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# taz.de -- Sebstmordattentäter-Filmsatire "Four Lions": Mit dem Schaf ins Par…
> "Four Lions" von Christopher Morris erzählt von vier dilettierenden
> Attentätern, ist zum Schreien komisch – und hat eine unerwartete
> Zärtlichkeit.
Bild: Attentäter oder Tölpel? Einer der Protagonisten von "Four Lions" übt a…
Vier Löwen wollen sie sein, vier Löwen, die den Heiligen Krieg auf
britischem Boden entflammen. Für den 150-prozentigen Islamkonvertiten Barry
(Nigel Lindsay) kommt hierfür nur eine Strategie infrage: ein Anschlag auf
eine Moschee. Eine solche Camouflage der Absichten und Motive würde die
moderaten Muslime aufrütteln und radikalisieren, Klarheit zwischen den
Fronten schaffen.
Seine Mitstreiter Omar (Riz Ahmedi), Way (Kayvan Novak) und Faisal (Adeel
Akhtar) haben diesbezüglich jedoch nicht nur strategische Vorbehalte. In
einer Hinsicht besteht indessen Einigkeit: Ein Selbstmordattentat muss es
sein, doch kein dümmlich sinnloses, sondern eines, das Geschichte schreibt,
das also sorgfältig geplant sein will.
Der erste der vier pufft prompt auf einer Provinzweide aus dem Leben und
nimmt dabei immerhin gleich noch ein Schaf mit ins Paradies: ein
Märtyrertod mit erweitertem Erläuterungsbedarf. Eine Berufung ins
Mudschaheddin-Trainingslager in Pakistan gerät bei solcher Tölpelei zur
halben Katastrophe. Entnervt schicken die Terrorprofis die Amateure nach
Großbritannien zurück.
Die Widersprüche zwischen der Selbsteinschätzung der vier verhinderten
Selbstmordattentäter und der Realität ihres zwischen stumpfer Dümmlichkeit,
fehlgeleiteter Paranoia und schlichter Inkonsistenz changierenden
Verhaltens walzt Regisseur Christopher Morris, ein Zögling der seit Jahren
auf höchstem Niveau unterhaltenden Brit-TV-Comedy, mit genüsslicher Freude
am ätzenden Humor in episodischer Erzählweise aus.
## Kein kalkulierter Tabubruch
Mit Erfolg: "Four Lions" treibt zwar mit Entsetzlichem Scherz, spekuliert
aber – Anflügen von Panikmache der CSU zu Beginn des Jahres zum Trotz –
nicht auf Tabubruch, sondern verstrebt die Schlagzeilen und
Brennpunktthemen der vergangenen Jahre zu einer zum Schreien komischen,
tiefschwarzen Satire, der besten vielleicht des laufenden Kinojahres.
Dabei beschränkt er sich nicht darauf, die Dumpfheit hinter der
menschenverachtenden Ideologie des islamistischen Terrorismus der
Lächerlichkeit preiszugeben. Es sind vielmehr gerade die eingebauten
Ambivalenzen und oft binnen eines einzigen Schnitts gezogenen
Verbindungslinien, die den Film über bloßes Amüsement hinausheben.
Etwa wenn "Four Lions" gleich zu Beginn von der gründlich vergeigten
Aufnahmesession eines pathetisch knarrenden Low-Fi-Bekennervideos zum
Laptop in die sonnendurchflutete Küche von Omar wechselt, der eine Sekunde
zuvor noch wüste Tiraden in Richtung Videokamera absonderte. Nun aber, als
"Schläfer" nach außen hin mustergültig integriert, mit Frau und Kind in
aller Seelenruhe vor entspanntester Mittelklassekulisse die auch wegen der
Blödheit seiner Kameraden unbrauchbaren Videos und seinen in Bälde
anstehenden Selbstmordanschlag diskutiert.
## Traurige Absurdität
Oder wenn Omar zum Ende hin, als es an die Umsetzung des Vorhabens unter
widrigen Bedingungen geht, dies seiner Frau signalisiert, dies aber unter
Polizistenaugen auf derart verklausuliert-nüchterne Weise vonstatten gehen
muss, dass die beiden zwar in aller Öffentlichkeit, aber dennoch ganz unter
sich sind. In diesem Moment entwickelt "Four Lions" in direkter Nähe zum an
trauriger Absurdität kaum überbietbaren Finale eine melancholische
Zärtlichkeit, mit der man anfangs kaum gerechnet hätte.
"Four Lions", merkt man in solchen Tupfern der Nachdenklichkeit, hat einen
ehrlich humanistischen Kern: Der Selbstmordattentäter bleibt auch als
Trottel immer noch ein Mensch, dessen Taten weder zu entschuldigen noch zu
rechtfertigen sind, dessen Tragik aber dadurch gekennzeichnet ist, in einem
Zeitalter maßloser Verwirrung auf allen Seiten einer üblen Ideologie
aufgesessen zu sein, die nicht nur, aber eben auch sein Leben beschädigt.
Wobei zu klären bliebe, inwieweit die vier Löwen bei allen Zündeleien und
Mordabsichten überhaupt in die Nähe der realen Terroristen und Assassinen
im Nahen Osten zu rücken wären. Wenn sie vor der Kamera ihre HipHop-Stars
imitieren, im Auto Popsongs mitgröhlen oder für das Smartphone albern
Mudschaheddin-Posen nachstellen, erscheinen sie eher wie unreife Kinder der
westlichen Metropolen, die die provokativen Gesten der Popkultur ganz
einfach um ein paar Grade weitergetrieben haben. Am Ende hat dieser kluge,
witzig-traurige Film eher etwas mit London, Paris und Berlin zu tun als mit
den Fanatikern jenseits Europas.
"Four Lions". Regie: Christopher Morris. Mit Riz Ahmed, Kayvan Novak, Nigel
Lindsay Adeel Akhtar u. a. GB 2010, 97 Min.
20 Apr 2011
## AUTOREN
Thomas Groh
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