# taz.de -- Nach dem Erdbeben in Japan: Situation in Akw weiter kritisch | |
> Aus dem Akw Fukushima wollen die Behörden leicht radioaktiven Dampf | |
> ablassen. Die Bevölkerung sei nicht gefährdet. Doch solange die Kühlung | |
> nicht richtig funktioniert, droht eine Kernschmelze. | |
Bild: Das AKW Fukushima. | |
Update: Die neuere Entwicklung finden sie [1][hier] | |
TOKIO/BERLIN dpa/rtr/afp/dapd/taz | Nach dem Versagen des Kühlsystems im | |
Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im Nordosten Japans haben die Behörden | |
entschieden, den leicht radioaktiven Dampf aus einem Reaktorbehälter | |
abzulassen. Dies berichtete die Internationale Atomenergiebehörde IAEA am | |
späten Freitagabend in Wien unter Berufung auf japanische Behörden. | |
Der kontrolliert freigesetzte Dampf sollte gefiltert werden, um | |
Radioaktivität in der Anlage zu halten, teilten japanische Behörden der | |
IAEA mit. Nach einer Experteneinschätzung aus Wien ist es aber | |
unwahrscheinlich, dass in solch einer Situation keinerlei Radioaktivität | |
freigesetzt wird. Grund für die Maßnahme ist, dass der Druck in einem der | |
sechs Behälter auf das Anderthaltbfache des Normalstands angestiegen war. | |
Die Ingenieure täten ihr Möglichstes, um das Kühlsystem wieder in Betrieb | |
zu setzen, teilte die Behörde mit. Der Erfolg dieser Maßnahme sei jedoch | |
nicht garantiert. Die Betreiberfirma Tepco wisse nicht, wie stark die | |
radioaktive Strahlung im Inneren ist. Wenn die Kühlung nicht wieder in | |
Betrieb gesetzt werden kann, droht eine Kernschmelze – denn obwohl die | |
Reaktoren bereits abgeschaltet sind, produzieren sie immer noch Wärme. | |
Nach dem [2][Erdbeben am Freitag] war die Stromversorgung für das | |
Kühlsystem ausgefallen. Selbst die Notstromgeneratoren hatten versagt. Ein | |
Mitarbeiter der Atomsicherheitsbehörde erklärte, derzeit werde der Reaktor | |
mit einem zweiten System gekühlt, das aber nicht so effektiv sei wie die | |
eigentliche Anlage. | |
Kabinettssekretär Yukio Edano hatte zuvor erklärt, falls man Druck aus dem | |
Reaktorbehälter ablassen müssen, werde die freigesetzte Menge an | |
Radioaktivität "sehr gering" sein. Weil bereits Evakuierungen angeordneten | |
seien und der Wind Richtung Meer wehe, "können wir Sicherheit garantieren", | |
sagte er auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. | |
US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte, Washington stelle Japan | |
Kühlflüssigkeit zur Verfügung. Gewährsleute erklärten später, Clinton habe | |
sich versprochen. Die USA hätten Japan die Bereitstellung von Kühlmittel | |
angeboten, Tokio habe dies aber abgelehnt. | |
Bundesumweltminister Norbert Röttgen sagte am Abend in Bonn, er sehe trotz | |
der Schwierigkeiten bei den japanischen Kernkraftwerken keine Gefahren für | |
Deutschland. Die Entfernung von Japan nach Deutschland sei zu weit. Im | |
Bundesumweltministerium in Bonn wurde ein Krisenstab eingerichtet, der das | |
Geschehen in Japan ständig verfolgt. "Ich bin überzeugt, dass die Japaner | |
alles tun werden, um einen Atomunfall zu verhindern", sagte Röttgen."Sie | |
sind dazu auch gut in der Lage." | |
## Notkühlsystem nur noch im Batteriebetrieb | |
Das Notkühlsystem des Atomkraftwerks Fukushima war nach japanischen | |
Informationen nur noch im Batteriebetrieb gelaufen. Die japanische | |
Regierung ließ vorsichtshalber tausende Menschen aus der Region evakuieren. | |
Wegen des Bebens hatten sich nach Angaben der Regierung in Tokio elf | |
Atomkraftwerke automatisch abgeschaltet. | |
Die Agentur Jiji hatte Freitagmittag gemeldet, dass im Akw Tepco Fukushima | |
Daiichi, betrieben von der Firma Tokyo Electric Power, das Kühlsystem | |
ausgefallen sei. Radioaktivität sei aber nicht ausgetreten. Später meldete | |
Jiji unter Berufung auf die Regionalbehörden in Fukushima, die Kühlsysteme | |
