# taz.de -- Datenklau bei Renault: Das Spionage-Soufflé | |
> Drei Spitzenleute des Autobauers Renault sollen Interna an asiatische | |
> Konkurrenten verkauft haben. Doch die Beweise fehlen. Suspendiert wurden | |
> sie trotzdem. | |
Bild: Eine ganze Horde von Spionen begutachtet hochoffiziell einen Renault auf … | |
PARIS taz | Die Geschichte klang für die Konzernleitung von Renault | |
eigentlich plausibel: Drei Spitzenleute verraten Betriebsgeheimnisse über | |
Elektroautos und Batterien an Konkurrenten aus Asien und bekommen dafür | |
viel Geld auf Schweizer Konten überwiesen. | |
Anfang des Jahres wurden die drei führenden Angestellten deshalb | |
suspendiert, ihnen drohten die fristlose Entlassung und ein Strafverfahren. | |
Sie sollen allerdings aus allen Wolken gefallen sein, als der interne | |
Sicherheitsdienst sie am ersten Arbeitstag des neuen Jahres aufforderte, | |
unverzüglich ihr Büro zu verlassen und sie manu militari vor die Tür | |
setzte. Die Akten und Computer blieben als potenzielles Beweismaterial im | |
Unternehmen. Für die Gruppe Renault-Nissan ist die Elektromobilität ein | |
zentraler strategischer Bereich, in den bereits 4 Milliarden Euro | |
investiert wurden. | |
Intern war der Schock gewaltig. Bei den Beschuldigten handelt es sich um | |
prominente Spitzenleute: Michel Balthazard, ein Mitglied der obersten | |
Unternehmensleitung, sein für Projektplanung zuständiger Vize, Bertrand | |
Rochette, sowie der erst 33-jährigen Leiter des Projekts Elektromobile, | |
Mathieu Tenenbaum. Sie beteuern ihre Unschuld. Erst im Nachhinein reichte | |
Renault Klage ein, womit die Spionagegeschichte erst publik wurde. Die | |
Medien hatten keinen Grund, eine so brisante und spannende Version der | |
Renault-Führung nicht zu glauben. Unter anderem die Spezialisten der | |
Pariser "Schule für ökonomischen Krieg" durften ausgiebig über die gängigen | |
Praktiken illegaler Beschaffung technologischer Geheimnisse oder interner | |
Betriebsinformationen aufklären. | |
Skeptischer war die für Spionageabwehr zuständige Direction Centrale du | |
Renseignement Intérieur (DCRI). Zunächst, weil Renault in aller Diskretion | |
private Schnüffler ermitteln ließ, statt sich der kompetenten Behörde | |
anzuvertrauen. Die Detektive hatten nach Hinweisen in einem anonymen Brief | |
angeblich in kürzester Zeit in Erfahrung gebracht, dass die drei | |
Verdächtigen für ihre Treulosigkeit größere Geldbeträge auf Konten in der | |
Schweiz oder Liechtenstein kassiert hätten. | |
Renault-Chef Carlos Ghosn war persönlich von der Wahrheit der | |
Anschuldigungen überzeugt und stellte sich hinter die internen | |
Ermittlungsmethoden. Die Überprüfung durch die DCRI fällt nun ziemlich | |
ernüchternd für ihn aus: Fest steht, dass weder Tenenbaum ein Konto bei der | |
Zürcher Kantonalbank hat noch Rochette bei der Migros-Bank. Die | |
Liechtensteiner Behörden bestätigten bereits, auch ohne offizielles Gesuch | |
aus Frankreich, dass auch bei der Liechtenstein Global Trust kein Klient | |
namens Balthazard bekannt sei, der 550.000 Euro von einer asiatischen Firma | |
erhalten haben soll. | |
Damit droht die Geschichte einer vermeintlich erfolgreichen Abwehr | |
fernöstlicher Spionage wie ein misslungenes Käse-Soufflé in sich | |
zusammenzufallen. Renault-Vizepräsident Patrick Pélatat musste jetzt der | |
Regierung kleinlaut mitteilen, man habe sich vielleicht doch getäuscht. | |
Falls sich herausstelle, dass die ehemaligen Mitarbeiter zu Unrecht | |
verdächtigt wurden und Renault Opfer einer "Manipulation" sei, würden die | |
drei selbstverständlich rehabilitiert und wieder eingestellt werden - falls | |
sie das noch wünschten. Er selbst sei auch bereit, die Konsequenzen aus der | |
Situation zu ziehen. Ghosn möchte rasch das Thema wechseln: Damit Renault | |
alle Lehren aus der Affäre ziehen könne, verlangt er ein Audit über die | |
interne Sicherheit. | |
6 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
Auto-Branche | |
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