö", sagt er. "Eher nicht."
31 Jan 2011
## AUTOREN
Erik Eggers
## ARTIKEL ZUM THEMA
Handball-Bundestrainer Brand tritt ab: Der ewige Heiner
Nach 14 Jahren gibt Heiner Brand Ende Juni sein Amt als
Handball-Bundestrainer auf. Die Leistungskurve der Nationalmannschaft zeigt
aber schon länger nach unten.
Debakel der Handballer bei der WM: Heiner Brand bittet um Bedenkzeit
Bei der Handball-WM hat die deutsche Mannschaft ein desaströses Bild
hinterlassen. Nach dem Fiasko ist das Team so schweigsam wie ratlos.
Handball-WM in Schweden: Spielmacher auf Formsuche
Der alte Konflikt zwischen Michael Kraus und Nationaltrainer Heiner Brand
ist wieder ausgebrochen. Brand moniert Unkonzentriertheit bei Kraus – der
zeigt sich genervt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.