# taz.de -- Arbeitskampf nach dem Super Bowl: Beim Barte des Hypes | |
> Nach dem Saisonhöhepunkt droht Magerkost: Die eigentlich florierende | |
> National Football League steht vor einem potenziell desaströsen | |
> Arbeitskampf. | |
Bild: Brett Keisels Bart ist mittlerweile schon ein Kultobjekt. | |
BERLIN taz | Zwei Wochen lässt sich die National Football League (NFL) | |
Zeit, um ihr Endspiel zum Medienereignis hochzujazzen. Zwei lange Wochen | |
ohne Football, aber dafür mit reichlich Gelegenheit, die taktischen | |
Feinheiten des Special-Teams-Spiels zu referieren, von den neuesten | |
moralischen Verfehlungen von Ben Roethlisberger, dem Quarterback der | |
Pittsburgh Steelers, zu berichten oder die Unterhosenfarbe des | |
Ersatz-Middle-Linebackers zu recherchieren. Sogar Doping kam diesmal in | |
Dallas während der nicht abreißen wollenden Flut an Pressekonferenzen vor | |
der Super Bowl zur Sprache. Brett Keisel, 130 Kilo schwerer | |
Verteidigungsspezialist der Steelers, stellte klar, er habe niemals | |
"verbotene Mittel zur Verbesserung des Bartwuchses" eingenommen. | |
Da war das Gelächter groß. Trägt der 32-Jährige doch eine gewaltige | |
Gesichtsbehaarung, die sich mittlerweile zum Kult ausgewachsen hat. Keisels | |
Bart besitzt eine eigene Facebook-Seite mit mehr als 20.000 Freunden, er | |
wird in Liedern besungen, und Roethlisberger teilte offiziell mit, wenn er | |
und Keisel gemeinsam auf die Jagd gingen, würde der Freund die Köder in | |
seinem Wildwuchs verstauen. | |
Mittlerweile verkauft Keisel übers eine Website T-Shirts mit dem Spruch | |
"Respect the Beard!". Nur seine Ehefrau kann den Bart nicht leiden, obwohl | |
Keisel ihn mit Shampoo pflegt und gelegentlich sogar "die Vögel und | |
Eichhörnchen herauskämmt". | |
Entschieden weniger Aufmerksamkeit als der lustige Bart bekam in diesen | |
zwei Wochen dagegen ein Thema, das nicht nur Keisel, sondern auch seine | |
ungefähr 2.000 NFL-Kollegen betrifft: Die NFL hat zum 3.März das aktuelle | |
Collective Bargaining Agreement (CBA), eine Art Tarifvertrag zwischen Liga | |
und Spielergewerkschaft, gekündigt, und eine Anschlussvereinbarung ist | |
nicht in Sicht. | |
Die Positionen der beiden Seiten sind momentan so unvereinbar, dass eine | |
Aussperrung droht und der Beginn der neuen Saison im September akut | |
gefährdet ist. | |
Bei der Auseinandersetzung geht es - natürlich - ums Geld, aber auch - und | |
das ist neu im Vergleich zu bisherigen Arbeitskämpfen - um die Gesundheit. | |
NFL-Chef Roger Goodell behauptet, seine Liga sei trotz eines jährlichen | |
Gesamtumsatzes von nahezu 9 Milliarden Dollar nicht gesund, ein Großteil | |
der Teams würde rote Zahlen schreiben. | |
Der Grund sei vor allem, dass fast 60 Prozent der Einnahmen als | |
Spielergehälter ausgezahlt werden müssen. Die Spielergewerkschaft dagegen | |
hat eine Studie vorgelegt, die einen durchschnittlichen Gewinn von 24,7 | |
Millionen Dollar pro Team im vergangenen Jahr errechnet. "Fiktion", | |
behauptet wiederum Goodell, "wir kennen unsere Zahlen schließlich am | |
besten." | |
Die Lösung, die den gordischen Knoten zerschlagen soll, hat die NFL bereits | |
präsentiert: Die Liga-Verantwortlichen wollen die reguläre Saison von 16 | |
auf 18 Spiele aufstocken. Die beiden zusätzlichen Spieltage sollen | |
ausreichend Einnahmen generieren, um die kränkelnden Teams aus der Misere | |
zu holen. | |
Die Spieler allerdings wollen dafür nicht noch länger Körper und Kopf | |
hinhalten. Schon jetzt übersteht kaum ein Aktiver eine Saison | |
verletzungsfrei, Gehirnerschütterungen gehören zum Alltag, obwohl sie wohl | |
zu Langzeitschäden wie Demenz und Parkinson führen. | |
Angesichts solcher Aussichten stellt sich die Gewerkschaft erst mal stur. | |
Die bisherigen Gespräche, so wird vermeldet, waren geprägt von "fehlenden | |
Fortschritten". Die Besitzer bestehen auf ihren Maximalforderungen, die | |
Spieler wollen keine Veränderungen. | |
Die Gewerkschaft allerdings, so wird nun gemunkelt, würden sich die zwei | |
zusätzlichen Spiele abkaufen lassen, wenn so die bisherigen Gehälter | |
abgesichert werden könnten und zusätzlich eine bessere Rentenversorgung | |
installiert würde. Das aber ist Zukunftsmusik: In den letzten Tagen | |
erweckte Goodell nicht den Eindruck, dass er mit einem planmäßigen Beginn | |
der neuen Saison rechnet. | |
Unterdessen hat Brett Keisel - zum Missfallen seiner Ehefrau - erklärt, er | |
werde den Bart weiterwachsen lassen, bis Pittsburgh mal wieder ein Spiel | |
verliert. Sollten die Steelers also die Super Bowl gewinnen und die Spieler | |
streiken, dann droht Mrs Keisel ein sehr langes, sehr kratziges Jahr. | |
4 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Play-Offs in der American-Football-Liga NFL: Mit dem Kopf voraus | |
Die Green Bay Packers schlagen den Erzrivalen Chicago Bears und ziehen in | |
die Super Bowl. Zu verdanken haben sie das vor allem ihrem Quarterback | |
Aaron Rodgers. | |
Playoffs in der NFL: Das Arschloch und der Zehliebhaber | |
Die New York Jets und ihr schillernder Chefcoach Rex Ryan gewinnen den | |
Krieg der Großmäuler. Gegen den großen Favoriten New England gewinnen sie | |
28:21. | |
American Football: Ein Bodygard für den Star-Spieler | |
Der Deutsche Sebastian Vollmer spielt beim NFL-Primus New England Patriots | |
den Bodyguard von Star-Quarterback Tom Brady. Vollmer ist der einzige | |
Deutsche in der NFL-Liga. |