# taz.de -- WHO bei Strahlungsschäden beschränkt: Rösler soll Knebelvertrag … | |
> Die Weltgesundheitsorganisation darf die Folgen radioaktiver Strahlung | |
> nicht offen bewerten. Gesundheitsminister Rösler könnte das ganz einfach | |
> ändern. | |
Bild: Will er oder will er nicht? Philipp Rösler könnte für mehr Transparenz… | |
GENF taz | Die Hoffnungen richten sich auf Bundesgesundheitsminister | |
Philipp Rösler (FDP): Auf der Jahresversammlung der | |
Weltgesundheitsorganisation (WHO) Mitte Mai in Genf kann er die Weichen | |
dafür stellen, dass die WHO sich unabhängig mit den gesundheitlichen Folgen | |
der radioaktiven Strahlung in und um den japanischen Atomreaktor Fukushima | |
auseinandersetzt. | |
Dazu müsste der Knebelvertrag zwischen ihr und der Internationalen | |
Atomenergie-Organisation (IAEO) gekündigt werden, der der WHO praktisch | |
einen Maulkorb verpasst. Diesen Antrag will die Bundestagsfraktion der | |
Grünen in der nächsten Sitzungswoche einbringen. Die Antwort der | |
Bundesregierung auf zwei Fragen, die der Grünen-Abgeordnete Uwe Kekeritz | |
dazu in der vergangenen Woche gestellt hatte, steht noch aus. | |
Im dem jahrzehntelang geheimgehaltenen Abkommen vom Mai 1959 verpflichtete | |
sich die WHO dazu, der IAEO die Federführung zu allen Fragen radioaktiver | |
Strahlen einschließlich ihrer gesundheitlichen Folgen zu überlassen – und | |
ohne vorherige Genehmigung der IAEO keine eigenen Untersuchungen und | |
Maßnahmen zu diesen Fragen durchzuführen oder öffentliche Stellungnahmen | |
abzugeben. | |
## WHO übernahm verharmlosende Tschernobyl-Bilanz | |
In der Folge übernahm die WHO die verharmlosende Darstellung der IAEO zu | |
den Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, die von lediglich 52 | |
Toten ausgeht. Bis heute hält sie fast alle Dokumente der gemeinsam mit der | |
IAEO veranstalteten Tschernobyl-Konferenzen von Genf und Kiew aus den | |
Jahren 1995 und 2001 unter Verschluss. Sie verweigert Untersuchungen zu den | |
gesundheitlichen Folgen des Einsatzes von mit abgereichertem Uran | |
gehärteter Munition im Irak, in Bosnien, im Kosovo und im Libanon. | |
Und auch im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall von Fukushima kommt sie | |
ihrer zentralen Satzungsverantwortung für die "Gesundheit aller | |
Bevölkerungen" nicht nach, sondern überlässt die Definitionshoheit der | |
IAEO. Das Abkommen der beiden Organisationen wurde vor 62 Jahren von den | |
Jahresversammlungen ihrer Mitgliedsstaaten abgesegnet. | |
## Geschäftsordnung erlaubt Sonderanträge bei aktuellen Ereignissen | |
Es kann von jeder Seite mit einfacher Mehrheit der Mitgliedsstaaten jeweils | |
zum Jahresende gekündigt werden. Bei der WHO müsste dafür ein | |
entsprechender Antrag von mindestens einem der heute 193 Mitglieder | |
eingebracht und von einem zweiten Land unterstützt werden. Im Regelfall | |
hätte das bis Ende Januar zu geschehen. Denn dann legt der Exekutivrat die | |
Tagesordnung für die traditionell Mitte Mai stattfindenden | |
WHO-Versammlungen fest. Aber die Geschäftsordnung erlaubt es auch, einen | |
solchen Antrag bei aktuellen Ereignissen auch noch später zu stellen. | |
Die "Initiative für eine unabhängige WHO" demonstriert seit dem 21. | |
Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl am 26. April 2007 jeden Tag von 8 | |
bis 18 Uhr vor der Genfer WHO-Zentrale. Vor sechs Jahren hat sie erstmals | |
die GesundheitsministerInnen aller 193 Mitgliedsstaaten aufgefordert, die | |
Kündigung des Vertrags mit der IAEO zu beantragen. Bis zur | |
Reaktorkatastrophe von Fukushima hatte sich jedoch lediglich Kuba bereit | |
erklärt, den Antrag eines anderen Mitgliedsstaates zu unterstützen. | |
19 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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