# taz.de -- Konflikt um Kunsthaus geht weiter: Tacheles wird eingemauert | |
> Zwangsverwalter lässt Mauer hochziehen und zerstört dabei | |
> Künstlerateliers. Dabei gibt es offenbar einen Kaufinteressenten, der mit | |
> Bewohnern arbeiten möchte. | |
Bild: Hatten definitiv die Absicht, eine Mauer zu errichten: Arbeiter am Tachel… | |
Der Konflikt um das Kunsthaus Tacheles hat sich erneut zugespitzt. Am | |
frühen Dienstagmorgen begannen Bauarbeiter, die hohe Durchfahrt zum Hof mit | |
einer Mauer zu verschließen. Der Mauerbau wurde von Mitarbeitern einer | |
Sicherheitsfirma geschützt, welche die überraschten und aufgebrachten | |
Künstler und Besetzer des Hauses zum Teil rüde abdrängten. Am Mittag stand | |
die knapp drei Meter hohe Mauer. Damit ist die Verbindung von der | |
Oranienburger Straße zur rückliegenden Metallwerkstatt und zum Hofgelände | |
mit seinen Ateliers gesperrt. Der Zugang ist nur noch über den Umweg des | |
nahe gelegenen Autoparkplatzes möglich. | |
Hüseyin Arda, Künstler in der Metallwerkstatt, und Txus Parras von der | |
Tacheles Galerie zeigten sich empört. "Das ist ein weiterer Schritt, uns | |
hier einschüchtern und verdrängen zu wollen", sagte Arda zur taz. "Um | |
sieben Uhr haben die Arbeiter begonnen, die Metallinstallationen im | |
Durchgang wegzuräumen." Dabei seien diese "beschädigt" worden. Auch das | |
Atelier des italienischen Künstlers Andreas Adamo wurde plattgemacht. | |
Maurer hätten die Wand aus hellen Betonsteinen mitten durch die einstige | |
Ausstellung gezogen, so Arda. "Das ist ein Skandal, aber dadurch lassen wir | |
uns nicht rausekeln. Im Gegenteil." | |
Nach Aussagen der HSH Nordbank, Zwangsverwalterin des Tacheles, hat der | |
gerichtliche Zwangsverwalter die Mauer veranlasst. Der Bau diene | |
"Sicherheitsmaßnahmen", so eine Sprecherin. Vor gut einer Woche hatte die | |
HSH die anberaumte Zwangsversteigerung verschoben. Ihr bleiben nun maximal | |
sechs Monate Zeit, einen neuen Termin einzuberufen. | |
Seit 2008, nach der Insolvenz einer Fundus-Immobiliengruppe, verwaltet die | |
HSH das Tacheles-Areal. Sie ließ gegen die Nutzer ein förmliches | |
Räumungsverfahren einleiten. Vorige Woche dann der überraschende Deal: | |
Gegen eine Zahlung von einer Million Euro verließ die Gastronomie-Fraktion | |
des Tacheles freiwillig das Haus. Im direkten Anschluss wurden das | |
Erdgeschoss, das Kino und der Hinterhof geräumt - mit Ausnahme der | |
Metallwerkstätten. | |
Die Künstler und ihr Rechtsanwalt sehen in dem jetzigen Mauerbau eine Reihe | |
klarer Rechtsverstöße. Nach Ansicht des Tacheles-Anwalts verletzt die Mauer | |
bestehende Brandschutzbestimmungen. So könnte bei einem Notfall die | |
Feuerwehr nicht mehr auf das Gelände fahren. Zudem seien die Fluchtwege | |
versperrt. Ob außerdem gegen Auflagen des Denkmalschutzes verstoßen wurde, | |
ließ der Anwalt offen. Das 1909 erbaute Gebäude, das teilzerstört ist, | |
steht unter Denkmalschutz. | |
Tanja Lier, Leiterin der Planungsbehörde in Mitte, sagte zur taz, ihre | |
Mitarbeiter hätten nach einem ersten Vororttermin "keine Verstöße gegen die | |
Brandschutzverordnung feststellen" können. Die Wege ins Gebäude hinein und | |
wieder heraus sowie die Zufahrt zum Hof über das Nebengrundstück seien | |
zugänglich. Ob der Mauerbau in das Denkmal eingreife, müsse ihre Behörde | |
aber noch prüfen. "Da sind wir dran." Die HSH versichert, dass alle | |
Standards eingehalten wurden. Der Zwangsverwalter habe sich "doppelt und | |
dreifach bei der Polizei abgesichert", so eine Sprecherin. | |
Ephraim Gothe, SPD-Baustadtrat in Mitte, konkretisierte derweil laut | |
Medienberichten die Perspektiven für das Tacheles: Es gebe noch vier | |
Interessenten an dem 25.300 Quadratmeter großen Gelände - darunter durchaus | |
"sympathische Ideen", so Gothe. Eines der Konzepte beziehe auch die | |
jetzigen Künstler mit ein. Insgesamt wichen alle Ideen deutlich von dem | |
noch bestehenden Bebauungsplan ab. Dieser müsste entsprechend geändert | |
werden. Gothe wünscht sich fürs Tacheles künftig mehr "Wohnen und Kunst und | |
weniger Kommerz und Halligalli". Im Flächennutzungsplan ist für das Haus | |
eine Kulturnutzung festgeschrieben. | |
Die verbliebenen 80 Künstler glauben an ihre Zukunft in der Kulturruine. | |
Für den Fall einer Räumung kündigen sie Proteste an - bis hin zu | |
Hungerstreiks. | |
12 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
Konrad Litschko | |
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