# taz.de -- Kunstmuseum auf Föhr: Das Weiße im Graugrünen | |
> Wo sich der kuratorische Blick nicht aufs Maritime beschränkt: Das | |
> "Museum Kunst der Westküste" auf der Insel Föhr ist sehr viel besser, als | |
> es der großstädtische Kulturfreund erwarten dürfte. | |
Bild: Dies ist nicht die Nordsee: Ihre Videoarbeit "Touch" drehte Janine Antoni… | |
"Ja, da hat der Paulsen uns Föhrern was Anständiges hinterlassen", sagt die | |
Vermieterin. Dann schaut sie in die Ferne, über die Felder, die ihr Mann | |
gerade mit Gülle düngt. | |
Die Gastwirtschaft, also das Restaurant, das zum Kunstmuseum gehöre, gut, | |
die sei nicht nach ihrem Geschmack, das sagt die Vermieterin auch noch: | |
Gemütlich sei die nicht, zu groß und zu klobig, und das sei nicht nur ihre | |
Meinung, das sähen die meisten hier so. | |
Feste Mauern und ein Reetdach - aber damit hören die Gemeinsamkeiten mit | |
einem ortsüblichen Bauernhaus auch auf: Das "Museum Kunst der Westküste", | |
gerade für den Titel "Museum des Jahres" nominiert, ist ein moderner | |
Zweckbau. | |
Über seinen Zweck hinaus - Kunst ausstellen zu können vom schmalen Ölbild | |
bis zur aufwändigen Videoprojektion - erschafft er eine ganz eigene Welt. | |
Kaum im Inneren, hat man schon bald das Außen vergessen - allein schon, | |
weil es hier so unsagbar weiß und hell gehalten ist, während sich draußen | |
jenes Schwarz, Braun oder allenfalls mal Graugrün vom Regen nasser Wiesen | |
und Felder erstreckt. | |
Entworfen hat den Bau der Kappelner Architekt Gregor Sunder-Plassmann, der | |
zurzeit in Istanbul das "Museum der Unschuld" des Orhan Pamuk realisiert. | |
Der Name "Museum Kunst der Westküste" weist in zwei Richtungen: Einerseits | |
sollen hier künstlerische Positionen eine Heimstatt finden, die an der | |
Westküste der Nordsee zwischen Norwegen und Holland vorzugsweise zwischen | |
1830 und 1930 formuliert wurden. | |
Andererseits sollen die heutigen Bewohner der deutsch-friesischen | |
Westküste, die Leute von Heide, Bredstedt oder Niebüll, mit aktueller Kunst | |
versorgt werden. | |
Wie gut das funktioniert, zeigt sich zum Beispiel bei einer | |
Ausstellungseröffnung, wo es zugeht wie auf einem Familientreffen: Jeder | |
scheint jeden zu kennen, alle haben sich fein herausgeputzt. Männer, die | |
sonst wuchtige Traktoren fahren, beugen sich vorsichtig über Vitrinen. Zwei | |
Feuerwehrmänner in schwerer Montur schieben sich durch die gut gefüllten | |
Räume. | |
Ein Hauch von kulturellem Frühling liegt in der Luft. Und gerade der | |
Großstädter kann einmal durchatmen - er wird hier nicht das übliche | |
Vernissagen-Geschnatter hören, von wegen welche Position mal wieder | |
überschätzt sei und welche Arbeit absolut übercodiert. | |
Das Ausstellungsprogramm für das erste Halbjahr beweist, wie sehr der | |
Spagat gelingt zwischen Tradition und Moderne, zwischen Lokalem und | |
Internationalem: Föhr und New York, das ist kein Widerspruch - und das | |
nicht nur, weil einst so mancher Insulaner, von Not und Hunger getrieben, | |
sich aufmachte in die Neue Welt. | |
Zurück in die Vergangenheit weist eine Übersicht über das fotografische | |
Werk der Dänin Caroline Hammer, die ab 1860 eines der ersten Fotoateliers | |
im Hauptort Wyk führte. | |
Ihre Arbeiten, noch auf zu belichtende Glasplatten gebannt, erzählt von den | |
Anfangstagen der Portraitfotografie. Aber es finden sich darin auch erste | |
Ansätze einer systematischen Architekturfotografie. | |
Im Gegensatz dazu steht die Videoarbeit "Touch" von Janine Antoni: Die | |
Künstlerin balanciert auf dem Horizont, bestrebt, nicht den Halt zu | |
verlieren. Ganz nebenbei kann diese Arbeit auch als Kommentar zum Image der | |
Insel gelesen werden: Auf Föhr agiert wie überall eine Marketing-Abteilung | |
und die hat sich in den letzten Jahren einen besonders kryptischen Slogan | |
einfallen lassen: Föhr sei die Karibik der Nordsee! | |
Janine Antoni wiederum, die in New York lebt, stammt aus Freeport, Grand | |
