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# taz.de -- Spitzen-Golfer Martin Kaymer: Der Anti-VIP
> Der schweigsame Martin Kaymer führt die Golf-Weltrangliste an, jetzt will
> er auch das US Masters gewinnen. Dumm bloß, dass in Deutschland kaum
> jemand Notiz davon nimmt.
Bild: Wandelt zwischen Magnolienalleen und Azaleenwäldern: Martin Kaymer in Au…
BERLIN taz | Wenn sich Martin Kaymer, der Weltranglistenerste, am
Sonntagabend das berühmte grellgrüne Siegerjackett überstreift nach seinem
Triumph bei den Augusta Masters, wird in seiner Heimat grenzenloser Jubel
losbrechen. Es gibt Eilmeldungen und Sondersendungen, dazu zahllose verbale
Huldigungen von "neuer Golfgott" bis "junge Legende seiner selbst".
Die deutschen Rydercup-Bewerber für 2018 werden kurz vor der Entscheidung
am 17. Mai "vom entscheidenden Impuls" sprechen. Unmittelbar bricht ein
Golfboom aus – dieses grandiose Spiel aus Strategie, Konzentration,
Zartheit und Power wollen alle probieren.
Die Wirklichkeit ist anders: Sollte Martin Kaymer wirklich das erste Major
2011 und ruhmreichste Turnier der Welt gewinnen, wird es höchstens für eine
Kurzmeldung reichen. Die Öffentlichkeit ignoriert Kaymers spektakuläre
Taten weithin. Empört spottete neulich die Süddeutsche Zeitung: "Ein
Deutscher Bester in einer der weltweit am meisten verbreiteten und
renommierten Sportarten, das ist so, als würde Österreich
Fußball-Weltmeister."
So richtig sauer war die Golfszene im März, als der Noch-Innenminister
Thomas de Maizière Golf "nüchtern betrachtet eine Randsportart" nannte.
Deshalb werde der Bund keine Bürgschaftsgarantie geben für die deutsche
Bewerbung um den Rydercup, den Erdteilkampf zwischen Europa und den USA.
700.000 Golfspieler – eine Randsportart? Was, hieß es, ist mit Biathlon
oder Rodeln mit kaum ein paar tausend Aktiven? Das sind Fernsehsportarten.
Die Olympiadisziplin Golf (ab 2016), obwohl durch intelligente
Kameraführung und erläuternde Computersimulation längst TV-kompatibel,
läuft nur versteckt im Bezahlfernsehen. ARD und ZDF mühen sich derzeit um
Unterlizenzen, immerhin.
## "Auf dem Weg zu einem globalen Star"
Von Augusta 2011 gibt es keine Bilder. Dabei ist der manikürte Platz mit
seinen Magnolienalleen und Azaleenwäldern optisch eine Legende. Zum 75. Mal
wird hier der beste Golfer gekürt, das schwerste Turnier, mit langen Bahnen
und rasend schnellen Grüns, voller Tücken und Gemeinheiten.
Dreimal hat sich Kaymer in Augusta versucht, dreimal ist er früh am Cut
gescheitert. Jetzt hat er verstärkt den Draw trainiert, eine
Schwungvariante, durch die der Ball in einer leichten Linkskurve fliegt.
Diese Technik passt zur Geografie in Augusta. Aber der Schlag ist schwer,
kleinste Fehler können auf dem tückischen Südstaatenplatz Wald oder Wasser
bedeuten.
"Kaymer ist auf dem Weg zu einem globalen Star", sagen seine Fans und
Vermarkter, voran ein Bielefelder Türenhersteller. Das ist Wunschdenken.
Denn Kaymers Glamourfaktor liegt below zero. Der schweigsame Anti-VIP hat
weiterhin kaum Fernsehauftritte, keine eigene Website und ist für
Interviews gut abgeschirmt. Vereinnahmen lässt er sich sowieso nicht. Die
Gastgeber in Augusta als Gralshüter ihres Mythos schockte er jetzt mit dem
Nebensatz: Ach, Augusta sei "doch nur ein Turnier".
Da gehört er nur zum weiteren Favoritenkreis. Die Wetten sehen Linkshänder
Phil Mickelson, den Titelverteidiger, ganz vorn, gefolgt vom weiter
schwächelnden Tiger Woods (nur noch Nummer 7 der Welt). Kaymer liegt mit 18
für 1 an Position 6. Die erste Runde am Donnerstag wird er mit Lee Westwood
bestreiten.
Der Engländer ist froh, überhaupt lebend am Start zu sein: Sein Privatjet
musste bei der Anreise notlanden, im Cockpit war Feuer ausgebrochen.
Womöglich seien seine Schläger "schon heiß gelaufen", galgenhumorte die Nr.
2 der Welt. Wenn Westwood sich ins Green Jacket spielt, ist Kaymer
womöglich die Weltranglistenposition 1 nach fünf Wochen wieder los. In
Deutschland würde das kaum jemand wahrnehmen.
7 Apr 2011
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Golf
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