# taz.de -- Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Demos auf Flughäfen erlaubt | |
> Auf Flughäfen, Bahnhöfen oder kommunalen Einkaufszentren darf künftig | |
> protestiert werden. Das Bundesverfassungsgericht stärkt mit seinem Urteil | |
> die Versammlungsfreiheit. | |
Bild: Für mehr Versammlungsfreiheit darf künftig auch auf Flughäfen demonstr… | |
KARLSRUHE taz | Auch auf dem Frankfurter Flughafen gilt die | |
Versammlungsfreiheit. Dies entschied jetzt der Erste Senat des | |
Bundesverfassungsgerichts. Erfolg hatte dabei eine Klage der Aktivistin | |
Julia Kümmel, die sich am Flughafen regelmäßig gegen Abschiebungen | |
eingesetzt hatte. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das gegen Kümmel | |
verhängte unbefristete Hausverbot für rechtswidrig. | |
Künftig können auf dem Flughafen Demonstrationen und Kundgebungen | |
stattfinden, ohne dass beim Flughafenbetreiber Fraport um Erlaubnis gefragt | |
werden muss. Dabei dürfen nicht nur Flugblätter verteilt werden, es darf | |
auch mit Transparenten und Sprechchören durch Flughafengebäude gezogen | |
werden. Entscheidend war für die Richter, dass die Fraport überwiegend der | |
öffentlichen Hand gehört. | |
31,5 Prozent der Aktien hält das Land Hessen, 20 Prozent die Stadt | |
Frankfurt. Deshalb müsse die Fraport, auch wenn sie formal eine private | |
Aktiengesellschaft ist, die Versammlungsfreiheit gewähren. "Eine Flucht aus | |
der Grundrechtsbindung ins Privatrecht ist dem Staat verstellt", betonte | |
Ferdinand Kirchhof, der konservative Senatsvorsitzende. Die Entscheidung | |
fiel mit 7 zu 1 Richterstimmen. | |
Die Richter nannten allerdings auch zahlreiche Einschränkungen. So gilt das | |
Versammlungsrecht auf dem Flughafen nur in den "als öffentliche Foren | |
ausgestalteten Bereichen", also dort, wo der Airport wie ein Marktplatz zum | |
Flanieren und Verweilen einlädt, wo es viele Geschäfte, Cafés und | |
Dienstleistungen gibt. In den einzelnen Läden und Restaurants darf aber | |
nicht demonstriert werden, auch nicht bei der Gepäckabfertigung, weil diese | |
nur einer speziellen Funktion gewidmet ist. Ebenso soll der Bereich hinter | |
den Sicherheitskontrollen tabu sein. | |
Zudem müssen Demonstrationen im Flughafen - wie Kundgebungen unter freiem | |
Himmel - vorher beim Frankfurter Amt für öffentliche Ordnung angemeldet | |
werden. Außerdem kann die Fraport eine Ankündigung der Veranstaltung | |
verlangen. Spontanversammlungen müssen allerdings möglich bleiben, so die | |
Richter, etwa wenn kurzfristig die Ankunft eines umstrittenen Staatsgastes | |
bekannt wird. | |
Nach der Anmeldung können Versammlungsbehörde und Fraport prüfen, ob | |
Beschränkungen erforderlich sind. Dabei sei auch die besondere | |
Störungsanfälligkeit eines Flughafens zu beachten, erklärte das Gericht. So | |
könnten etwa Trillerpfeifen, Trommeln und Megafone untersagt werden, damit | |
Durchsagen hörbar bleiben. Auch könnten größere Demonstrationen verboten | |
werden, wenn sie den Flugbetrieb beeinträchtigen. Die Fraport könne | |
derartige Beschränkungen auch in einer generellen | |
"Flughafenbenutzungsordnung" festhalten. | |
Für ein Verbot nicht ausreichend wäre jedoch, dass die Fraport die | |
"Wohlfühlatmosphäre" am Flughafen beeinträchtigt sieht. Auch Kritik an | |
ihrer Geschäftspolitik oder den Praktiken der Fluggesellschaften kann sie | |
nicht unterbinden. Insofern hat sie ein deutlich schwächeres Hausrecht als | |
zum Beispiel ein privates Warenhaus. | |
Die Karlsruher Entscheidung gilt nicht nur für fast alle Flughäfen in | |
Deutschland. Sie ist auch übertragbar auf Bahnhöfe, weil die Deutsche Bahn | |
ebenfalls ein öffentlich beherrschtes Unternehmen ist. | |
Klägerin Kümmel kündigte gestern im Gerichtssaal an, sie werde sich "auch | |
weiterhin am Flughafen für Flüchtlinge einsetzen". (Az.: 1 BvR 699/06) | |
22 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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