# taz.de -- Anlegerschutz-Initiative: "Marktwirtschaft auf Steinzeitniveau" | |
> Wissen Sie, was Ihr Bankberater für seine letzte Geldanlageempfehlung | |
> kassiert hat? Verbraucherschützer wollen über diese und andere Fragen | |
> aufklären. | |
Bild: Hinter der sonnigen Beratung steckt oft Abzocke. Die Verbraucherzentralen… | |
BERLIN taz | Obwohl die Rechtslage eindeutig ist, sind die | |
Vertriebsvergütungen bei Finanzprodukten weiterhin kaum transparent. | |
Deshalb wollen Verbraucherschützer nun Druck machen. Am Mittwoch starteten | |
sie die [1]["Initiative Finanzmarktwächter"]. Diese soll den Finanzmarkt | |
stärker ins Visier nehmen - und als erstes das Provisionsgeschäft | |
untersuchen. | |
Bankberatungen sind für die Kunden auf den ersten Blick kostenlos. | |
Finanziert werden sie über die Provisionen, die die Anbieter den Banken für | |
den Verkauf ihrer Finanzprodukte zahlen - Kosten, die sie allerdings auch | |
wieder auf ihre Kunden umlegen, so dass der Anleger letztlich doch zahlt. | |
Dieses Provisionssystem bedeutet aber vor allem, dass das Interesse des | |
Beraters in erster Linie darin besteht, die Anlage mit der höchsten | |
Provision zu verkaufen statt die, die am besten zur Situation des Kunden | |
passt. In Großbritannien beispielsweise sind provisionsgetriebene | |
Beratungen deshalb ab 2013 verboten. Hier sollen die Kunden künftig ein | |
einheitliches Honorar zahlen. | |
Die Bundesregierung hat sich gegen eine solche Vorgabe entschieden. Aber | |
das Wertpapierhandelsgesetz schreibt zumindest vor, dass die Verbraucher | |
erfahren sollen, welche Vergütungen die Geldinstitute für die Vermittlung | |
von Anlagen erhalten. | |
## "Hinter dem Rücken des Kunden" vereinnahmte Provisionen | |
Mehrere Urteile des Bundesgerichtshof bestätigen, dass die Banken "eine | |
Aufklärungspflicht über hinter dem Rücken des Kunden" vereinnahmte | |
Provisionen haben. Die Verbraucherzentralen sind sogar der Meinung, dass | |
die Provisionen an den Kunden zurückgezahlt werden müssen. "Wir würden | |
gerne eine Musterprozess führen", sagt Dorothea Mohn, Finanzexpertin beim | |
Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv). | |
Zunächst einmal aber wollen sich die Verbraucherschützer eine empirische | |
Grundlage verschaffen und zugleich die Öffentlichkeit mobilisieren. Die | |
bisherigen Erfahrungen der Verbraucherzentralen deuten darauf hin, dass die | |
Banken durchaus Kreativität entwickeln, wenn es darum geht, die Herausgabe | |
der Informationen zu vermeiden. "Eine klare Auskunft gibt es so gut wie | |
nie", sagt Mohn. | |
Stattdessen verschleierten die Banken die Zahlen mit ungefähren "bis zu | |
soundsoviel Prozent-Angaben" mit unklaren Bezügen, oder verwiesen auf | |
pauschale Angaben in allgemeinen Broschüren. Den Vogel abgeschossen hat | |
laut Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die | |
Badische Beamtenbank: Auf die Anfrage eines Kunden nach den Provisionen | |
forderte sie ihn auf, detailliert aufzulisten, um welche Geldanlagen es | |
ging. Sie bot aber auch an, dass für ihn zu übernehmen - gegen eine Gebühr | |
von 40 Euro. | |
## Staat will Finanzbranche nicht überwachen | |
"Der Staat ist weder willens noch in der Lage, die Überwachung der | |
Finanzbranche zu leisten", sagt vzbv-Chef Gerd Billen. "Das ist | |
Marktwirtschaft auf Steinzeitniveau." Um zu beweisen, dass eine | |
systematische und verbraucherorientierte Markbeobachtung notwendig ist, | |
wollen die Verbraucherschützer deshalb mit ihrer Initiative in Vorleistung | |
gehen. Dabei bündeln der vzbv und die 16 Verbraucherzentralen in den | |
Ländern ihre Kräfte. Nach dem Provisionsgeschäft wollen sie sich auch um | |
die überhöhten Dispozinsen, den laschen Umgang der Banken mit den | |
gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsprotokollen bei Anlagegesprächen und | |
mit Kündigungen von Altersvorsorgeprodukten befassen. | |
Das Ganze bedeutet einen Kraftakt: "Bislang beraten in den | |
Verbraucherzentralen bundesweit 130 Leute in diesem Themenbereich", sagt | |
Irmgard Czarnecki, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Bremen. | |
"Umgerechnet ist das ein Berater für 130.000 Haushalte." Die Hoffnung der | |
Verbraucherzentralen ist, mit der Initiative so viel Aufmerksamkeit auf die | |
Missstände in der Finanzbranche zu lenken, dass die Bundesregierung nicht | |
umhin kommt, die Finanzierung der Verbraucherzentralen zu verbessern. | |
Dafür aber müssen diese erst einmal die Fakten sammeln. Dabei wollen sie | |
aus der eigenen Personalnot eine Tugend machen und die Verbraucher | |
beteiligen. Sie rufen alle Anleger auf, ihre Bank um detaillierte | |
Auflistung aller Provisionen und Rückvergütungen zu bitten, die sie im | |
Rahmen ihrer Aufträge bekommen haben. Ein Musterbrief kann unter | |
[2][www.vzbv.de/Finanzmarktwaechter] heruntergeladen werden. | |
21 Apr 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.vzbv.de/mediapics/finanzmarktwaechter_hintergrundpapier_2011_04_… | |
[2] http://www.vzbv.de/Finanzmarktwaechter | |
## AUTOREN | |
Beate Willms | |
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