# taz.de -- Demo für Tacheles-Erhalt: Party-Parade mit Rundumschlag | |
> Rund 800 Menschen demonstrieren, feiern und tanzen für den Erhalt der | |
> Kulturruine. In den Redebeiträgen geht es um alles mögliche - nur nicht | |
> um das angekündigte Thema Mietsteigerungen. | |
Bild: Und wie lange gibt es das Tacheles noch? | |
Technobeats schallen über den Alexanderplatz. Als dann noch Dr. Motto ans | |
Mikrophon tritt, möchte man fast an ein Revival der Loveparade denken. Doch | |
an diesem Samstag sind die UnterstützerInnen des Tacheles auf die Straße | |
gegangen. Die Parade soll deutlich machen: "Für uns gibt es keine | |
Sommerpause. Wir diktieren den PolitikerInnen unsere Forderungen an das | |
Wahlprogramm", sagt Martin Reiter von der KünstlerInneninitiative des | |
Tacheles. | |
Trotzdem ist bei der Abschlussveranstaltung vor dem Roten Rathaus eher | |
Party als Widerstand angesagt. Die rund 500 Menschen applaudieren zwar | |
begeistert nach jeden Wortbeitrag. Doch wenn die Beats wummern, ist die | |
Begeisterung hörbar größer. | |
Die Zukunft der Kulturruine in Mitte ist weiterhin offen. Der | |
Zwangsverwalter, die HSH Nordbank, versucht das Gelände seit geraumer Zeit | |
erfolglos an den Mann zu bringen. Ein Termin zur Zwangsversteigerung war | |
Anfang April 2011 kurzfristig abgesagt worden. | |
Schon am Samstagvormittag bewegt sich ein kleiner Zug mit 50 Leuten von | |
Kreuzberg nach Mitte. Insgesamt nehmen rund 800 Menschen an verschiedenen | |
Paraden durch das hochsommerliche Berlin teil. Für Reiter ist die Aktion | |
ein Erfolg - auch wenn nicht die Tausenden Technofans gekommen sind, die im | |
Vorfeld erwartet wurden. "Aber wenn alle von Kürzungen betroffenen Projekte | |
so viele Menschen auf die Straße bringen, sind wir eine Million Menschen | |
und können Wowereit unter Druck setzen", sagt er der taz. | |
Paula P. Cay vom Verein electrocult setzt sich in ihrer kurzen Rede für | |
bessere Arbeitsbedingungen für prekäre KünstlerInnen ein und will das Image | |
der Stadt verbessern. "Kunst und Kreativität ist ein Berliner | |
Exportartikel", ruft sie ins Mikrophon. Dr. Motto, der auf der Demo seinen | |
Geburtstag feiert, lässt in seiner Ansprache kaum ein politische Thema aus | |
und spart auch nicht mit populistischen Allgemeinplätzen. So warnt er vor | |
"gewissenlosen Heuschrecken", die den PolitikerInnen ihre Vorstellungen | |
einflüstern, mokiert sich über das viele Geld, dass für die EU- und | |
Griechenland ausgegeben wird - und stellt den Kampf um den Erhalt des | |
Tacheles in eine Reihe mit dem Volksbegehren gegen die Privatisierung des | |
Wassers. Zudem wettert er über Neuzugezogene, die sich über den Lärm der | |
Clubszene beschweren. | |
Nur von der Forderung nach einem Stopp der Mieterhöhungen, mit denen auf | |
Plakaten und in Aufrufen zur Parade geworben wurden, ist nichts zu hören. | |
"Ich bin zum Spaß und wegen der Musik dabei": Dieses Statement von zwei | |
jungen Männern, die sich im Rhythmus der Musik bewegen, ist keine | |
Einzelmeinung. | |
Die Tacheles-Parade hat die Saison der Partys mit politischen Anliegen | |
eingeläutet. Für kommenden Samstag ist eine Mediaspreeparade angekündigt. | |
Drei Jahre nach dem Bürgerentscheid soll dort die Forderung nach einem | |
"Spreeufer für alle" im Mittelpunkt stehen. Dass die | |
Tacheles-UnterstützerInnen schon eine Woche vorher auf die Straße gegangen | |
sind, sieht ein Mitorganisator der Mediaspreeparade nicht als | |
Zersplitterung. Es sei sinnvoll, dass jeder Brennpunkt für sich selber | |
mobilisiert. Zudem habe das Tacheles als subkultureller Ort eher | |
mietendämpfend gewirkt, weil damit die Fundus-Bebauung blockiert wurde. | |
Allerdings gibt es bei MieterInneninitiativen auch Kritik, dass | |
Kultureinrichtungen wie das Tacheles oder die Clubszene am Spreeufer gerne | |
die Parole Mieten stoppen auf ihre Aufrufe schreiben, wenn sie für den | |
Erhalt ihrer Einrichtungen werben - sich aber sonst wenig um das Thema | |
kümmern. | |
10 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
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möchte. |