seien intakt. | |
Laut einer Nachricht auf der [3][Facebookseite von Asahi Japan Watch] hatte | |
im Kraftwerk in Fukushima die Notstromversorgung nicht funktioniert. | |
Infolgedessen, so weiter auf der Facebookseite, sei das Kühlsystem | |
kollabiert. Die japanische Regierung beschloss dann, den atomaren Notstand | |
auszurufen. Dieser wird ausgerufen, wenn sich der Austritt von | |
Radioaktivität bestätigt hat oder wenn ein Kühlsystem ausfällt. | |
An den Atomkraftwerken in dem betroffenen Gebiet seien keine Schäden zu | |
verzeichnen, hatte Japans Premierminister Naoto Kan zu Anfang noch gesagt. | |
Gleichzeitig berichtete der Sender NHK, dass der Premier eine Sondereinheit | |
zum Schutz von Anwohnern im atomaren Notfall geschaffen hat. | |
Auch die UN-Atomenergiebehörde IAEA hatte zunächst das Problem | |
heruntergespielt: Die vier Atomkraftwerke, die dem Epizentrum am nächsten | |
liegen, seien "sicher" abgeschaltet, hatte die Behörde mitgeteilt. Der | |
IAEA-Darstellung hatte der Greenpeace-Kernphysiker Heinz Smital | |
[4][entgegnet]: "Selbst wenn das AKW heruntergefahren ist, ist man damit | |
noch nicht auf der sicheren Seite, denn die Kühlung muss weiter stabil | |
gehalten werden". | |
Der Regierungschef habe den atomaren Notfall deswegen ausgerufen, damit die | |
Behörden leicht Notfallmaßnahmen ergreifen können, sagte Regierungssprecher | |
Yukio Edano. Es seien keine radioaktiven Lecks in oder in der Nähe von | |
Atomkraftwerken festgestellt worden. Anwohner von Atomkraftwerken müssten | |
aber keine besonderen Maßnahmen ergreifen, hieß es erst kurz zuvor von | |
staatlicher Seite aus. | |
Die Nachrichtenagentur Kyodo meldete, dass im Akw Onagawa der Firma Tohuko | |
Elec ein Feuer ausgebrochen ist. Zuvor hatte Kyodo berichtet, der Betreiber | |
habe keine Informationen über irgendwelche Probleme mit seinem | |
Atomkraftwerk. | |
## Ein Drittel des Strombedarfs aus Atomkraft | |
Rund ein Drittel des japanischen Strombedarfs stammt aus den derzeit mehr | |
als 50 Atomkraftwerken. In Japan sind alle Atomkraftwerke mit | |
Erdbebenmessgeräten ausgerüstet. Bei einem Beben werden die Reaktoren | |
automatisch heruntergefahren. Bei dem Erdbeben am Freitag schalteten sich | |
nach Angaben der Regierung elf Akw automatisch ab. | |
Alle japanischen Atommeiler müssen auf felsigem Untergrund gebaut werden, | |
dies dient dazu, Erschütterungen zu dämpfen. Am Meer liegende Kraftwerke | |
sind zusätzlich mithilfe von Mauern gegen Tsunamis gesichert. Nach dem | |
verheerenden Erdbeben in Kobe im Jahr 1995, bei dem mehr als 6400 Menschen | |
ums Leben kamen, wurden die Vorschriften noch einmal verschärft. Seitdem | |
müssen alle Reaktoren mindestens Erdstößen der Stärke 7,75 standhalten | |
können, in besonders gefährdeten Regionen sogar Beben bis 8,25. Das Beben | |
vom Freitag hatte eine allerdings eine Stärke von 8,8 bis 8,9. | |
Die Japanischen Inseln liegen auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring. Es | |
handelt sich um eine der seismisch aktivsten Erdregionen, so dass Erdstöße | |
in Japan keine Seltenheit sind. Wegen der geographischen Lage werden in | |
Japan zahlreiche Häuser erdbebensicher gebaut, die Bürger werden regelmäßig | |
über die Gefahren aufgeklärt. Japan setzt dabei außerdem auf ein eigenes | |
Messverfahren, das nicht die durch Erdbeben entstehende Energie misst, | |
sondern die an der Erdoberfläche gemessenen Auswirkungen bestimmt. So | |
beschreibt das System das Ausmaß der Folgen des Bebens. | |
11 Mar 2011 | |
## LINKS | |
[1] /1/zukunft/umwelt/artikel/1/erhoehte-strahlung-im-akw-fukushima/ | |
[2] /1/zukunft/umwelt/artikel/1/schwerstes-beben-seit-1200-jahren/ | |
[3] http://www.facebook.com/AJW.Asahi?sk=wall#!/AJW.Asahi | |
[4] http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/erdbeben_in_j… | |
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