# taz.de -- Dozentin über die Aufstände in Libyen: "Die Menschen haben den Di… | |
> Das libysche Volk hat genug von Gaddafi. Dr. Jacqueline Passon, selbst in | |
> Libyen aufgewachsen, über den Stimmungswechsel der letzten Jahre. | |
Bild: Die Menschen in Libyen sind mutiger geworden. Sie haben genug von ihrem D… | |
taz: Frau Passon, wie war die Stimmung, als sie zuletzt in Libyen waren? | |
Dr. Jacqueline Passon: Seit zwei bis drei Jahren beobachte ich, dass die | |
Menschen spürbar mutiger geworden sind. Man wurde als Ausländer plötzlich | |
auf der Straße angesprochen: Eine Lehrerin, die mit der ganzen Klasse | |
unterwegs war, wollte, dass ich im Ausland berichte, dass die Familie | |
Gaddafi weg muss. Die Familie gebe Millionen für die Hochzeit einer | |
Gaddafi-Tochter aus, das Volk aber werde am Reichtum des Landes kaum | |
beteiligt. Dass allerdings ein großer Aufstand bevor steht, konnte bis | |
damals noch niemand ahnen. | |
Wie erklären Sie sich den Stimmungswechsel in den letzten Jahren? | |
Man sollte da zwischen dem Osten und dem Westen des Landes unterscheiden. | |
Im Osten war man Ghaddafi gegenüber schon immer sehr kritisch eingestellt. | |
Wahrscheinlich haben die Menschen nach 42 Jahren ihren Diktator einfach | |
satt. Sie wissen ja über Internet und Fernsehen Bescheid, was in der Welt | |
los ist. Die Libyer sind sehr stolz auf ihr Land und können nicht | |
verstehen, dass der Westen schlecht von ihm denkt. Womöglich wissen sie | |
jetzt, dass das schlechte Image von Libyen sehr viel mit Gaddafi zu tun | |
hat. | |
Wer sind die Aufständischen? | |
Das ist die große Frage, wer diesen Aufstand gepuscht hat. Ich kann mir | |
nicht vorstellen, dass das nur unzufriedene Jugendliche sind. Es gibt vor | |
allem im Osten des Landes starke Stammesführer, die zum Teil mit Gaddafi | |
noch Rechnungen offen haben. Die haben offenbar Morgenluft gewittert und | |
sich von ihm abgewendet. Und wenn der Stammesführer entscheidet, stehen | |
hinter ihm eine Menge Leute. | |
Wie ist die Gesellschaft in Libyen strukturiert? | |
Wirtschaftlich gesehen geht es den meisten Libyern deutlich besser als den | |
Tunesiern und Ägyptern. Allerdings sind die jungen Erwachsenen sehr | |
schlecht ausgebildet. Die 20- bis 40-Jährigen sprechen kaum Fremdsprachen. | |
Seit Jahrzehnten herrscht ein ziemlicher Stillstand. So wurden die | |
staatlichen Renten für die Bürger seit 25 Jahren nicht erhöht, während die | |
Familie Gaddafi immer reicher wurde. Das hat viele Libyer verärgert. | |
Wie geht es weiter, wenn Gaddafi weg ist? | |
Bisher hat sich keiner der Stammesführer an die Spitze des Aufstands | |
gestellt. Als ich die Libyer fragte, die Gaddafi loswerden wollte, wer denn | |
dann die Macht übernehmen soll, konnten sie niemanden nennen. Vielleicht | |
schlägt jetzt die Stunde für einen der mächtigen Stämme aus dem Osten des | |
Landes. Von dort stammt auch der ehemalige König Idris as-Senussi. Seine | |
Familie wurde nach seinem Sturz entmachtet, aber sie konnte ihr Vermögen | |
behalten. Natürlich hat diese Familie mit Gaddafi noch eine Rechnung | |
offen.Aber es ist zu früh, um zu sagen, wer sich letzten Endes wird | |
durchsetzen können. | |
25 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Carmen Reichert | |
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