# taz.de -- Kommentar zu Fukushima: Denn sie wissen nicht, was sie tun sollen | |
> Die Betreiber von Fukushima pumpen radioaktive Brühe ins Wasser. Sie | |
> wissen sich nicht anders zu helfen - ein beklemmendes Gefühl. Und gelebte | |
> Risikogesellschaft. | |
Nun wird in Fukushima eine große Menge radioaktiv verseuchtes Wasser in den | |
Pazifik eingeleitet - und zwar ganz offiziell. Die Betreiber wissen sich | |
nicht mehr anders zu helfen, sie pumpen die radioaktive Brühe aus den | |
Räumen der vier havarierten Reaktoren. Solange das Wasser mit seiner | |
strahlenden Fracht in den Reaktorräumen steht, schädigt es die | |
Reparaturtrupps derart, dass sie nicht an den Kühlpumpen arbeiten können. | |
Außerdem kann auch niemand die Elektrik erneuern, solange sie unter Wasser | |
steht. Wir erleben also höchsten Zeitdruck und Entscheidungsnot, obwohl wir | |
vom Gefühl her einer Katastrophe in Zeitlupe beiwohnen. | |
Die japanische Atomsicherheitsbehörde schätzte am Montag, selbst wenn die | |
Arbeiten an den Kühlsystemen endlich anlaufen sollten, würden sie erst in | |
Monaten abgeschlossen sein. Monate, in denen immer neues Wasser von oben in | |
die Reaktoren gefüllt und über Leitungen ins Meer entsorgt wird. Eine irre | |
Perspektive. Natürlich ist der Pazifik weiter und tiefer als jeder andere | |
Ozean und die Radioaktivität verdünnt sich. Dieses Meer hat auch die | |
Atombombenversuche überstanden, es übersteht die täglichen Einleitungen von | |
chemischen Schadstoffen aus den Flüssen. Trotzdem ist es ein beklemmendes | |
Gefühl, wenn kalkuliert Strahlung in die See gepumpt wird. | |
Da bleibt dann nur die Hoffnung, dass die Strömungen ähnlich gut stehen wie | |
die Winde in den vergangenen Wochen. Die wehten auch bis auf wenige Tage | |
aufs Meer hinaus und nicht die Küste hinauf und hinunter. Ob Tepco | |
überhaupt eine andere Wahl hätte, ob man das Wasser in gecharterten Tankern | |
zwischenlagern könnte, statt ins Meer zu lassen - es ist letztlich | |
unerheblich. Die Entscheidung ist getroffen. | |
Ähnliche Entscheidungen treffen die Atomindustrie und ihre | |
Aufsichtsbehörden übrigens häufig und weltweit: Die | |
Wiederaufarbeitungsanlagen Großbritanniens und Frankreichs waren und sind | |
so kalkuliert, dass ein wesentlicher Teil des Mülls ins Meer abgeleitet | |
wird. Das erhöht irgendwie die Krebsraten der Fischesser, aber vielleicht | |
nicht entscheidend und auf jeden Fall für keinen einzelnen Betroffenen | |
sicher rückverfolgbar. Das ist innerindustrielle Logik, das ist gelebte | |
Risikogesellschaft. Die wird in Fukushima nur gerade mal sichtbar. Was | |
daran den größten Skandal ausmacht: Atomtechnik ist wahrlich nicht die | |
einzige Risikotechnik. Aber die unnötigste. | |
4 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Reiner Metzger | |
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