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# taz.de -- Diskussion um den Ausstieg: Merkel gibt Atomdebatte an Ethikrat
> Neben der Kommission für Reaktorsicherheit gibt es nun auch eine
> Ethikkommission. Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Kirche sollen
> über den Atomausstieg diskutieren.
Bild: Wenn du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Expertenkreis. Oder in dies…
BERLIN taz | Kommt das Ende der Atomzeit? Am Dienstag lud Bundeskanzlerin
Angela Merkel in ihr Amt zum zweiten Gipfel der einstigen Atom-Hardliner,
also der Ministerpräsidenten der Länder, in denen die 17 deutschen
Atomkraftwerke stehen. Zur Runde gehörten auch Umweltminister Norbert
Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).
Die Opposition hatte kurz zuvor gefordert, alles zu tun, um jetzt aus der
Atomkraft auszusteigen. So weit kam der kleine Club nicht. Stattdessen
beauftragten sie zwei Kommissionen, die helfen sollen, die Zukunft der
Reaktoren zu klären.
Das ist zum einen die existierende Reaktorsicherheitskommission. Das
Gremium berät das Bundesumweltministerium. Darin sitzen vor allem
Atombefürworter, etwa Entsandte des Energiekonzerns Eon. Sie sollen nun die
Sicherheit der deutschen Meiler überprüfen und Fragen beantworten, "die
sich aus Japan herausschälen", sagte Merkel.
Das ist zum anderen eine Ethikkommission für sichere Energieversorgung. Sie
wird neu gegründet. Die Kanzlerin, der Umweltminister, sie alle haben in
den vergangenen Tagen Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und
Kirchen angesprochen. Diese sollen nun klären, sagte Merkel, wie ein
"Austieg mit Augenmaß" zu machen sei und welche Risiken die Gesellschaft zu
tragen bereit ist.
Nach dem ersten Atomgipfel, nur wenige Stunden nach der Katastrophe in
Japan vor einer Woche, hatte Merkel angekündigt, dass die sieben ältesten
Meiler für drei Monate vom Netz gehen und alle Reaktoren einem
Sicherheits-Check unterzogen werden. So bleiben den beiden Kommissionen nun
kaum 90 Tage Zeit.
## Kaum 90 Tage Zeit
Baustelle 1: Sicherheit. Röttgen hatte schon vergangene Woche von seinen
Mitarbeitern Kriterien erarbeiten lassen. Sie sind so strikt, dass die
Wirtschaft Milliarden investieren müsste für die Modernisierung der
Reaktoren. Dass der Katalog übernommen wird, ist unwahrscheinlich. Die
Atomkraft wäre dann nicht mehr rentabel - und die Atombetreiber bestreiten,
dass ihre Meiler unsicher sind.
Dieter Marx, Geschäftsführer des Deutschen Atomforums, sagt: "An dem
Restrisiko hat sich nichts geändert. Auch die Sicherheit der Kraftwerke ist
die gleiche geblieben." Die Frage sei, ob man nun eine neue Bewertung
vornehme. Aber wie reagiert die Industrie, wenn dabei herauskommt:
abschalten? Die Branche lässt sich alle Optionen offen, auch die einer
Klage auf Schadenersatz. So klar spricht das nur noch niemand aus.
Eine Beurteilung, ob eine Klage erfolgreich wäre, obliege jedem Betreiber,
sagt Dieter Marx. Ein Dementi ist das nicht. Auch die Betreiber selbst
wollen zunächst das Moratorium und möglicherweise einen von der EU
angekündigten Stresstet für alle europäischen AKWs abwarten.
Rainer Baake von der Deutschen Umwelthilfe sieht wenig Chancen für die
Konzerne. Die sieben ältesten Meiler müssten für immer stillgelegt werden,
wenn die Regierung sich selbst ernst nehme. Bei ihnen sei eine
Sicherheitsprüfung sinnlos. "Für die gibt es vor allem kein Konzept, wie
sie vor Flugzeugabstürzen zu sichern sind", sagt Baake. Selbst bei den
Reaktoren, die nach 1980 gebaut wurden, müsste dringend untersucht werden,
ob sie einem gezielten Crash einer Verkehrsmaschine standhalten könnten,
ohne dass es zu einer nuklearen Katastrophe kommt. Bisher sei das nicht
geschehen, bemängelt Baake.
Die Ethikkommission soll nun klären, wie viel Atomkraft wie lange
vertretbar ist. Theoretisch muss sie die Energiepolitik der schwarz-gelben
Koalition prüfen, die auf längeren Laufzeiten basiert. Ist der Ausstieg
schneller machbar? Röttgens Leute arbeiten bereits an einem Aktionsprogramm
"Energieeffizienz und erneuerbare Energien".
Es soll im April auf einem dritten Atomgipfel vorgestellt werden, an dem
dann die Ministerpräsidenten aller 16 Länder teilnehmen sollen. Der
stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Michael Fuchs, warnte aber
erst am Dienstag vor einem "übereilten Atomausstieg". Er gehört zum
Wirtschaftsflügel der Union, der sich mit einer Atomwende besonders schwer
tut.
22 Mar 2011
## AUTOREN
I. Arzt
H. Gersmann
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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