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# taz.de -- Juden, Deutsche und Israelis: Eine nach wie vor schwierige Debatte
> Die Ambivalenzen des Axel Springer: Die Konferenz "Juden, Deutsche und
> Israelis" war eine Vorbereitung auf eine geplante Ausstellung zum
> Pressezaren.
Bild: Polizisten schützen den Axel Springer Verlag in der Berliner Kochstraße…
Das Fritz-Bauer-Institut und das Jüdische Museum in Frankfurt am Main
planen eine Ausstellung über Axel Springer und seinen Medienkonzern. Zur
Vorbereitung dieser Ausstellung luden das Institut und das Museum am
Sonntag und Montag zu einer international besetzten Konferenz mit dem Titel
"Juden, Deutsche und Israelis". Wie Rafael Gross, der Direktor beider
Institutionen, ausführte, steht die Ausstellung innerhalb des
Schwerpunktprogramms des Museums in Frankfurt am Main, das der
Konfliktgeschichte zwischen Juden und Deutschen nach 1945 bereits drei
Ausstellungen gewidmet hat - über Ignatz Bubis, die Frankfurter Schule und
die nach Deutschland emigrierten Juden aus der ehemaligen Sowjetunion.
Zur Einführung sprachen der israelische Botschafter a. D. Avi Primor und
Dimitrij Belkin, Projektleiter der geplanten Ausstellung. Das Konzept der
Ausstellung steht noch nicht fest, aber aus Belkins Ausführungen ging
hervor, dass die Ambivalenzen Axel Springers, der sich gelegentlich als
"Christ-Jude" bezeichnete, im Vordergrund stehen sollen.
Springer gründete 1952 die Bild-Zeitung und engagierte sich für die
Verständigung mit Israel. Gleichzeitig arbeiteten ehemalige
Nationalsozialisten wie Paul Karl Schmidt alias Paul Carell und Horst
Mahnke bei Springer. Carell arbeitete in der Presseabteilung des
Außenministers Ribbentrop und Mahnke war SS-Hauptsturmführer.
Nach dem Krieg war er zuerst beim Spiegel, ab 1960 bei Springer. Springer
war ein religiöser Mensch, zugleich hatte er ein Flair für allerlei
Wahrsagerei und Hokuspokus. Die Charakterisierung der Bild-Zeitung als
"Postholocaustboulevard" (Belkin) stieß bei Referenten und Zuhörern ebenso
auf Skepsis wie Spekulationen über das "postnationale Unterbewusstsein der
Deutschen" (Belkin) oder die Idee, für Springer sei "Israel" so etwas
gewesen wie das rätselhafte Wort "Rosebud" des Pressezaren Kane in Orson
Wells Meisterwerk "Citizen Kane".
Avi Primor erzählte als Zeitzeuge lebendig von Springers Reisen nach und
seiner Hilfe für Israel. Neben diesem Engagement war es nach Primor der
"Antikommunismus", der Springers Denken und Handeln bestimmte.
Das konnte, wie Christina von Hodenberg ausführte, groteske Zügen annehmen:
Für Springer war Berlin geteilt wie Jerusalem und umzingelt von feindlichen
Kommunisten wie Israel von Arabern.
Wolfgang Kraushaar referierte über "RAF, Axel Springer und Israel" und
zeigte, dass die Parole "Bild schoss mit" nach dem Attentat auf Rudi
Dutschke wohl differenziert werden muss: Die Springerpresse hetzte zwar
pauschal gegen die Studentenbewegung, aber der Attentäter las nicht Bild,
sondern die Deutsche National- und Soldatenzeitung von Gerhard Frey.
Die Kritik des SDS an Springers Quasi-Monopol in Berlin hatte - so
Kraushaar - verschiedene Wurzeln wie auch die Parole "Enteignet Springer!",
an der wohl die Stasi ein wenig mitgestrickt hat. Erst nach dem
Sechstagekrieg von 1967 wich die ursprüngliche Sympathie vieler linker
Studenten für Israel einem verbalradikalen Engagement für die
Palästinenser, das die RAF schließlich in Terrorakte umsetzte. Gudrun Kruip
sprach über den Springer-Redakteur Ernst Cramer, der in Buchenwald
interniert war und 1938 in die USA emigrierte.
Dass die Zusammenarbeit zwischen diesem deutschen Kulturpatrioten, dessen
Verwandte von den Nazis ermordet wurden, und den Altnazis bei Springer fast
reibungslos funktionierte, ist höchst befremdlich, aber nicht zu
bestreiten.
Die beiden Podiumsdiskussionen zum Abschluss zeigten einmal mehr, wie
schwierig die Debatte über Deutsche und Israel nach wie vor ist - nicht
zuletzt, weil Kritik an der israelischen Regierungspolitik von eifrigen
deutschen Meinungswächtern oft als "antisemitisch" apostrophiert wird. Eine
Diskussion galt den zunächst vier, dann fünf Essentials, auf die Springer
seine Journalisten verpflichtete.
Zu den Essentials gehören nicht nur presserechtliche
Selbstverständlichkeiten, sondern auch das Eintreten für "die Lebensrechte
des israelischen Volkes". Der Status dieser pathetischen
Verpflichtungserklärung und der alltägliche Umgang damit sind noch nicht
geklärt, aber ein Vertreter des Springer Verlags versicherte, dass ihm kein
Fall bekannt sei, der wegen deren Verletzung arbeitsrechtliche Konsequenzen
gehabt habe.
Der Historiker Norbert Frei riet den Ausstellungsmachern in seinem
Schlusskommentar, Springers Person und sein Wirken stärker auf die
politischen und medienpolitischen Kontexte zu beziehen. Das hätte man sich
-mit Ausnahme der Referate von Gudrun Kruip und Wolfgang Kraushaar - auch
von den anderen Referenten gewünscht.
29 Mar 2011
## AUTOREN
Rudolf Walther
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Springers "Kunstwerk der Einheit": Jaha. Auch Dutschke war dafür
Der Springer-Verlag schenkte Deutschland ein Kunstwerk der Einheit - drei
riesige Köpfe aus Bronze. Helmut Schmidt (SPD, Instanz) erklärte die Welt,
also die Einheit und Europa.
Debatte Unser Israel (9): Wir Israelversteher
Israels rechte Regierung instrumentalisiert den Holocaust für ihre Politik.
Gerade viele Deutsche zeigen sich für diese Propaganda sehr empfänglich.
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