# taz.de -- Klitschko verteidigt Titel: Ungelenke Stolperer | |
> Vitali Klitschko bleibt WBC-Weltmeister, weil Odlanier Solis schon nach | |
> knapp drei Minuten aufgeben muss. Die Zuschauer sind empört, die Manager | |
> beschimpfen sich. | |
Bild: In einer solchen Pose sah man Klitschko (l.) und Solis nur kurz, dann ver… | |
KÖLN taz | Vitali Klitschko wusste genau, was er tat. Mit links antäuschen, | |
mit rechts mitschlagen, leicht aufwärts. So hatte sein Trainer Fritz Sdunek | |
es ihm beigebracht, so hatte er es in vielen Sparringsrunden geübt. Von der | |
Wirkung seines Schlags ist der Schwergewichts-Weltmeister jetzt allerdings | |
auch überrascht. Er glaubt seinem Gegner nicht, dass er nicht weitermachen | |
kann. | |
Doch der Kubaner liegt am Boden, zerrt seinen massigen Körper an den Seilen | |
in die Höhe, lässt sich wieder fallen, mit schmerzverzerrtem Gesicht. | |
Klitschko stürmt auf Odlanier Solis zu, schimpft auf ihn ein, will ihn zum | |
Aufstehen bewegen, zum Weitermachen. So will Vitali Klitschko nicht | |
gewinnen. | |
Und so wollen die 19.000 Zuschauer in der ausverkauften Lanxess-Arena in | |
Köln Vitali Klitschko nicht siegen sehen. Als Wladimir Klitschko seinen | |
älteren Bruder Vitali davon abhält, sich auf den lädierten Solis zu | |
stürzen, beginnt das Publikum ein Pfeifkonzert. Als Klitschko und Solis | |
noch im Ring ans Mikrofon geholt werden, schwillt das Pfeifen an. Die | |
Zuschauer interessieren keine Erklärungen und keine Entschuldigungen, sie | |
sitzen mit nur halbleeren Bierbechern da und sind sauer. | |
Auf dem Oberrang, wo die Plätze noch immer stattliche 75 Euro Kosten, die | |
Sicht eher eingeschränkt ist und die Anwesenden ohnehin schon genervt sind | |
von der langen Wartezeit und dem wie bei Klitschko-Kämpfen üblich | |
schlechten Vorprogramm, wird über "Beschiss" geredet und über "Schiebung", | |
"das hätten wir auch gekonnt", heißt es, und: "Dafür müssten wir eigentlich | |
unser Geld zurückbekommen." | |
Zwei Minuten und 59 Sekunden dauerte, was Vitali Klitschko als "große | |
Schlacht" angekündigt hatte. Dann stand fest: Der Ukrainer darf seinen 42. | |
Sieg im 44. Kampf feiern, er bleibt WBC-Weltmeister, er darf weiter davon | |
träumen, Ende Juni oder Anfang Juli, wenn IBF- und WBO-Champion Wladimir | |
Klitschko auf den britischen WBA-Titelträger David Haye trifft, zusammen | |
mit seinem Bruder in den Besitz aller großen Schwergewichts-Gürtel zu | |
gelangen. | |
Was hinter den Kulissen folgte, waren Spekulationen und ein kindischer | |
Männerstreit. "Das hätte ein interessanter Kampf werden können", mutmaßte | |
Fritz Sdunek, der Trainer Klitschkos. Er gestand Solis zu, in der ersten | |
Runde "leichte Vorteile" gehabt zu haben. In der Tat konterte der | |
30-Jährige den Ukrainer das eine oder andere Mal geschickt aus und nutzte | |
Klitschkos hängende Linke für den einen oder anderen Treffer. | |
Das war mehr, als andere Gegner des Ukrainers zuletzt im gesamten Kampf | |
schafften. Ob die ungelenken Stolperer und das dadurch schwer verletzte | |
Knie nach einem eher harmlos wirkenden Treffer Klitschkos, den dieser als | |
"hart, aber kein Blackout-Schlag" bezeichnete, großes Pech waren, ein | |
Zeichen von Fitnessmangel wegen des hohen Gewichtsverlusts im Vorfeld des | |
Kampfes oder die Folge einer nicht beachteten Vorschädigung des Knies - | |
kann im Nachhinein kaum noch aufgeklärt werden. | |
Am Sonntag gab Solis Boxstall Arena bekannt, dass bei einer ersten | |
Untersuchung des Boxers ein Riss des vorderen Kreuzbandes, ein | |
Außenmeniskusriss und ein Knorpelschaden diagnostiziert worden sei. Vor der | |
Fahrt ins Krankenhaus hatte der Kubaner noch zu Protokoll gegeben: "Ich | |
schäme mich." Vitali Klitschko schämte sich wohl auch ein bisschen. Dass er | |
den Zuschauern nicht mehr bieten konnte, tat ihm leid: "Der Kampf war zu | |
kurz, ich bin enttäuscht, ich kämpfe nicht für mich selbst, sondern für die | |
Zuschauer." | |
Im Gegensatz zu seinem Manager Bernd Bönte stellte er seinen Triumph nicht | |
als großartigen K.o.-Sieg dar. Und zu einem ins Pubertäre abgleitende | |
Wortgefecht Böntes mit Solis-Promoter Ahmet Öner sagte er: "Wir sind ein | |
professionelles Team, aber privat gibt es Sachen zwischen Menschen, die ich | |
nicht kommentieren möchte, ich möchte hier keine dreckige Unterwäsche | |
waschen." | |
Das hatten Bönte und Öner zuvor ja schon zu Genüge getan. "Peinliche | |
Ausreden" nannte der Klitschko-Manager die Knieverletzung von Solis, "der | |
hat ganz klar gewackelt, der hätte eh nicht weitermachen können". Das | |
reizte Öner zu Beschimpfungen übelster Art, die Bönte nicht weniger | |
persönlich beantwortete. Und so endete ein Abend mit wenig Boxen und viel | |
unsinnigem Spektakel. | |
20 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Susanne Rohlfing | |
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