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# taz.de -- Europäische Wirtschaftsregierung: Modell Deutschland kommt nicht an
> Beim Sondergipfel der Eurozone in Brüssel bläst Bundeskanzlerin Angela
> Merkel der Wind ins Gesicht. Ihrem sogenannten Wettbewerbspakt werden die
> Zähne gezogen.
Bild: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy: Beim Wettbewerbspakt waren sie sich ma…
BRÜSSEL taz | Die Staaten der Eurozone haben keine Lust, Deutschland
nachzueifern. Schon beim letzten EU-Gipfel im Februar brach ein Sturm der
Entrüstung los, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen
"Wettbewerbspakt" vorschlug, der wie ein Ei dem "Modell Deutschland" glich:
Rente mit 67, Lohnzurückhaltung und Schuldenbremse standen auf dem
Programm, das Merkel gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy
vorlegte. Von einem "deutsch-französischen Putsch", einer Zumutung und
Erpressung war die Rede, als die EU-Chefs hinter verschlossenen Türen
tagten.
Nach draußen drang davon wenig - schließlich hatte Merkel "ihren" Pakt
bereits vor den Beratungen als Erfolg verkauft. Doch der Widerstand in
Ländern wie Belgien, Österreich und Italien war so groß, dass
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sich beeilte, dem Pakt die Zähne zu
ziehen. Freitag soll der weichgespülte Text auf einem Sondergipfel der
Eurozone in Brüssel durchgewunken werden - und es sieht ganz so aus, als
könnten sowohl Merkel und Sarkozy als auch Kritiker wie der belgische
Premier Yves Leterme ihr Gesicht wahren.
Der neue Pakt atmet zwar noch den deutschen Geist von fleißigem Sparen,
eiserner Disziplin und globalem Standortwettbewerb. Statt auf Wachstum -
wie es die europäischen Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Grüne fordern
- setzt er auf Mäßigung in der Lohn- und Sozialpolitik.
Doch die von Merkel geforderte Rente mit 67 ist ebenso vom Tisch wie der
Verzicht auf automatische Anpassung der Löhne an die Inflationsrate. Dies
war Leterme wichtig, der um den sozialen Frieden in Belgien gefürchtet
hatte.
Auch Sarkozy kann zufrieden sein, denn mit dem Wettbewerbspakt entsteht
eine "Wirtschaftsregierung" der Eurozone, die Frankreich lange fordert.
Einmal im Jahr wollen die 17 Euroländer künftig die Umsetzung des Pakts
überprüfen. Dies dürfte Sarkozy helfen, unpopuläre Reformen in Frankreich
durchzupeitschen.
Am eigentlichen Problem der Eurozone - der Banken- und Schuldenkrise - geht
der Pakt aber vorbei, da sind sich die meisten Experten einig. Für sie ist
Merkels Pakt eher ein innenpolitisches Manöver, um ihre Koalition
ruhigzustellen.
Gerade erst haben sich CDU/CSU und FDP strikt gegen eine Ausweitung des
Euro-Rettungsschirms oder bessere Konditionen für die Krisenländer
Griechenland und Irland ausgesprochen.
Ebendiese Themen stehen aber beim Euro-Gipfel heute auf der Tagesordnung.
Geht Merkel auf die Forderung ein, den Griechen und Iren entgegenzukommen,
muss sie mit massivem Protest in Berlin rechnen. Schaltet sie auf stur,
könnte die Euro-Krise erneut eskalieren.
Seit die Ratingagentur Moody's die Bonität Griechenlands Anfang dieser
Woche um gleich drei Punkte gesenkt hatte, halten viele Experten eine
Umschuldung für unvermeidlich. Zumindest müssten die Zinsen für die bereits
gewährten EU-Hilfen gesenkt werden, fordert EU-Wirtschaftskommissar Olli
Rehn. Merkel lehnt dies ab. Die meisten anderen Euroländer stehen dagegen
auf Rehns Seite.
Doch in Berlin will man die Krise aussitzen. Erst beim nächsten regulären
EU-Gipfel Ende März sollen Entscheidungen fallen. Und dann, so hofft
Merkel, wird sich der Wind wieder gelegt haben, der ihr derzeit heftig ins
Gesicht bläst. Am Ende, so das Kalkül, werden die Europäer alle deutschen
Bedingungen schlucken, denn gegen Deutschland lässt sich die Euro-Krise
nicht lösen. Der Wettbewerbspakt war, so gesehen, nur ein Vorspiel für den
großen Showdown.
11 Mar 2011
## AUTOREN
Gert Stuby
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