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# taz.de -- Portrait Regisseur Robert Borgmann: Der Vater ist Schuld
> Radikal jung: Durch die Arbeiten von Robert Borgmann mäandern Fragen der
> Nationalidentität und Analysen autoritärer Konflikte. Ein Porträt des
> 30-jährigen Regisseurs.
Bild: So sieht "radikal jung" aus: Robert Borgmann.
"Theater ist im Grunde wie die Arbeit an einer Skulptur. Man hat am Anfang
eine Idee, wie es sich anfühlen soll, dann sucht man das Material und
beginnt damit zu arbeiten." So erklärt Robert Borgmann seine
Theaterkonzeption, und sofort ist klar, dass der 30-jährige Regisseur nicht
primär an Stücktexten interessiert ist. Er betrachtet sie vielmehr als
Steinbruch, aus denen er zusammen mit philosophischen oder politischen
Fragmenten neue Bühnenabende erschaffen will. Borgman ist eine Art
bildender Bühnenkünstler, dessen erste Gehversuche denn auch im
Kunstbereich stattfanden. Während er erzählt, sitzt er entspannt im Sessel
der Theaterkneipe in Leipzig und raucht eine Gauloise. Vor ihm steht ein
Kaffee und eine Apfelschorle. Derzeit laufen zwei Theaterabende in Leipzig
und Mainz von ihm im Repertoire. Er wirkt ruhig, als ob er nach einer
langen und arbeitsreichen Zeit seinen inneren Punkt gefunden hat.
Einer seiner Theaterabende ist "Vatermord", inszeniert für das Leipziger
Centraltheater und jetzt eingeladen zum Münchner Theater-Nachwuchs-Festival
"Radikal jung". Der Abend basiert auf Arnolt Bronnens gleichnamigen Roman
von 1920, der von einem Sohn handelt, der unter den despotischen Anfällen
seines Vaters leidet und sich schlussendlich seiner Familie mittels einer
Schrotflinte entledigt. Borgmann stellt diese Geschichte als stummes Spiel
mit Ramazotti-Bedudelung dar, das die Zuschauer vom Rang aus verfolgen. Im
zweiten Teil sitzen die Zuschauer nun auf der Hinterbühne, wo sich ein
Gewitter aus großen Vaterbeziehungen des 20. Jahrhunderts entlädt: Fragen
der Nationalidentität mäandern da durch und eine Strukturanalyse
autoritärer Konflikte.
## Kunst schnörkellos erklären
Wo andere oftmals schweigen, hat Borgmann sichtlich Vergnügen daran, seine
Kunst schnörkellos und direkt zu erklären. "Philosophische Auf- und
Entladungen" nennt er selbst sein Verfahren, Texte zu Theater zu schmieden.
Die Kritik spricht hingegen gern von ihm als einem der Castorf-Apologeten,
die der Leipziger Intendant Sebastian Hartmann am Centraltheater versammle.
Deshalb ist die Anerkennung durch die Einladung nach München so wichtig.
Am Centraltheater Leipzig ist Borgmann seit Neuestem Hausregisseur. In den
letzten fünf Jahren hat der gebürtige Erfurter durchgearbeitet. Deutsches
Theater, Schaubühne und Hebbel-Theater in Berlin, aber auch die Theater in
Bielefeld, Mainz und Wiesbaden haben ihn Deutschlands (Stadt-)Theater
kennenlernen lassen.
Dass Borgmann mit seinen gestalterischen Ambitionen am Theater gelandet
ist, war eher Zufall. Mit 18 will er als junger Mann zunächst vor allem
raus aus Erfurt - "so weit weg wie möglich" - und beginnt in London ein
Kunststudium. Das bricht er aber bald ab und wechselt nach Köln, wo er über
eine Hospitanz am Kölner Schauspielhaus bei Gunther Cremer landet und bald
eigene Produktionen außerhalb des Stadttheaters auf die Beine stellt. So
angefixt und außerdem frisch verliebt, wechselt er nach Berlin, wo er an
der Ernst-Busch-Schauspielschule ein Regiestudium absolviert.
Die Kaffeetasse ist mittlerweile geleert. Richtige Vorbilder gebe es keine,
gibt er zu Protokoll, zumindest kaum auf dem Theater. Dafür fasziniert ihn
einiges in, wer hätte es gedacht, Malerei und bildender Kunst: Caspar David
Friedrich ("Hassliebe, immer diese deutsche Eiche") steht da in einer Reihe
mit Joseph Beuys und Anselm Kiefer. Aus der Reihe fällt Ingmar Bergmann:
"Der Tag, an dem Ingmar Bergmann und Michelangelo Antonioni gleichzeitig
gestorben sind, das war schon eine ziemliche Katastrophe."
## Fan der vierten Wand
Trotz der Liebe zu Bergmann, zum Film zieht den fast Gleichnamigen nichts.
"Ich brauche diese direkte Kommunikation, ohne dass es wirklich direkt ist.
Im Grunde bin ich ein Fan der vierten Wand." Die Zuschauer sind dabei, aber
nicht Teil der Inszenierung, bleiben außen vor - eine klare Absage ans
Mitmachtheater. Theater muss, so der Regisseur, für die Menschen arbeiten,
die es sich ansehen. Dort kann es wirken und Denkprozesse anstoßen - auch
politische. Dass es vordergründig politisch wirken kann, glaubt Borgmann
aber nicht: "Die Welt ist komplizierter als ein paar altlinke Thesen.
Theater ist politisch, wenn es ästhetische Kategorien trifft, nicht durch
Agitation."
In seiner Freizeit arbeitet der Multikünstler an einer Skulpturenreihe im
neuen Leipziger Atelier und besucht gern Kunstausstellungen oder
Fußballspiele. Die Stimmung dort, das Dröhnen der Chöre und der Geruch nach
Bier und Bratwurst findet er mindestens ebenso eindrucksvoll wie die
deutschen Eichen von Caspar David Friedrich. Schuld ist der Vater, der ihn
mit acht Jahren das erste Mal zu Rot-Weiß-Erfurt mitnahm. Aber Borgmann ist
eher Fan des Spektakels denn eines konkreten Vereins. Obwohl, Dortmund
findet er derzeit ganz sympathisch. Einen Schal aber braucht er dafür
nicht.
11 Apr 2011
## AUTOREN
Torben Ibs
## TAGS
Junges Theater
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