# taz.de -- Kiel schließt alte Schwimmbäder: Stadt zieht Stöpsel | |
> Die Stadt Kiel schließt ihre alten Schwimmbäder, nachdem sie sie | |
> jahrelang vernachlässigt hat. Dafür baut sie bald ein 17 Millionen Euro | |
> teures Sport- und Freizeitbad. | |
Bild: Seit 2008 ohne Wasser: Lessinghalle in Kiel. | |
KIEL taz | Kiel stampft systematisch seine Bäder ein. Sie sind zu marode, | |
unrentabel und erfüllen nicht die neuesten energetischen Standards - da | |
sind sich die großen Fraktionen in der Kieler Ratsversammlung einig. Es ist | |
so gut wie sicher, dass der Rat im Frühjahr den Bau eines 17 Millionen Euro | |
teuren Sport-und Freizeitbades beschließen wird, im Herbst 2011 sollen die | |
Bauarbeiten beginnen. Veranschlagt ist eine Bauzeit von zwei Jahren. | |
Spätestens jetzt ist damit auch klar, dass den übrigen schwer | |
sanierungsbedürftigen Bädern - der historischen Lessinghalle am | |
Schrevenpark, dem Gaardener Hallenbad und dem Freibad Katzheide - endgültig | |
die Stöpsel gezogen werden. | |
Bis ins vergangene Jahr hatte sich die "Bürgerinitiative Lessinghalle" mit | |
Mahnwachen vor dem Schwimmbad für dessen Erhalt eingesetzt. "Immer weniger | |
Kinder können noch richtig Schwimmen, der Trend wird durch die Schließung | |
nur noch verstärkt", sagt eine Anwohnerin des Lessingplatzes. Stattdessen | |
lasse man im leer stehenden Becken wilde VIP-Parties stattfinden, wo man | |
nur auf Einladung reinkomme. Die Halle wird inzwischen als Ausstellungsraum | |
von der Kieler Muthesius-Kunsthochschule genutzt. | |
Empörung herrscht auch über die Schließung des Freibades Katzheide, das vor | |
allem von Bewohnern des armen Stadtteils Gaarden frequentiert wird. Viele | |
Familien könnten sich die Eintrittspreise des neuen Sport-und Freizeitbades | |
wohl nicht mehr leisten, befürchtet Ingrid Zimmermann von der Ratsfraktion | |
Direkte Demokratie. Mit "goldener Peitsche" würden Kinder aus Katzheide | |
vertrieben. | |
Die evangelische und die katholische Kirchengemeinde in Gaarden haben Kiels | |
Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) aufgefordert, "alles zu unternehmen", | |
das Sommerbad Katzheide zu erhalten. "Für sozial benachteiligte Kinder und | |
Jugendliche hat das Bad eine hohe Bedeutung", klagen Pastor Uwe Hagge und | |
Gemeindereferentin Christa Schmaljohann. Wer an einem warmen Sommertag die | |
Menschenscharen sehe, die mit Kinderwagen und Picknickkorb ins Freibad | |
ziehen, der wisse, wie gelebte Integration aussehe. Besonders für die | |
Familien aus Gaarden, die aus Kostengründen auf kurze Wege angewiesen | |
seien, sei der Erhalt wichtig. | |
Lange hatte die Stadt Kiel ihre Bäder vernachlässigt. "25 Jahre ist in die | |
bestehende Materie kein Geld investiert worden", sagt Torsten Stagars, | |
sportpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion. 15 Millionen Euro hätte | |
allein die Sanierung der Lessinghalle gekostet. Die Schwimmhalle in Garden, | |
die mit dem neuen Sport- und Freizeitbad wegfallen soll, sei ein | |
heruntergekommener Glasbau aus den 70ern. Und das Sommerbad Katzheide müsse | |
jedes Jahr mit 450.000 Euro subventioniert werden - bei 40.000 Besuchern im | |
Jahr. | |
Die 17 Millionen Euro, die der Bau des neuen Sport- und Freizeitbades | |
koste, seien billiger als eine Sanierung der alten Bäder, meint Stagars. | |
Ein Neubau sei eindeutig die bessere Lösung: Unter den jetzigen Bedingungen | |
müssten die Kieler Sportler ins Umland ausweichen, um zu trainieren. Und | |
der Schwimmunterricht an den Schulen sei fast zum Erliegen gekommen. | |
Dass die derzeitigen Eintrittspreise von 1,20 Euro für Kinder und 2,70 Euro | |
für Erwachsene steigen werden, bestreitet der SPD-Mann nicht. "Aber wir | |
hätten die Preise sowieso anheben müssen", sagt Stagars, der auch im | |
Aufsichtsrat des neuen Sport- und Freizeitschwimmbads sitzen wird. | |
Der Standort des neuen Schwimmbads an der Hörn liegt am Ende der Kieler | |
Förde - genau da, wo der Stadtteil Gaarden beginnt. Dass sich viele | |
Bewohner des Viertels das Schwimmen dann nicht mehr werden leisten können, | |
glaubt Stagars nicht. Immerhin gebe es in Kiel ja Initiativen wie "Kids in | |
the Clubs": Kinder aus Hartz-IV-Familien könnten damit kostenlos einem | |
Schwimmverein beitreten - und das neue Bad dann auch mal von innen sehen. | |
11 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Gunnar Matzen | |
## TAGS | |
Kiel | |
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