Bahama, und hat es sich nicht nehmen lassen, ihre Kamera in der Nähe ihres | |
Elternhauses aufzustellen. Was da zu sehen ist, ist also die echte Karibik. | |
Sehr schön ist auch das Kabinett mit Fundstücken der Schweizerin Ursula | |
Stalder: kleine, seltsam verbogene Plastikteile etwa hat sie sorgsam | |
drapiert, Gegenstände, wie man sie beim Strandspaziergang findet und | |
manchmal auch mitnimmt. | |
Eine Arbeit, die Stalder eigens für das Föhrer Museum geschaffen hat. Sonst | |
pflegt sie Sammlungen anzulegen, die ob Fülle und Gewicht einzelner | |
Exponate schon mal mit dem Tieflader transportiert werden müssen. Hier aber | |
würde ihr Schatz auch in eine Reisetasche passen. | |
Das Obergeschoss ist mit auf den ersten Blick recht klassischen Radierungen | |
von Wolfgang Werkmeister bestückt - die allerdings zeigen die Föhrer Küste | |
als eine Kulturlandschaft, zu der Zaun und betonierter Wirtschaftsweg | |
ebenso gehören wie die Wolkenbänke über dem offenen Meer. | |
Ganz nebenbei gibt es hier Einblicke in die hauseigene Sammlung: Schätze | |
etwa von Isaac Israelis, Andreas Schelfhout oder Viggo Johansen im | |
Goldrahmen. | |
Im Mai wird die dänische Künstlergruppe "Superflex" zu Gast sein, im | |
kommenden Jahr dann ist eine Ausstellung mit den australischen | |
Künstlerinnen Margaret und Christine Wertheim geplant, die seit einiger | |
Zeit an einem Modell des Great Barrier Reef stricken. | |
"Stricken, Häkeln ist ja wieder schwer in Mode", sagt Museumsleiter | |
Thorsten Sadowsky - und überlegt bereits, wie er die Föhrer Landfrauen in | |
dieses Ausstellungsprojekt einbinden könnte. | |
Ging der kuratorische Blick des Museums anfangs erst einmal hinaus aufs | |
Meer und weiter bis zum Horizont, soll in den nächsten Jahren das | |
thematische Feld "Interieur" beackert werden, mithin die Welt der | |
Innenwelten: "Die Friesenstube", sagt Sadowsky, "ist ja bei uns ein | |
wichtiger sozialer Ort." | |
Die Formulierung "bei uns" ist von besonderer Bedeutung: Eigentlich hatte | |
Sadowsky das Museum nur aufbauen wollen, es in Gang bringen, erste | |
Ausstellungen ausrichten und weitere planen. | |
Damit sein Nachfolger etwas vorfinden würde, wenn er selbst schon wieder | |
auf dem Weg nach Süddeutschland wäre. Aber er ist auf Föhr geblieben, ja | |
hat hier Wurzeln geschlagen, und wie er so durch das Haus geht, wirkt das | |
nicht so, als würde er das bereuen. | |
Da habe "der Paulsen uns Föhrern was Anständiges hinterlassen", hatte die | |
Vermieterin gesagt. Die Gründungsgeschichte des Museums ist eng verbunden | |
mit jenem Professor h. c. Frederik Paulsen, wie er sich am Ende seines | |
Lebens nennen durfte: Friedrich Paulsen, geboren 1909 in Dagebüll, | |
studierte in Kiel Medizin und hoffte 1933 vergeblich auf Gegenwehr gegen | |
die Nazis. | |
Als er gegen die Ermordung eines Kieler Sozialdemokraten protestierte, kam | |
er für 18 Monate in Haft. Kaum wieder frei, emigrierte er über die Schweiz | |
nach Schweden, wo er ein heute weltweit agierendes Pharmaunternehmen | |
gründete, dessen Gewinne er immer wieder in Kunst und Kultur investierte. | |
Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Paulsen Verbindung nach Föhr auf. Er | |
sorgte sich um den Fortbestand der friesischen Sprache - und gründete das | |
Nordfriesische Institut. Sein Vermögen überführte er in eine Stiftung, die | |
nun das Museum trägt. | |
Dessen Eröffnung hat Paulsen nicht mehr erlebt: Er starb 1997 in seinem | |
Haus auf Föhr. Aber er hat ein Museum auf den Weg gebracht, das zunehmend | |
auch jene beachten, die ihre Dachgeschosse an erholungswillige Großstädter | |
vermieten: Jetzt will sie aber mal weitermachen, die Vermieterin, als | |
Bäuerin. Ist um kurz nach sechs aufgestanden, wie jeden Tag. So ist das | |
hier. | |
Museum Kunst der Westküste, Hauptstr. 1, Alkersum/Föhr; [1][www.mkdw.de] | |
2 Mar 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.mkdw.de | |
## AUTOREN | |
Frank Keil | |
## TAGS | |
Fotografie | |
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