| # taz.de -- Aktuelle Zusammenfassung Japan: Es gab doch eine Kernschmelze | |
| > Die Wahrheit über die Atom-Katastrophe in Japan kommt scheibchenweise ans | |
| > Licht: Jetzt geht auch die Regierung von einer "teilweisen Kernschmelze" | |
| > aus. | |
| Bild: Evakuierte aus der Umgebung von Fukushima versorgen sich mit dem Nötigst… | |
| TOKIO dpa | Die Lage im havarierten Atomkraftwerk Fukushima im Nordosten | |
| Japans bleibt extrem gefährlich. Die Regierung in Tokio räumte am Montag | |
| ein, dass im Reaktor 2 in den vergangenen zwei Wochen vermutlich eine | |
| Kernschmelze eingesetzt hatte. Man glaube aber, dass der Prozess gestoppt | |
| sei, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Die Regierung rief die Anwohner | |
| dringend auf, nicht in ihre Häuser im 20-Kilometer-Evakuierungsradius um | |
| das AKW zurückzukehren. Dort bestehe ein "großes Risiko" für die | |
| Gesundheit, sagte Edano nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Kyodo. | |
| Die Zahl der verstrahlten Arbeiter in Fukushima Eins erhöhte sich um 2 | |
| Männer auf 19. | |
| Grund für die neue Einschätzung der Regierung zu einer Kernschmelze in | |
| Meiler 2 ist die extrem erhöhte Radioaktivität. Sie trat unter anderem im | |
| Wasser in dem benachbarten Turbinengebäude auf. Nach Angaben des | |
| Stromkonzerns Tepco wurde an dem Reaktor am Sonntagnachmittag eine | |
| Strahlendosis von 1000 Millisievert pro Stunde gemessen. Zum Vergleich: Die | |
| natürliche Radioaktivität in Deutschland liegt laut Gesellschaft für | |
| Reaktorsicherheit bei etwa 2,1 Millisievert - und zwar pro Jahr. Der | |
| Energiekonzern Tepco hatte nach Beginn der Katastrophe festgelegt, dass die | |
| Arbeiter am Atom-Wrack höchstens 150 Millisievert Strahlung pro Noteinsatz | |
| abbekommen dürfen. | |
| Auch jetzt gab es von der Regierung keine genauen Informationen zum | |
| Zeitpunkt der vermuteten Kernschmelze. Fachleute vermuteten schon mehrfach | |
| seit Beginn des Unglücks vor gut zwei Wochen, dass wegen starker | |
| Überhitzung der Reaktorkerne möglicherweise eine Schmelze begonnen habe. | |
| Tepco selbst sprach in den ersten Tagen ebenfalls schon einmal von einer | |
| möglichen "partiellen Kernschmelze". Diese Angaben wurden damals aber | |
| zurückgenommen. | |
| Edano kritisierte den Umgang des Betreibers Tepco mit den | |
| Strahlungs-Messwerten scharf. Das Vorgehen sei "inakzeptabel". Das | |
| Unternehmen hatte am Wochenende widersprüchlich Angaben zur Höhe der | |
| Strahlung gemacht. Die japanische Atomaufsichtsbehörde wies den | |
| AKW-Betreiber zudem an, Maßnahmen zu treffen, damit es nicht wieder zu | |
| solchen Irrtümern komme. | |
| "Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Umkreis von 20 Kilometern um das | |
| Kraftwerk kontaminiert ist, und es gibt derzeit ein großes Risiko (für die | |
| Gesundheit)", sagte Regierungssprecher Edano der Agentur Kyodo zufolge. | |
| Anwohner sollen die Evakuierungszone nicht betreten, bevor die Regierung | |
| grünes Licht gebe. | |
| Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte zuvor eine Ausweitung der | |
| Evakuierungszone rund um das Atomwrack gefordert. In dem Ort Iitate, rund | |
| 40 Kilometer nordwestlich des Kraftwerks, gebe es eine so hohe | |
| Strahlenbelastung, dass eine Evakuierung notwendig sei, erläuterte | |
