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# taz.de -- Gewerkschaftsprotest in den USA: Wisconsins Parlament bleibt besetzt
> Seit Tagen harren Hunderte im Kapitol in Madison aus. Sie wehren sich
> gegen ein geplantes gewerkschaftsfeindliches Gesetz. Eine Räumungsfrist
> ignorierten sie. Der Gouverneur droht mit Entlassungen.
Bild: Bunter Protest in der Rotunde - der Showdown mit der Polizei blieb aus.
MADISON dapd | Hunderte Demonstranten haben am Sonntag einem Ultimatum
getrotzt, das Kapitol in der Hauptstadt des US-Staats Wisconsin zu räumen.
Aus Protest gegen eine gewerkschaftsfeindliche Gesetzesvorlage harren sie
seit zwölf Tagen in dem Parlamentsgebäude von Madison aus.
In Erwartung eines Showdowns mit der Parlamentspolizei, so die [1][New York
Times], hatten sich am Sonntagnachmittag rund 1.000 Demonstranten im ersten
und zweiten Stockwerk der Rotunde des Kapitols versammelt. Die
Parlamentsverwaltung hatte die Frist zum Verlassen des Gebäudes für vier
Uhr gesetzt. Rund 200 Demonstranten kamen der Aufforderung zur Räumung
nach.
Die Sprecher der Besetzer konnten die Mehrzahl der Demonstranten jedoch
davon überzeugen, im Kapitol auszuharren. Sie forderten dazu auf, friedlich
zu bleiben und sich gegenüber der Polizei freundlich zu verhalten. Im
Gegenzug erklärte die Polizei, sie werde das Gebäude nicht gewaltsam
räumen. Die Demonstranten könnten eine weitere Nacht im Kapitol bleiben,
sollten aber in höher gelegene Stockwerke ziehen. Solange sie das Gesetz
befolgten, würden sie nicht festgenommen, sagte der Chef der
Parlamentspolizei, Charles Tubbs. Während die Sicherheitskräfte am Sonntag
lediglich neue Demonstranten daran hinderten, das Kapitol zu betreten,
riefen die Besetzer im Inneren des Gebäudes: "Wir protestieren friedlich!"
und "Die ganze Welt schaut auf uns!".
Die umstrittene Initiative des republikanischen Gouverneurs Scott Walker
sieht vor, fast allen öffentlich Bediensteten das Recht auf kollektive
Tarifverhandlungen abzuerkennen. Walker will damit das Defizit im
Staatshaushalt eindämmen. Der Entwurf ist bei Demokraten und Gewerkschaften
landesweit auf Empörung gestoßen. Sie sehen darin eine Missachtung der
Rechte von Arbeitnehmern.
Laut New York Times trat Walker am Sonntag in der NBC-Sendung "Meet the
Press" auf und bekräftigte dort, dass er von seinem Vorhaben nicht abrücken
werde. ER drängte die 14 demokratischen Senatorinnen und Senatoren
Wisconsins, die sich geschlossen in den Nachbarstaat Illinois begeben
hatten, um so die Beschlussunfähigkeit der Legislative herbeizuführen und
die Verabschiedung des Gesetzentwurfs zu verhindern, nach Madison
zurückzukehren.
Wiederholt warnte er, die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes würden
Kündigungsschreiben erhalten, falls das Gesetz nicht rasch durch das
Parlament gebilligt werde. Der Senator nannte eine Zahl von 1.500
Angestellten, die das konkret beträfe. Walker sagte: "Wenn wir die
geplanten Veränderungen nicht durchkriegen und die demokratischen Senatoren
nicht zurückkommen, dann werden wir gezwungen sein, die Einsparungen durch
Entlassungen zu erzielen, und das ist unakzeptabel für mich." Viele Lehrer,
so die New York Times, seien unterdessen schon von den Schulbehörden
darüber unterrichtet worden, dass sie mit ihrer Freisetzung rechnen
müssten.
Weiter beschuldigte Walker frühere Gouverneure, das Problem der leeren
Kasse auf die lange Bank geschoben zu haben. Demokratische Politiker und
Gewerkschaften halten aber dagegen, dass Walker die Budgetkrise lediglich
instrumentalisiere, um die Gewerkschaften, traditionell die Gegenspieler
der Republikanischen Partei, auszuweiden. Die Beschneidung kollektiver
Tarifverhandlungsrechte werde keinerlei Auswirkung auf den klammen Haushalt
von Wisconsin haben. Zudem weisen sie darauf hin, dass die Gewerkschaften
schon Walkers Plänen zugestimmt hätten, die Nettolöhne der öffentlich
Beschäftigten bis zu 10 Prozent zu kürzen, um damit die Pensionskassen und
die staatliche Krankenversicherung zu finanzieren.
Am Wochenende beteiligten sich mehr als 70.000 Menschen an
Solidaritätskundgebungen in New York, Los Angeles und zahlreichen anderen
Städten des Landes. Bei der Demonstration in Madison dankte der
Schauspieler Bradley Whitford ("The West Wing") den Demonstranten für ihr
Kommen, "um diese lästigen Verfassungsrechte auszuüben". "Dieser Gouverneur
muss begreifen, dass Wisconsin ein eigensinniger Wahlkreis ist. Wir fischen
durch Eis hindurch!".
Auch in den Bundesstaaten Indiana und Ohio protestieren Beschäftigte des
öffentlichen Dienstes gegen ähnliche Gesetze zur Beschneidung
gewerkschaftlicher Macht. Allerdings gilt Wisconsin aufgrund seiner
Tradition als gewerkschafliche Hochburg als entscheidend im Kampf der
wiedererstarkten Republikanischen Partei gegen die in ihren Augen zu
mächtigen Arbeitnehmervertreter.
28 Feb 2011
## LINKS
[1] http://www.nytimes.com/2011/02/28/us/28wisconsin.html?_r=1&hpw
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