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# taz.de -- Erdogans Äußerungen zur Integration: Interesse am "Doppelpass lig…
> Nach seiner Rede vom Sonntag erntet der türkische Ministerpräsident
> Erdogan viel Widerspruch der deutschen Politik. Einer seiner Vorschläge
> wird jedoch positiv aufgenommen.
Bild: Nimmt normalerweise keine Hand vor den Mund: Der türkische Ministerpräs…
BERLIN dpa/rtr | Die Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Recep
Tayyip Erdogan zur Integration von Landsleuten in Deutschland sorgen weiter
für Debatten. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer
(CDU), wies Erdogans Forderung zurück, Kinder aus türkischen Familien, die
in Deutschland leben, sollten zunächst ihre Muttersprache lernen und dann
Deutsch. "Die Sprache des Landes, in dem man auf Dauer bleibt, muss Vorrang
haben", sagte sie der Passauer Neuen Presse.
Erdogan hatte mit seiner Forderung, die er am Sonntagabend bei einem
Auftritt vor rund 10.000 Menschen in Düsseldorf erhoben hatte, heftige
Reaktionen bei führenden FDP- und Unionspolitikern ausgelöst. Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) äußerte sich hingegen weniger kritisch. Sie sagte am
Montagabend bei der Eröffnung der Computermesse Cebit in Hannover, sie
setze nach wie vor darauf, dass junge Türken auch Deutsch lernen. Viele
Türken aus der Gastarbeiter-Generation seien heute gut integriert - auch
dank ihrer deutschen Sprachkenntnisse.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz
(CDU), sagte der Frankfurter Rundschau, er könne an den Äußerungen "nichts
Kritikwürdiges erkennen", zumal Erdogan ja auch an seine in Deutschland
lebenden Landsleute appelliert habe, auf Bildung und Karriere zu setzen.
"Viele Sprachexperten betonen, man müsse zunächst seine Muttersprache
beherrschen, bevor man sich die des Landes aneignet, in dem man lebt."
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir wies die Warnung des türkischen
Ministerpräsidenten an seine in Deutschland lebenden Landsleute vor einer
kulturellen Verschmelzung zurück. "Assimilation ist eine individuelle
Entscheidung, in die sich niemand einzumischen hat", sagte der
türkischstämmige Grünen-Politiker der Zeitung Die Welt. Mit Martin Schulz,
dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament,
kritisierte erstmals auch ein ranghoher SPD-Politiker den türkischen
Regierungschef für dessen Äußerungen. "Was Erdogan macht, hat wenig mit
Integration in Deutschland zu tun, aber viel mit Propaganda in der
innentürkischen Debatte", sagte Schulz dem Hamburger Abendblatt.
Erdogans Auftritt in Düsseldorf sei "unangemessen" gewesen. Es könne nicht
sein, dass Erdogan Wahlkampf in Deutschland betreibe, betonte
SPD-Vorstandsmitglied Schulz. "Für einen EU-Beitritt der Türkei ist
Erdogans Politik sicherlich kontraproduktiv", sagte der Europa-Politiker.
Auch Schulz stellte sich gegen die Forderung des türkischen
Ministerpräsidenten, dass die Kinder türkischer Migranten in Deutschland
zuerst die türkische und dann erst die deutsche Sprache lernen sollten.
"Wer türkischen Kindern nicht empfiehlt, in dem Land heimisch zu werden, in
dem sie leben, schadet ihnen", sagte Schulz.
## Doppelpass light
Als einen "sehr interessanten Vorschlag" bezeichnete die
Integrationsbeauftragte Böhmer jedoch einen von Erdogan vorgesehenen
Doppelpass light für Deutsch-Türken. "Die Bundesregierung wird das sehr
genau prüfen", kündigte sie in der Passauer Neuen Presse an: "Wir
unterstützen alles, was der Integration in Deutschland dient." Erdogan
hatte in Düsseldorf eine Gesetzesänderung in der Türkei angekündigt.
Demnach sollen künftig alle, die den türkischen Pass abgeben und sich in
Deutschland einbürgern lassen, eine sogenannte Blaue Karte erhalten, die in
der Türkei die Funktion eines Personalausweises erfüllen soll und ein
Aufenthaltsrecht garantiert.
Dies würde auch bedeuten, dass in Deutschland eingebürgerte Türken auf
Erbansprüche in ihrer früheren Heimat nicht verzichten müssten, was bisher
viele von einem Antrag auf einen deutschen Pass abgeschreckt haben soll.
Auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende Klaus Wowereit begrüßte die
Pläne, mit denen Erdogan seinen in Deutschland lebenden Landsleuten die
Entscheidung für einen deutschen Pass erleichtern will. "Die angekündigte
Reform des türkischen Staatsbürgerschaftsrechts ist ein Anreiz, der helfen
wird, Identitätskonflikte zu minimieren und Integration zu fördern",
erklärte Berlins Regierender Bürgermeister in einer Mitteilung. Aber auch
die Bundesregierung müsse sich bei Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts,
etwa der doppelten Staatsbürgerschaft, bewegen.
1 Mar 2011
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