| Greenpeace. Vor allem für Kinder und Schwangere sei es dort nicht sicher. | |
| Neue Messwerte legen nach Behördenangaben zudem nahe, dass in Fukushima | |
| ausgetretenes hoch radioaktives Jod 131 viel weiter nach Norden ins Meer | |
| gelangt ist als zunächst angenommen. Die Kontamination erstreckt sich | |
| demnach etwa 1,6 Kilometer weiter nach Norden als zuvor. An der Küste vor | |
| den AKW-Blöcken 5 und 6 seien Werte von Jod 131 gemessen worden, die 1.150 | |
| mal höher als normal liegen, sagte Hidehiko Nishiyama von der | |
| Atomsicherheitsbehörde NISA am Montag. Nach diesen Angaben stammt das | |
| radioaktive Wasser vermutlich aus der Sicherheitshülle des Reaktors. | |
| ## Warnung vor Radioaktivität im Erdboden | |
| Die Behörden warnten auch vor einem Einsickern von Radioaktivität in den | |
| Erdboden. Arbeiter hätten radioaktives Wasser in den tiefen Gräben vor drei | |
| Blöcken entdeckt. Die Strahlung in der Luft vor Block 2 übersteige 1.000 | |
| Millisievert pro Stunde - mehr als das Vierfache dessen, was die Regierung | |
| für die Einsatzkräfte für sicher hält, erklärte Tepco. Die Gräben dienen | |
| als Wege für Arbeiter, die dort Entwässerungsrohre oder Elektrokabel | |
| verlegen. Die fünf Arbeiter, die im Einsatz waren, wurden laut Tepco nicht | |
| verletzt. | |
| Unterdessen setzten die Arbeiter und Techniker in der Atomruine ihre | |
| Bemühungen fort, das hoch radioaktive Wasser aus den Gebäuden zu pumpen. | |
| Das ist nötig, damit nicht noch mehr Arbeiter verstrahlt werden. Und damit | |
| die Stromversorgung und die Kühlung in dem Kraftwerk, das beim Erdbeben vom | |
| 11. März zerstört wurde, in Gang kommen. | |
| Bisher wurden 19 Arbeiter bei der Rettungsaktion stärker verstrahlt - sie | |
| waren einer Radioaktivität von mehr als 100 Millisievert ausgesetzt. Drei | |
| Arbeiter, die am vergangenen Donnerstag einer erhöhten Strahlendosis | |
| ausgesetzt waren, wurden nach Angaben von Kyodo am Montag aus dem | |
| Krankenhaus entlassen. | |
| Am Montagmorgen erschütterten weitere Beben die Katastrophenregion. Die | |
| Erde bebte nach japanischen Angaben mit einer Stärke von 6,5. Die | |
| US-Erdbebenwarte stufte die Stärke des Erdstoßes dagegen auf 5,1 zurück. | |
| Das Zentrum des Bebens lag nach Angaben der nationalen Meteorologischen | |
| Behörde in Japan vor der Küste der Unglücksprovinz Miyagi in einer | |
| Entfernung von 163 Kilometern von Fukushima. Kurz danach gab es ein | |
| weiteres Nachbeben. | |
| Von dem havarierten Kernkraftwerk wurden jedoch keine weiteren Schäden | |
| gemeldet. Eine von den Behörden zunächst ausgegebene Tsunamiwarnung wurde | |
| später aufgehoben. | |
| Die Region war vor gut zwei Wochen von einem verheerenden Erdbeben der | |
| Stärke 9,0 sowie einem Jahrhundert-Tsunami schwer zerstört worden. Mehr als | |
| 10 800 Menschen verloren im Nordosten des Landes ihr Leben, rund 16 000 | |
| Menschen gelten als vermisst. | |
| Noch immer sind 190 000 Menschen in Notunterkünften hausen, wie der | |
| staatliche Fernsehsender NHK meldete. Die Behörden warnen die Bewohner für | |
| die nächste Zeit vor weiteren Nachbeben. Derweil wurden die Aufräumarbeiten | |
| am Montag fortgesetzt. | |
| 28 Mar 2011 | |
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