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# taz.de -- Golf-Profi Martin Kaymer: Der authentische Jung-Buddha
> Mit der Karriere des Golfers Martin Kaymer geht es steil bergauf. Der
> 25-Jährige aber bleibt gelassen. Nun ist er erstmals beim renommierten
> Ryder Cup dabei.
Bild: Hochkonzentriert: Martin Kaymer schlägt auf der BMW Open 2010 den Ball a…
BERLIN taz | Am vergangenen Sonntag, einen Tag vor der Abreise zum Ryder
Cup, dem weltweit wichtigsten Golfereignis des Jahres: Ein Hobbyspieler
müht sich auf der Übungswiese des Golfclubs Hummelbachaue in Neuss um
Treffsicherheit und wundert sich, wer neben ihm die Bälle so akkurat und
märchenhaft weit prügelt. Tatsächlich, Martin Kaymer, der deutsche
Shootingstar. "Der hat seine Bälle geschlagen und niemanden interessierts -
keine Autogrammjäger, keine Presse, keine Bodyguards." Kaymer habe "die
Trainer sehr nett begrüßt und ist ohne Aufsehen zu seiner Abschlagmatte
gewandert". Fazit des staunenden Übungsnachbarn: "So kann ein Starleben
auch aussehen. Der Typ ist ja völlig unprätentiös."
Martin Kaymer, 25, ist keiner fürs Publikum, keiner für die Show. Stoisch
und hochkonzentriert spielt er seine Runden. Höflich und verbindlich wirkt
der Umgang mit ihm, intelligent ist er, immer nahbar, und gelassen wie ein
Jung-Buddha. Extravaganzen? Unbekannt.
Manchmal meint man, der Weltranglistensechste würde am liebsten unsichtbar
seine Runden spielen. Doch das gehört auch zur Strategie: Beim
sensationellen Major-Sieg im August, seinem größten Triumph, lief er am
Schlusstag in introvertiertem Mausgrau über den Platz. Tiger Woods trug an
Finaltagen meist feuerrot. Botschaft: Hier kommt der Sieger, nehmt mich
wahr. Kaymer gewinnt aus dem Nichts. Und selbst sein Jubel danach war
reserviert, freudig kühl, fast asketisch.
Jetzt ist Martin Kaymer erstmals beim Ryder Cup dabei, dem prestigeprallen
Kontinentalduell USA gegen Europa in Newport/Wales. Ein Teamwettkampf zwölf
gegen zwölf (1.-3.10, live auf sky.de). "Ryder Cup ist wie Fußball", sagt
der ehemalige Jugendauswahlkicker von Fortuna Düsseldorf , "es gibt keine
Veranstaltung mit so viel Leidenschaft." Kaymer spricht von der Ehre, dem
Thrill, dem Lebenstraum.
Kaymers Profikarriere, die erst 2007 begann, ist ein einziger Steilpfad
bergauf. Schon 2006 hatte er mal eine 59er Runde gespielt, die jungen
Mitspieler fielen danach am 18. Loch demonstrativ auf die Knie. Eine 59 ist
wie sechs Tore in einem Bundesligaspiel. Nur zwei Spieler waren jemals
besser. "Martin ist ungeheuer aufnahme- und lernfähig", sagt sein Trainer
Günter Kessler, "er saugt Informationen wie ein Schwamm auf und macht
selten einen Fehler noch einmal." Kaum einer sei beim Üben so zielstrebig
und extrem fokussiert.
Kaymer hat sehr spezifische Wales-Erfahrungen. Der Ryder-Cup-Platz Celtic
Manor im Juni, die Wales Open, Tag 2 an Loch 3, ein Par 3 von schlanken 170
Metern Länge. Normalerweise spielt man hier eine 3. Kaymer schlägt ab:
Grünkante, der Ball rollt ins seichte Wasser. Kaymer zieht schon Schuhe und
Socken aus. Risiko! Aus dem Wasser prügeln! Der Caddie rät ab. Debatte.
Kaymer geht, wieder bekleidet, zurück und schlägt ins gleiche Nass. Mit je
einem Strafschlag also 4. Der 5. Schlag gelingt ins Vorgrün, der Chip wird
etwas lang, Rückputt vorbei, dann endlich drin. Eine 8 an einem Par 3. Eine
8! Dafür würde sich jeder Hobbygolfer schämen. Einer rief ihm zu: "Come on,
Martin, jetzt nur ein paar Birdies, dann wird das wieder." Kaymer guckte
kurz sauertöpfisch zurück, vielleicht stand er auch vor der Explosion. Dann
ging er weiter, und die Birdies kamen.
Nach seinem Major-Sieg im August meinte Martin Kaymer: "Ich will nicht,
dass sich mein Leben jetzt ändert. Denn ich mag mein Leben sehr." Und
entschwand mit der Liebsten blauäugig zu einem dreiwöchigen Karibik-Urlaub.
Nach einer Woche musste er allerdings schon zurück. Sein Management hatte
ihn zurückbeordert wegen einer Flut von Sponsorenterminen, dazu der
Medienhype; Geschäftskunden standen Schlange.
Derzeit überlegt Martin Kaymer, seinen Schwerpunkt auf die mühsamere,
gleichwohl lukrativere US-Tour zu legen. Das würde ihn mehr fordern,
allerdings wäre er dann weniger daheim unterwegs. In den USA wird er
respektiert, aber verzückt nicht eben. Kaymer muss sich schon
rechtfertigen: "Ich bin kein langweiliger Deutscher. Ich mache nur keine
verrückten Sachen." Ein Kühlschrank auf dem Golfplatz? "Manche flippen aus,
bei mir ist es anders. Schläger schmeißen ist nicht so mein Ding. Ich
möchte keine Show abziehen. So bin ich nicht. Für mich ist wichtig, dass
ich authentisch bleibe."
Dabei kann der so korrekt und stets versammelt wirkende Mann auch durchaus
anders. Im Juni während der Fußball-WM, eine Stunde vor dem Spiel
Deutschland - England, spielte er in München seine letzte Bahn im
DFB-Nationaltrikot. Das sorgte für große Gaudi, brachte ihm aber eine
offizielle Verwarnung der Golftour-Bürokraten ein wegen Verstoß gegen die
Kleidungsvorschriften (und das Turnier gewann trotzdem ein Engländer). "Den
Gentlemansport" nennt Kaymer seine Sportart, "Golf ist mein Leben, meine
Leidenschaft, meine Liebe."
29 Sep 2010
## AUTOREN
Bernd Müllender
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